Im kleinen Seminarraum des Schwarzwald-Baar-Klinikums stehen die Menschen Schlange. 30 Männer und Frauen, meist im fortgeschrittenen Alter. Ständig kommen weitere dazu. Sie alle wollen sich untersuchen lassen.
Bei dem kostenlos angebotenen Risikocheck geht es um die Themen Schlaganfall und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das sind zwei der hauptsächlichen Todesursachen hierzulande.

Ziel der schlangestehenden Menschen ist die angebotene Ultraschalluntersuchung. Hinter einem Raumteiler in der Ecke sitzt Klinik-Mitarbeiterin Barbara Haberer. Rechts von ihr steht ein großes Laptop mit Bildschirm, links eine Liege.
Kann das Blut fließen?
In der Hand hält sie ein portables Ultraschallgerät. Damit kann sie die Halsschlagader der Männer und Frauen untersuchen. Auf dem Bildschirm lässt sich erkennen, ob das Blut ungehindert zwischen Herz und Hirn durch die Halsschlagader fließen kann.
Wenn sich in der Halsschlagader indes in größerem Umfang Ablagerungen an der Gefäßinnenwand gebildet haben, kann es lebensgefährlich werden. Im Falle eines Blutgerinnsels, einer Trombose, kann die Schlagader schnell verstopfen. Und dann droht der Hirnschlag und ein schneller Exitus. Sofern nicht rasche medizinische Hilfe kommt.
Viele Menschen lassen an diesem Morgen daher ihre Halsschlagader untersuchen. Der Leitende Oberarzt der Neurologie, Christian Palm, erläutert den Untersuchungswilligen anhand der Ultraschall-Bilder ihren Befund und gibt gegebenenfalls Tipps zur weiteren Behandlung oder zur Vorsorge.
Besucher finden das Angebot super
Bei den Besuchern im Klinikum kommt das Angebot sehr gut an. „Ich finde das super“, unterstreicht Sibylle Götz. Wo sonst könne man sich kurzfristig mal durchchecken und beraten lassen?
Sie ist gekommen, weil ihr Blutdruck immens schwankt. Ein Alarmzeichen. Die Ursachen sind nicht klar, sie muss starke Tabletten einnehmen. Von denen will sie aber wegkommen und hofft, von den Medizinern Hinweise zu bekommen, wie sie ihren Blutdruck anderweitig normalisieren kann.

Ihr Partner Volker Bick lässt sich an diesem Vormittag ebenfalls die Halsschlagader untersuchen. Das erste Mal, wie er berichtet. Er zählt sich zur Risikogruppe, hat bereits den dritten Herzschrittmacher, und will daher wissen, wie es in seinen Blutgefäßen aussieht.
Lange Schlange vor dem Diabetes-Bus
Die Untersuchungen am Klinikum sind an diesem Tag Bestandteil der Aktion Herzenssache Lebenszeit, einer deutschlandweiten Informationstour zur Aufklärung über Schlaganfall, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Zuckerkrankheit (Diabetes), einer weiteren Volkskrankheit.
Vor dem Klinikum steht ein roter Doppelstockbus, in dem sich Besucher ihre Zuckerwerte von medizinischem Fachpersonal bestimmen lassen können. Auch hier stehen zahlreiche Besucher Schlange.

Der Informationsbedarf ist groß. Was viele nicht wissen: Auch erhöhter Blutzucker gehört zu den typischen Risikofaktoren eines Schlaganfalls.
Die Symptome richtig deuten können
Im Seminarraum des Klinikums referiert derweil Chefarzt Hubert Kimmig. „Der Schlaganfall ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland“, erläutert der Direktor der Klinik für Neurologie am Schwarzwald-Baar-Klinikum seinen Zuhörern.

Deshalb beteiligt sich das Klinikum regelmäßig an dieser bundesweiten Gesundheitsaktion. „Es ist enorm wichtig, dass man sein Risiko kennt und die Symptome richtig deutet, damit man im Ernstfall schnell reagieren kann“, sagt der Mediziner. „Beim Schlaganfall kommt es auf jede Minute an.“
Warum Warnzeichen oft übersehen werden
Trügerisch ist, berichtet Kimmig, dass es auch Schlaganfälle gibt, die bereits nach wenigen Minuten schmerzlos vorübergehen. Beispielsweise bei einer Erblindung eines Auges, die nur wenige Minuten andauert. So ein Vorgang, der Verschluss einer Augen-Arterie, kann aber bereits ein Vorbote eines großen Schlaganfalls sein.
Weitere Anzeichen für einen Schlaganfall, so Kimmig, sind neben einer Sehstörung andere „schlagartige Ausfallerscheinung“, etwa hängende Mundwinkel, Lähmungserscheinungen oder Sprachstörungen. Der Mediziner empfiehlt in so einem Fall, schnell die Notrufnummer 112 zu wählen. Die Disponenten in der Notrufzentrale seien gut geschult, um zu erkennen, ob ein Schlaganfall vorliege.

Jährlich 1000 Schlaganfälle im Klinikum
In der Neurologie im Schwarzwald-Baar-Klinikum werden jährlich etwa 1000 Schlaganfälle behandelt. Die Patienten kommen, oft mit dem Rettungshubschrauber, nicht nur aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, sondern auch vom Bodensee, aus Oberschwaben oder dem Nordschwarzwald.
„Fast wie eine Wunderheilung“
Je schneller ein Schlaganfallpatient ins Klinikum kommt, umso besser. Nach den ersten Ausfallerscheinungen gibt es ein Zeitfenster von etwa viereinhalb Stunden, berichtet Chefarzt Kimmig, um einem Betroffenen wirksam helfen zu können. „Wir haben effektive Akutbehandlungsmaßnahmen“, unterstreicht der Experte.
Mithilfe einer Sonde könne heutzutage ein Blutgerinnsel im Gehirn zügig entfernt werden. Halbseitige Lähmungserscheinungen sind dann in kürzester Zeit verschwunden. „Das ist fast wie eine Wunderheilung“, beschreibt Kimmig die schnelle Wirkung der Behandlung.
Die Aufklärung ist wichtig, findet der Mediziner, damit die Menschen ihr Risiko kennen, sich präventiv schützen und im Ernstfall schnell reagieren können. Deshalb wird das Klinikum auch 2025 erneut an der Aktion Herzenssache Lebenszeit mitmachen. „Der Mensch vergisst leider schnell“, weiß der Chefarzt.