Fast anderthalb Stunden braucht Richter Thomas Geiger am Landgericht Rottweil jetzt, um ein Gerichtsurteil zu verlesen, gegen das ein 52-jähriger Rottweiler Berufung eingelegt hat. Er war nämlich von einem anderen Gericht bereits im September 2024 zu einem Jahr und zehn Monaten Haft verurteilt worden.

Die Urteilsverlesung dauerte deshalb so lange, weil die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten schier unzählig sind: Über Monate soll er seine Nachbarn tyrannisiert haben, Mülltonnen und Hecken angezündet, die zum Löschen angerückte Feuerwehrleute beleidigt und bespuckt haben. Eine Mitarbeiterin des Veterinäramts soll er mit dem Tod bedroht und einem Jugendlichen ins Gesicht geschlagen haben.

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Alles Vorwürfe, die das Gericht für wahr erachtet und ihn daher verurteilt hatte. Auch auf dem Friedhof gegenüber seines Wohnhauses brannte die Hecke, wurden Grabsteine umgeworfen, Gräber verwüstet. Die Stadt Rottweil stellte deshalb eine Überwachungskamera auf, auch die Nachbarn versuchten, sich mit Kameras und Bewegungsmeldern zu schützen.

Zeugen berichten von Beleidigungen

Nun sagt der Mann zu beinahe allen Anklagepunkten: „Das war ich nicht. Das hab ich nicht gesagt.“ Zu dem Nichtgesagten gehören laut den Aussagen von Nachbarn, Polizisten und Feuerwehrleuten übelste Beleidigungen.

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Vor dem Berufungsgericht will der Mann, der wegen seiner Taten zweimal in die Psychiatrie eingeliefert wurde, von all dem nichts mehr wissen.

Die Hecken und Mülltonnen hätten Jugendliche angezündet, deren Namen und Adressen er nennt. Die sollen sich auch an seiner gut gesicherten Haustüre zu schaffen gemacht haben, mit Klebstoff das Code-Schloss zerstört haben.

So oft ruft er den Notruf an

Das war dann, so seine Aussage am Dienstag, auch der Grund für die insgesamt 76 Notrufe, die er machte, teils im Minuten- und Sekundentakt.

Er sei unter Medikamenteneinfluss gestanden, das wisse der psychiatrische Gutachter doch. Der jedoch weiß laut Aussage im Prozess nur von Medikamenten, die der Mann jetzt im Gefängnis bekommt.

Aufgrund der Unstimmigkeiten in der Medikamentenfrage forderte der 52-Jährige kurzerhand, den Gutachter auszutauschen. Das werde nicht passieren, lehnte Richter Thomas Geiger jedoch ab. Henner Giedke gehöre zu den erfahrensten Gutachtern, die man habe.

Der Angeklagte gilt als schuldfähig, eine Untersuchung durch den psychiatrischen Gutachter lehnte er ab. Sachverständiger Giedke analysierte ihn dennoch: Es liege keine Schizophrenie vor, dafür eine Persönlichkeitsstörung, eine mangelnde Impulskontrolle, Minderwertigkeitskomplexe und infantile Verhaltensweisen mit bösartigen Komponenten. Die Taten begehe er möglicherweise aus Langeweile.

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Kurios: Der 52-Jährige machte im Vinzenz-von-Paul-Hospital die Ausbildung zum Krankenpfleger, in der psychiatrischen Klinik, in die er später zweimal eingeliefert wurde. Anschließend arbeitete er in verschiedenen Einrichtungen, pflegte dann den Vater und später seine Mutter bis zu deren Tod.

Alle anderen sind schuld – auch die Polizei

Diese habe man umgebracht, lautet einer der Vorwürfe des Angeklagten an die Polizei – die in der Sache nie tätig geworden sei, wie er betonte. Und all die Taten hätten andere begangen, angezettelt von seinen Nachbarn, die ihn loswerden wollten.

„Seit Sie in Haft sind, hat es nicht mehr gebrannt“, hielt ihm der Richter entgegen. Und stellte auch klar, dass er nicht nur seine Nachbarn, sondern auch zahlreiche Polizisten bezichtigt habe, dass sie lügen würden.

Verhandlung geht in die nächste Runde

Nun werden also alle Zeugen noch einmal geladen. Am Dienstag, 28. Januar, geht es dann mit deren erneuter Befragung weiter. Und am Ende wird das Gericht möglicherweise, wie auch beim ersten Prozess, die Kosten des Verfahrens dem 52-Jährigen auferlegen.