Die Impfkampagne in Deutschland soll erweitert werden. Ab Juni, das hatte Gesundheitsminister Jens Spahn gesagt, sollen idealerweise auch Betriebsärzte gegen Corona impfen. Sie sollen dann neben Impfzentren und Hausärzten als dritte Säule gegen die Pandemie fungieren. Zuvor wird das Verfahren aber erst erprobt.

Start voraussichtlich Mitte Mai

„Mitte Mai soll voraussichtlich ein Pilotprojekt starten. An diesem nehmen zwölf Unternehmen aus den Bereichen der zwölf Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg teil“, sagt Matthias Schanz, Corona-Beauftragter bei der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg (IHK) im SÜDKURIER-Gespräch. Getestet werden soll dann, wie das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Impfakteuren funktioniert.

„Das Ziel ist es, einen Leitfaden zu entwickeln, an dem sich alle Firmen orientieren können“, sagt Schanz weiter. Nach der Testphase sollen im Idealfall die Impfungen durch alle Betriebsärzte folgen.

Ohne Priorisierung

Eine Impfreihenfolge wird es für die Unternehmen zunächst keine geben. Jede Firma erhält für die Testphase 1000 Impfdosen. Schanz: „Wenn es mehr als 1000 Impfinteressierte in einer Firma gibt, wird intern eine Priorisierungsliste erstellt.“

Derzeit, so der IHK-Mann weiter, gehe man davon aus, dass es regelmäßig Auffrisch-Impfungen gegen Corona geben wird – wie bei der Grippeschutzimpfung auch. Man brauche also die entsprechende Infrastruktur. Schanz: „Wenn das in den Unternehmen durchgeführt werden kann, wäre das eine riesige Entlastung für das Gesundheitssystem.“ Nach der Testphase müsse außerdem überlegt werden, wie kleinere Unternehmen in die Impfungen beim Betriebsarzt eingebunden werden können. Möglich wären eventuell Kooperationen in diesem Bereich.

Bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg hatte sich „eine niedrige zweistellige Anzahl an Unternehmen“ darum beworben, an der Pilotphase teilzunehmen. Die IHK hat von diesen Firmen wiederum drei dem baden-württembergischen Sozialministerium empfohlen und dieses hat letztlich das jeweilige Pilotunternehmen ausgesucht.

Aesculap als Pilotunternehmen

Im Bereich der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg wird Aesculap aus Tuttlingen mit dabei sein. Das hat das baden-württembergische Sozialministerium mitgeteilt. Das Unternehmen hat rund 3650 Mitarbeiter und stellt Medizinprodukte her. Es gehört daher, wie auch die anderen elf Pilotfirmen, zur kritischen Infrastruktur.

Unterstützt wurde die Bewerbung der Firma auch vom Landkreis Tuttlingen. Das Unternehmen betreibt schon jetzt ein überbetriebliches Testzentrum. Auf dieses aufbauend sollen nun auch die Impfungen der eigenen Mitarbeiter vorangetrieben werden. Auch ausländischen Mitarbeitern soll so ein einfacherer Zugang zur Immunisierung ermöglicht werden.

Ein Sprecher sagte am Freitagnachmittag auf SÜDKURIER-Anfrage: „Wir freuen uns, Teil des Projekts zu sein und damit wir unseren Mitarbeitern einen Schutz vor Corona bieten können. Unsere Impfstraße ist schon aufgebaut. Wir bereiten nun alles für eine reibungslose Durchführung der Impfungen vor und stimmen uns zu allen organisatorischen Fragen eng mit dem Land ab.“ Man sei zuversichtlich, dass das Angebot von den Beschäftigten gut angenommen wird. Bislang habe man gute Erfahrungen mit dem Angebot von Impfungen gemacht.

Ein Unternehmen, das auch Pilotfirma werden wollte, ist der Elektromotoren- und Ventilatorenhersteller EBM Papst. Das Unternehmen hat etwa 6300 Mitarbeiter in Deutschland, am Standort St. Georgen sind es rund 1600, die anderen Menschen arbeiten in Mulfingen und Landshut. „Wir hatten uns am 10. März direkt beim Land beworben. Obwohl wir jetzt nicht bei der Pilotphase dabei sind, finden wir es gut, dass erste Firmen mit dem Impfen beginnen können“, sagt Unternehmenssprecher Hauke Hannig.

Am Standort Mulfingen seien bereits alle Vorbereitungen für die Impfungen getroffen, dort sei man „bereit“, wie Hannig sagt. Das Mulfinger Konzept soll dann auch auf die Standorte Landshut und St. Georgen mit seinen Außenstellen Herbolzheim und Lauf übertragen werden. Eine Mitarbeiterbefragung nach der Impfbereitschaft habe es noch nicht gegeben, das sei aber der nächste Schritt. Hannig: „Wir hoffen nun, dass die Erfahrungen der Pilotunternehmen schnell auch an andere Firmen weitergegeben werden und wir schnell mit dem Impfen beginnen können. Wenn die Impfzentren irgendwann wegfallen, sind Betriebe nämlich die zweite Impfsäule.“

Generell, so Matthias Schanz von der IHK, sei die Bereitschaft bei den Unternehmen groß. Sie spürten schon seit vergangenem Jahr die Auswirkungen von Corona-Infizierten oder Mitarbeitern, die in Quarantäne sind, und sehen die Vakzingabe als Weg aus der Krise.

Auch bei Continental in Villingen sieht man das so, wie Pressesprecherin Nicole Göttllicher auf Anfrage sagt: „Selbstverständlich befürwortet Continental eine Coronavirus-Impfung und wir unterstützen entsprechende Maßnahmen nach Kräften. Unsere Betriebsärzte stehen bereit.“ Allein in Deutschland könnte Continental in den werksärztlichen Diensten täglich mehr als 1.000 Mitarbeiter impfen. Göttlicher: „Konkrete Informationen von den zuständigen Behörden, wann wir hier aktiv werden können, liegen derzeit noch nicht vor.“ Schon seit längerem können sich Continental-Mitarbeiter im Betrieb etwa gegen die Grippe impfen lassen.

Noch kein Impfstoff da

Ob das Pilotprojekt tatsächlich Mitte Mai starten kann, ist derzeit aber noch nicht sicher, wie Gesundheitsminister Manne Lucha am Freitagnachmittag via Pressemitteilung verlautbaren ließ: „Noch fehlt uns leider der notwendige Impfstoff und die Voraussetzungen des Bundes, damit die Impfungen durch die Betriebsärzte richtig anlaufen kann.“ Die Auswahl der zwölf Unternehmen sollte möglichst viele Branchen im Land repräsentieren, um ein möglichst breites Erfahrungsbild gewinnen zu können.

Die für die Modellprojekte vorgesehenen Unternehmen wurden laut Ministerium am Freitag über die Auswahl informiert. Die organisatorischen Details würden aktuell noch geklärt, zum Beispiel der konkrete Start der einzelnen Modellprojekte. Denn dieser hänge davon ab, ob der Impfstoff auch wie angekündigt ins Land geliefert wird. Wie es von Luchas Ministerium weiter hieß, sollen nach den Lieferprognosen derzeit im Juni wöchentlich rund drei Millionen Impfdosen von Biontech für die niedergelassenen Praxen und Betriebsärzte zur Verfügung stehen. Prognosen von anderen Herstellern lägen aktuell noch nicht vor.