Wenn alles gut gegangen wäre, würde Matteo Hensel im Sommer seinen ersten Geburtstag feiern. Krabbeln, vielleicht schon seine ersten Schritte tun.

Doch Matteo durfte nur siebzehn Tage alt werden. Auf der Kinderintensivstation des Schwarzwald-Baar-Klinikums ist der kleine Junge im vergangenen Sommer gestorben.

Auf einem Regal im Wohnzimmer seiner Eltern Claudia und Marc steht ein Foto von Matteo, daneben eine Kerze mit der Aufschrift „Erinnerungslicht“. Die Abdrücke winziger Hände und Füße in einem Bilderrahmen, daneben ein Kuscheltier. Matteo ist im Leben seiner Eltern präsent, auch wenn er nicht bei ihnen ist.

654 Kilometer für die Sternenkinder

Seit ihrem Verlust haben die beiden viel Halt und Hilfe vom Verein Sternenkinder VS erhalten. Deshalb möchten die Hensels etwas zurückgeben: Marc Hensel, passionierter Jogger und Langstreckenwanderer, wird in diesem Sommer, ab dem 8. Juli, über die Alpen bis ans Meer nach Villingens Partnerstadt Savona wandern.

Marc und Claudia Hensel möchten mit dem Spendenlauf zugunsten des Sternenkinder-Vereins den Verlust eines Kindes aus der Tabuzone holen.
Marc und Claudia Hensel möchten mit dem Spendenlauf zugunsten des Sternenkinder-Vereins den Verlust eines Kindes aus der Tabuzone holen. | Bild: Göbel, Nathalie

Die siebzehn Tage, die Matteo leben durfte, geben dabei die Zeit vor. Das Ziel des 37-Jährigen: Villingens Partnerstadt Savona an der italienischen Riviera. Seine genaue Position lässt sich auf einer eigens eingerichteten Webseite jederzeit tracken.

Ein Spendenlauf, dessen kompletter Erlös an den Sternenkinder-Verein geht. Wer dafür spenden möchte, kann dies direkt auf das Konto der Sternenkinder tun. Siebzehn Etappen, siebzehn Tage – eine Tour so lang wie das kurze Leben des kleinen Matteo.

Zwischen Leben und Tod

Die Schwangerschaft sei bis zur 32. Woche komplikationslos verlaufen, erinnert sich Claudia Hensel. Bis ihre Welt rund acht Wochen vor dem errechneten Geburtstermin zusammenbricht.

Claudia Hensel bekommt plötzlich starke Schmerzen. Das Paar fährt ins Krankenhaus. Matteos Herztöne sind nicht mehr wahrnehmbar. Im Schwarzwald-Baar-Klinikum wird ein Notkaiserschnitt vorgenommen, den Mutter und Baby nur knapp überleben. Matteo muss reanimiert werden, liegt siebzehn Tage verkabelt auf der Intensivstation, während seine Eltern hoffen und bangen.

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Doch die Folgen der Wiederbelebung sind zu schwerwiegend. Matteo stirbt am 25. Juni.

Dankbar für Empathie und Begleitung

Für die Begleitung des Teams auf der Neugeborenen-Intensivstation und im Kreißsaal sind Claudia und Marc Hensel bis heute dankbar: „Alle dort, egal wer, haben sich wahnsinnig gut um uns gekümmert.“

Hebammen geben den Anstoß

Die Hebammen seien es auch gewesen, die das Paar auf den Verein Sternenkinder aufmerksam machten und den Verein schon vorab informierten, dass sich vermutlich ein Paar melden würde, dessen Kind vor Kurzem starb.

Sternenkinder, Eltern und Unterstützer – so funktioniert es

Stefanie Tröndle ist Vorsitzende des Vereins Sternenkinder VS. Sie sagt: „Idealerweise melden sich die Eltern direkt nach den ...
Stefanie Tröndle ist Vorsitzende des Vereins Sternenkinder VS. Sie sagt: „Idealerweise melden sich die Eltern direkt nach den Diagnose bei uns. Da können wir schon ganz viel auffangen.“ Das Bild zeigt sie im Oktober 2022 bei der Einweihung des neuen Sternenkinder-Grabfelds. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Die Hensels haben sich gemeldet. Und sind froh, diesen Schritt getan zu haben. Der Tod eines Kindes sei nach wie vor ein Tabuthema, wie sie aus eigener leidvoller Erfahrung wissen. „Dabei wäre es so wichtig, darüber zu sprechen“, sagt Claudia Hensel. „Es kommt viel öfter vor, als man gemeinhin denkt.“

Das Umfeld schweigt häufig

Aus Unsicherheit werde der Verlust vom Umfeld oft totgeschwiegen, ergänzt ihr Mann. „Da steht dann etwas Unausgesprochenes zwischen einem und dem Gegenüber. Und man selbst geht ja damit auch nicht hausieren.“

„Man kann eigentlich nichts Falsches sagen, wenn einen ernsthaft interessiert, wie es dem anderen geht.“
Marc Hensel

Ein ernst gemeintes „Wie geht es dir?“ sei völlig ausreichend. „Man kann eigentlich nichts Falsches sagen, wenn einen ernsthaft interessiert, wie es dem anderen geht.“

Das Logo des Spendenlaufs, gelasert auf eine Holzplatte, hängt im Wohnzimmer der Familie neben den Fuß- und Handabdrücken des kleinen ...
Das Logo des Spendenlaufs, gelasert auf eine Holzplatte, hängt im Wohnzimmer der Familie neben den Fuß- und Handabdrücken des kleinen Matteo. | Bild: Göbel, Nathalie

Die Hensels besuchen nach wie vor regelmäßig eine der Trauergruppen, die der Sternenkinder-Verein anbietet. Vier Elternpaare tauschen sich hier einmal monatlich aus. „Der Verein versucht, die Gruppen möglichst klein zu halten, sonst käme man ja nicht zum Reden“, sagt Claudia Hensel.

Bewusst Abschied nehmen

Für Claudia und Marc Hensel steht fest: Sie möchten das Tabuthema stärker ins Bewusstsein rücken und mit dem Spendenlauf zugleich noch einmal ganz bewusst Abschied von Matteo nehmen. Siebzehn Tage lang. So lange, wie der kleine Junge bei ihnen sein durfte.