Knapp zwei Jahre nach dem ersten Lockdown wird das erste Soforthilfepaket abgerechnet – und hält für so manchen Betrieb eine böse Überraschung parat. Viele müssen die Soforthilfen ganz oder teilweise zurückbezahlen. Unter anderem, weil „stundungsfähige“ Ausgaben wie etwa Mietkosten, nicht berücksichtigt werden.
Ein Vergleich, der hinkt
Viele Friseurbetriebe sind davon betroffen: Für sie bedeutete die Zeit nach dem ersten Lockdown extrem viel Arbeit, alle wollten sich die Corona-Matte stutzen lassen. Zugleich sei aber als Vergleichsmonat der Vorjahresmonat 2019 herangezogen worden. Die beiden ersten Wochen der Zwangsschließung ab Mitte März 2020 wiederum konnten nicht geltend gemacht werden.
Brief an Thorsten Frei
Drei, die sich damit nicht geschlagen geben wollen, sind die Friseurmeisterinnen Melanie Füchter-Seng aus Furtwangen, Julia Harzer aus Villingen und Katja Kern aus Schonach. Alle drei sind selbstständig, alle engagieren sich in der Friseurinnung. Gemeinsam haben sie einen Protestbrief an den Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei (CDU) geschickt. Die Antwort fiel jedoch ernüchternd aus.
Das Problem
Melanie Füchter-Seng beispielsweise muss die kompletten Soforthilfen – bei ihrem Salon mit acht Angestellten waren es 15.000 Euro – zurückzahlen. Das an sich ist aber nicht was, der 41-jährigen Friseurmeisterin und Betriebswirtin sauer aufstößt: „Was wir zu viel erhalten haben, bezahlen wir natürlich zurück“, sagt sie. Aber: „Die Kosten der sechswöchigen, behördlich angeordneten Zwangsschließung müssen den Unternehmen angerechnet werden.“ Tatsächlich mussten die Friseursalons ab 16. März 2020 schließen. Anträge zur Soforthilfe konnten ab 27. März gestellt werden. „Damit wird der erste Teil des Lockdowns im März komplett außen vor gelassen“, schreiben die drei Friseurinnen in ihrem Brief an Frei.

Ebenso außen vor sei die Zeit von Anfang März 2020 bis zum Lockdown. Schon da sei es zu starken Umsatzeinbrüchen gekommen, weil die verunsicherten Kunden reihenweise Termine absagten. Nun werde man bestraft, indem das Zeitfenster für das Programm zugunsten der Landeskasse verschoben worden sei. „Olaf Scholz, damals noch Finanzminister, sagte im März 2020, dass es sich bei den Soforthilfen nicht um einen Kredit handle, sondern um einen Zuschuss, der nicht zurückbezahlt werden müsse“, sagt Melanie Füchter-Seng. Die Vorgaben seien im Nachhinein mehrfach geändert worden, so dass aus dem nicht rückzahlpflichtigen Zuschuss letztlich ein Darlehen wurde, das nur für Liquiditätsengpässe gedacht sei, fügt Julia Harzer hinzu. „Dass mir die Kosten dann ein paar Monate später auf die Füße fallen, ist denen offenbar egal“, ärgert sich die Friseurmeisterin vom Salon „J7“ in Villingen.
Hohe Kosten für die Sicherheit
Um ab dem 4. Mai 2020 wieder arbeiten zu können, hätten die Betriebe viel Geld in die Hand nehmen müssen. „Trennwände, Desinfektionsmittel, Masken“, zählt Melanie Füchter-Seng auf. Zugleich habe man wegen der Abstandsregelungen weniger Kunden bedienen können. Der nicht vorhandene Umsatz vom April 2020 sei mit dem umsatzstarken Mai und dem Juni einfach aufgerechnet worden. Unterm Strich beziffert Melanie Füchter-Seng den Umsatzeinbruch für ihren Betrieb seit Pandemiebeginn auf rund 30 Prozent. Kosten wie der private Lebensunterhalt, Rentenbeiträge oder Krankenversicherung liefen indes weiter. Sie weiß von vielen Kollegen, die dazu ihre private Altersvorsorge oder ihre Rücklagen anzapften – wenn sie denn welche haben. Katja Kern beispielsweise hat ihren Salon „Cutja“ in Schonach erst vor drei Jahren übernommen. Zwei Jahre davon herrscht nun Pandemie. „Da ist es sehr schwierig, überhaupt Rücklagen zu bilden.“
Weniger Kunden, weniger Umsatz
Aktuell (Stand 7. Januar) gilt in Baden-Württemberg die Alarmstufe II und bei Friseuren damit 3G plus. Das heißt: Wer weder geimpft noch genesen ist, muss für den Friseurbesuch einen negativen PCR-Test vorweisen. Ein Antigentest reicht nicht mehr aus. „Ich selbst bin dreimal geimpft und auch der Meinung, dass die Impfung der einzige Weg aus der Pandemie ist“, sagt Melanie Füchter-Seng. Dennoch sei es nicht nachvollziehbar, warum ein ungeimpfter Kunde mit FFP2-Maske und negativem Antigentest nicht zum Friseur gehen dürfe. „Niemand macht einen PCR-Test, um sich die Haare schneiden zu lassen.“ In der Konsequenz würden sich viele die Haare schwarz schneiden lassen. Ob das de Infektionsschutz diene, dürfe getrost bezweifelt werden: „Ich glaube kaum, dass irgendwo am Küchentisch ein Hygienekonzept eingehalten wird.“