Die Zahlen sind ernüchternd: Die Zahl der Grundschulkinder, die nicht schwimmen können, hat sich nach Angaben der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) zwischen 2017 und 2022 verdoppelt. Schon vor sieben Jahren konnten zehn Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren nicht schwimmen. Jetzt ist es sogar schon jedes fünfte Kind.
2023 ertrinken fast 400 Menschen
2023 sind in Deutschland nach Angaben der DLRG mindestens 378 Personen ertrunken, 16 davon waren zwischen einem und zehn Jahre alt. 29 waren zwischen elf und 20 Jahre alt.

„Ich war entsetzt, als ich die aktuellen Zahlen gelesen habe“, sagt Karl-Heinz Bartsch-Pubanz. Der Gründungsvorsitzende des Fördervereins Freibad Tannheim hat deshalb kurzerhand eine Aktion initiiert – und enormen Zuspruch erfahren.

Die Idee: Am 7. Juli, dem bundesweiten Tag des Freibads – auch dieser geht übrigens auf den Tannheimer Förderverein zurück und wurde 2019 zum ersten Mal ausgerufen – haben Kinder in allen teilnehmenden Freibädern im Landkreis freien Eintritt.
„Schwimmen ist ja wie Radfahren. Wer es einmal kann, verlernt es nicht mehr.“Karl-Heinz Bartsch-Pubanz, Förderverein Freibad Tannheim
Kinder, die bislang vielleicht nur selten in einem Schwimmbad waren, sollen erleben, wie viel Spaß Bewegung im und am Wasser macht. Erwachsene sollen dafür sensibilisiert werden, wie wichtig es ist, Kindern das Schwimmen beizubringen. „Das ist ja wie Radfahren“, sagt Karl-Heinz-Bartsch-Pubanz. „Wer es einmal kann, verlernt es nicht mehr.“
Zwölf Bäder sind mit dabei
Mit dabei sind neben dem Tannheimer Freibad das Naturschwimmbad Schonach, das Waldsportbad Triberg, der Klosterweiher St. Georgen, das Solara in Königsfeld, das Schwenninger Sonnenbädle, das Freibad Wolterdingen, das Freibad Hubertshofen, das Parkschwimmbad Donaueschingen, das Panoramabad Blumberg, das Schwimmi in Vöhrenbach und das Bregtalbad in Furtwangen. Das Kneippbad in Villingen muss passen: Hier findet am 6. und 7. Juli der Sparkassen-Cup des Schwimm- und Skiclubs Schwenningen (SSC) statt.
Aktionen von Prüfungen bis Spiele
Über diese Resonanz aus den Bädern ist der Tannheimer Initiator mehr als glücklich. Zumal die Bäder auch Aktionen anbieten: Im Triberger Waldsportbad beispielsweise werden an diesem Tag ehrenamtliche Helfer die Schwimmabzeichen Seepferdchen, Pirat, Bronze, Silber und Gold abnehmen. Außerdem wird es den ganzen Tag über Wasser-Spielgeräte in den Becken geben.
Schwimmkurse werden überrannt
Lutz Lorbeer, Schwimmmeister in Triberg, findet die Aktion „absolut gut“. Auch die Stadtverwaltung stehe voll dahinter. „Durch die Schließung von Schwimmhallen kommen die Kinder zu kurz“, sagt er. Seit Juli 2023 ist beispielsweise das Schönwälder Hallenbad geschlossen. „Hier haben wir früher pro Jahr 120 Kinder in den Schwimmkursen gehabt“, schildert Lorbeer. Die Familien müssen sich nun woanders umschauen – etwa im benachbarten St. Georgen, wo die DLRG-Ortsgruppe von Anfragen überrannt werde.

„Natürlich können die Kinder nicht am Montag nach dem Aktionstag plötzlich schwimmen, ich bin ja nicht naiv“, sagt Karl-Heinz Bartsch-Pubanz. Darum geht es ihm auch nicht. Sondern vielmehr darum, die verschiedenen Gründe hinter der zunehmenden Zahl an Nichtschwimmern ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Geschlossene Bäder, fehlende Trainer, lange Wartelisten
Die Probleme sind überall ähnlich, wenn nicht die gleichen: Durch die Pandemie und die Kontaktbeschränkungen entstand ein großer Rückstau, weil zahllose Schwimmkurse abgesagt werden mussten, Schwimmbäder schließen aus Kostengründen – wie ganz aktuell das Aqualino in Unterkirnach – den Vereinen fehlt es an Trainern und an Wasserflächen.
Wenn das Geld zum Schwimmen lernen fehlt
Ob Kinder Schwimmen können oder nicht, entscheidet sich auch oft am Geldbeutel der Eltern: „49 Prozent der Nichtschwimmer-Kinder kommen der DLRG-Erhebung zufolge aus ärmeren Familien“, sagt Karl-Heinz Bartsch-Pubanz. Für ihn bekommt das Thema dadurch eine gesamtgesellschaftliche Komponente.

Ein Schwimmkurs kann – je nach Anbieter – zwischen 150 und und 200 Euro kosten. In Schwimmvereinen oder bei der DLRG sind Mitgliedschaft und Kurse zwar deutlich günstiger – dort sind aber die Wartelisten das Problem. Nicht zuletzt sei für viele Familien schon der Eintritt eine Hürde. In den Bädern in VS sind das beispielsweise im Familientarif für vier Personen 14,20 Euro.
Schwimmbäder: Ein großer Posten in städtischen Haushalten
Dem gegenüber stehen die hohen Kosten, die der Unterhalt von Bädern in den kommunalen Haushalten verursacht. „Man muss da schon beide Seiten sehen“, sagt Karl-Heinz Bartsch-Pubanz. Ihm sind Bäder, allen voran das Tannheimer Freibad, dennoch eine Herzensangelegenheit. „Sie erfüllen auch eine wichtige soziale Funktion“, sagt er.
Das Freibad als Treffpunkt im Dorf
So kämen manche Gäste gar nicht unbedingt zum Schwimmen in das kleine Tannheimer Bad, sondern einfach, um bei Kaffee und Kuchen beieinander zu sitzen. Wer nicht ins Wasser geht, muss auch keinen Eintritt bezahlen. „Wir haben in Tannheim keinen Metzger, keinen Bäcker, nicht mal einen Zebrastreifen“, sagt Karl-Heinz Bartsch-Pubanz und lacht. „Aber wir haben unser Freibad.“
Und wie sieht der Schwimmbad-Retter aus Tannheim die Pläne für das neue Zentralbad in VS? Bartsch-Pubanz ist skeptisch. Einerseits seien da die Vereine, die mehr Trainings- und Wettkampfflächen benötigen, andererseits fürchte er eine Kostenexplosion.
Lange Wege für Schulkinder
Außerdem stelle sich die Frage, wie Kinder künftig zum Schulschwimmen gelangen, wenn sich das einzige Hallenbad in VS am Klosterhof befindet. Schließlich sind für den Sportunterricht zumeist zwei Schulstunden à 45 Minuten angesetzt, in denen auch der Hin- und Rückweg bewältigt werden muss.