Alles schien am Ende, als am 11. Januar 2017 sein Bauernhof brannte. Günter Hirt rückte als Brigachtaler Feuerwehrmann selbst mit aus. Er wohnt in Beckhofen, der Hof steht 3,3 Kilometer entfernt vom Sportplatz Klengen in Richtung Autobahnzubringer 864. Am Brandort angekommen, löschte Hirt selbst mit.
Er sagt heute: „Wir hatten noch Glück im großen Unglück. Unsere Kühe waren von dem Feuer nicht betroffen.“ Das Unglück: Ein Tierstall brannte ab, „rund 40 Kälber verloren ihr Leben“, erinnert er sich heute. Die Chance zum Weitermachen war da. Die Familie hat sie auf erstaunliche Weise genutzt.
Die Lehre für die Feuerwehr
Kommandant Sascha Eichkorn sagt heute, dass das Feuer bei den Hirts in der Löschtruppe eine besondere Betroffenheit ausgelöst habe. „Wir haben noch weitere Bauern bei uns in der Mannschaft“, erklärt er. Vor allem das Thema mit der Wasserversorgung sei eine Lehre gewesen. „Für die Versorgung der Außengehöfte haben wir dann noch ein Tankfahrzeug beschaffen können.“
Nach dem Feuer kamen auch die finanziellen Fragen. Günter Hirt sagt mit aller Zurückhaltung, die Familie habe „ein halbes Jahr lang überbrücken müssen“, bis die elementarsten Dinge geklärt gewesen seien. Dann habe sie noch einmal den großen Anlauf begonnen.
Im Inneren der Hof-Gebäude hat nach dem Wiederaufbau eine wahre Revolution stattgefunden: Es gibt einen großen Roboterraum. Der Computer ist mit allen Kühen über ein Datenhalsband verbunden, Echtzeit-Kontrolle im Stall, das ist auch dank des Glasfaseranschlusses auf dem Hof möglich geworden.
Kühe warten auf sturmfreie Bude
Im Stall arbeitet still und leise der Computer. Die Maschine steuert die Melkanlage. Die aktuell 90 Tiere tragen ein Halsband mit Transponder, die Verbindung zum Rechner. Die Tiere stellen sich selbst zum Melken an. Der Roboter mache das Türchen nur auf, wenn Kuh 27 auf Grund ihrer Datenlage nicht überfordert wird. Bewegung, Fressmenge und bisherige Milchabgabe werden protokolliert und laufend ausgewertet.

Tatsächlich ist das Verhalten des Viehs faszinierend. Vier Kühe bilden an diesem Nachmittag eine unregelmäßige Reihe vor einem Tor, sie warten. Hirt sagt, dass vor allem nachts im Stall reger Betrieb herrsche. Die Kühe stellten sich rund um die Uhr zum Melken an, „der Betrieb zieht an, wenn wir nach Hause gefahren sind“, sagt er lachend. So als ob die Tiere die sturmfreie Bude nutzen wollten.
Der viele Regen und die Folgen
Heute ist Moritz Hirt der alleinige Betriebsleiter auf dem Stellenhof. Der 27-Jährige probiert durchdacht Neues aus. Landwirtschaft im Klimawandel, das versucht er ausgesteuert anzugehen. „An den Erntemaschinen sind Messgeräte. Ab 15 Prozent Feuchtigkeit zieht uns die Mühle etwas ab für die Trocknung“, erklärt er. Weil der Hof nicht biozertifiziert ist, spritzt er auch ein wenig. „Sonst würde das Getreide schwarz“, sagt er. Sein Motto hierzu: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“

