Im Sommer 2014 war ganz St. Georgen im Film-Fieber: Zum 150. Jahrestag des Stadtbrands, der 1865 die Lorenzkirche und 22 Häuser zerstörte, entstand der Kurzfilm „Funkenflug – Chronik einer Katastrophe“. Am 19. September 2015, genau zum Jahrestag der Brandkatastrophe, feierte der Film in der St. Georgener Stadthalle Premiere.
Regisseurin war Stephanie Kiewel aus Oberkirnach. Die damals 22-Jährige und langjährige freie Mitarbeiterin des SÜDKURIER war nach ihrem Abitur am Thomas-Strittmatter-Gymnasium für ihr Studium der Film- und Fernsehproduktion ins englische Carlisle gezogen.

Der Film mit insgesamt 120 Beteiligten, darunter 80 Schauspieler aus der Region, war zugleich ihre Abschlussarbeit an der University of Cumbria.

Zehn Jahre nach den Dreharbeiten und neun Jahre nach der Funkenflug-Premiere hat Stephanie Kiewel im Filmgeschäft längst Fuß gefasst. Gerade ist die 32-Jährige von einem fünfwöchigen Dreh aus Kanada zurückgekehrt. Oder vielleicht sollte man eher sagen: nach Dreharbeiten im hintersten Winkel der Welt.

Im Yukon Territory war sie in diesem Jahr zweimal Crewmitglied der Doku-Soap Gold Rush. In den USA läuft die Serie im Discovery Channel, in Deutschland unter dem Titel „Goldrausch in Alaska“ auf DMAX – wobei die Serie längst komplett außerhalb von Alaska, nämlich in Kanada, spielt und entsteht.
In bislang 14 Staffeln begleiten Filmteams die Goldschürfer bei ihrer Arbeit. Stephanie Kiewel hat in diesem Jahr zwei Produktionsblöcke begleitet: Neun Wochen im Frühjahr und nun weitere sechs Wochen im August und September.

Goldsuche im Jahr 2024: Zwar wird nicht mehr mit Schaufeln und Spitzhacke nach dem Edelmetall gesucht, doch ein hartes Geschäft ist es bis heute.
Übrigens auch für das Filmteam. Sechs Tage pro Woche campierte die Crew in der Wildnis von Keno City – wobei City eher euphemistisch verstanden werden kann: Aktuell hat die Gemeinde 20 Einwohner.
Wenn das Filmteam plötzlich zur Feuerwehr gehört
Außer, wenn das Filmteam da ist – dann sind es plötzlich 35. „Wir pushen die Einwohnerzahl derart in die Höhe, dass wir während der Dreharbeiten als Teil der Feuerwehr gelten“, sagt Stephanie Kiewel lachend. Im Ernstfall hätte die Crew beim Löschen helfen müssen. Zum Glück brannte es nicht: „Eine Einweisung haben wir nämlich nicht bekommen.“
Keno City, das sind kleine Holzhäuser, eine Bar, dazu Wildnis und Natur pur, Polarlichter, kühle Tage und frostige Nächte, in denen es im Sommer nie ganz dunkel wird.
Fast jeden Tag irgendwo am Start sind Grizzly- und Schwarzbären. Mitunter mussten die auch mal vom Camp verscheucht werden.

Die nächst größere Stadt – Dawson City mit 1400 Einwohnern – ist vier Stunden entfernt. In Keno City lebten Stephanie Kiewel und ihre Kollegen in einem eigens errichteten Container-Camp. In der Umgebung gibt es drei Minen, an jeder wird gefilmt.

Kiewels Job, wenn sie nicht gerade selbst die Kamera in der Hand hatte, war die Regieassistenz. „Ich habe im Hintergrund sehr viel koordiniert, mich beispielsweise um den Schriftverkehr für den Schnitt gekümmert“, zählt sie auf.
Das Drehbuch wird tagesaktuell verschickt
Ein großer Teil des Jobs sind solche production notes. Darin werden die Szenen des Tages zusammengefasst, die dann im Schnitt verarbeitet werden.
„Die production notes werden tagesaktuell nach London geschickt – das Ganze ist ein Riesenpuzzle“, sagt die junge Filmemacherin.
Für sie waren die Reisen in den äußersten Nordwesten Kanadas eine willkommene Abwechslung. In den zwei Jahren zuvor hat die 32-Jährige vor allem an Dokumentationen mitgewirkt, in denen Schicksale im Mittelpunkt standen.
Mit dabei im Rettungswagen
Zum einen „Ambulance“ von BBC One, in der Rettungskräfte zu echten Einsätzen begleitet werden, zum anderen „Cause of Death“ (“Todesursache“) des britischen Senders Channel 5 und die Serie „Forensics“. Drehorte waren dafür echte Tatorte und Autopsiesäle.

„Bei einem Dreh stand ich mit der Kamera auf der Schulter stundenlang in einem blutbespritzten Raum auf einer Metallplatte, während um mich herum die Spurensicherung zugange war“, sagt Stephanie Kiewel.
Der Anruf bei den Angehörigen
„Wahnsinnig spannend und zugleich echt hart“, seien diese Dreharbeiten gewesen, zumal sie auch zeitweise dafür zuständig war, mit den Angehörigen zu sprechen und deren Genehmigungen einzuholen. „Die Gerichtsmedizin stellt zwar den ersten Kontakt her, und dann muss man jemanden anrufen, der gerade einen Angehörigen verloren hat.“

Als dann im Frühjahr 2024 die Anfrage der Produktionsfirma kam, ob sich Stephanie Kiewel nicht vorstellen könnte, in Kanada Goldsucher zu filmen, musste sie nicht lange überlegen: „Ich war auch mental an dem Punkt, an dem ich sagte: Das nächste Projekt muss etwas sein, bei dem keiner stirbt.“