Bei der Ernte in diesen Wochen kämpfen die Hirts auf ihren Traktoren auch gegen moorigen Boden. „Wir konnten zuletzt beispielsweise nicht wie geplant in ein Grünlandfeld reinfahren, der Boden war durch den Regen zu moorig. Wir haben gewartet, das geht auch“, zeigt der Landwirt sich entspannt.
15 Helfer packen hier wechselweise mit an. Moritz und Günter Hirt sind immer da. Zwei Schaffer wie aus dem Bilderbuch.
Wann machen diese Bauern Urlaub?
Moritz Hirt grinst ein breites Lächeln auf die Frage, wann sie zuletzt im Urlaub waren. „Urlaub?“ Dann überlegt er. „Ich war 19. Da war ich mit Freunden in Kanada.“ Vater Günter Hirt antwortet anders. Ihn ziehe es eigentlich gar nicht weg.
August 2024, ein strahlend schöner Tag. Der Familienbetrieb steht wieder top da. Ein neuer seitlich offener Kaltstall ist an den erhalten gebliebenen, alten, rundum geschlossenen Warmstall angebaut. Die schweren Erinnerungen an das Unglück sind weit weg. Sogar für Günter Hirt: „Das verblasst mittlerweile.“

Zu groß soll der Hof nicht sein
Die Familie Hirt lebt in der Gegenwart. „Der neue Kaltstall ist tierwohl-gerecht“, sagt Moritz Hirt. Der Betrieb könnte längst viel größer sein. Doch der junge Bauer hat das eingebremst. Zu groß will er nicht werden.
Nachts schlafen die Hirts entspannt im Haus in Beckhofen. Dort haben sie Feierabend. Es sei denn, der Roboter ruft an. „Dann sagt uns die Maschine mit einer gesprochenen Ansage, welche Art von Problem es gibt und mein Vater oder ich fahren raus. Das Meiste können wir selbst beheben“, versichert er.
Roboter ordnet das Futter
Weiter hinten im Stall, wie von Geisterhand: Ein weiterer automatischer Kollege fährt den Gang in der Stallung entlang und schiebt – kameragesteuert – das Futter für die Kühe wieder sauber zurecht. Die Tiere kennen das Gerät und gehen in Fress-Position. Am liebsten lassen sie sich aber kraulen, dafür ist Moritz Hirt zuständig.

Der junge Bauer produziert jetzt auch Speiseöl
Der Bauer von der Baar macht jetzt auch in Öl. Das Projekt begann mit Moritz Hirts Frage: „Was schenke ich nur meinen Kollegen zu Weihnachten.“ Er kam dann auf die Idee, ein Rapsöl pressen zu lassen. „Das kam so gut an, dass ich mich gefragt habe, wie wir das geschäftlich weiter entwickeln können.“
Hirt kaufte dann eine eher kleinere Maschine, die aber, wie er erklärt, „auch im 24-Stunden-Betrieb laufen kann“. Ein Etikett wird derzeit gestaltet und bald soll am Hof der Verkauf losgehen. Weil die Rapsernte seit zwei Wochen vorbei ist, ist auch die Maschine wieder abgebaut.
Kommt die Idee zur rechten Zeit?
Das Öl kommt in einer Zeit, in der die Oliven- und Speiseöl-Preise weltweit durch die Decke gehen. Moritz Hirt ist „total gespannt“, wie sein Manufaktur-Produkt starten wird. „Alle Testpersonen in der Verwandt- und Bekanntschaft wollen kein anderes Öl mehr“, sagt er.
Zu über 90 Prozent stamme das Futter fürs Vieh hier von den eigenen Feldern. Der Stellenhof liegt weit Richtung Donaueschingen, Wiesen und Ackerland des Betriebs erstrecken sich von Marbach weg in einer herrlichen Landschaft oberhalb von Klengen. Bis nach Grüningen und bis zur vierspurigen Bundesstraße 27 von Bad Dürrheim nach Donaueschingen reicht das Revier der Hirts.
Ein schönes Detail: Bei der Ernte sieht man Vater Hirt nicht nur auf dem Traktor sitzen. Er wischt auch mal mit dem Besen den Weg, wenn die Maschine zu viel Dreck gemacht hat. Moritz Hirt nickt anerkennend.
Beste Kontakte nach Vöhrenbach
Der junge Bauer von der Baar versucht, es gut rundum zu machen. Zum Beispiel auch so: „Wir schlachten keine Kälber, verkaufen auch keine. Wir ziehen sie auf, hier bei uns.“ 40 Jungtiere seien es derzeit.

Die Rinder kommen in den Schlachthof nach Vöhrenbach zur Metzgerei Willmann. Moritz Hirt: „Das läuft seit mindestens 30 Jahren so.“ Damals, als noch keiner groß nach Regionalität fragte.