Bisher ist die Krise für St. Georgen glimpflich ausgegangen. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Bürgermeister Michael Rieger im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Doch noch sei es zu früh, um endgültig Entwarnung zu geben: „Wenn eine zweite Corona-Welle kommt, wird es natürlich kritisch.“
Kritisch wurde es in finanzieller Hinsicht bislang nicht. St. Georgen konnte darauf verzichten, zu sehr den Rotstift anzusetzen und Projekte zu streichen. Nur kleinere Einsparungen hat es gegeben. Etwa der Etat für die Instandhaltung der Straßen wurde gekürzt. Es ging um Dinge, die für die Bürger kaum spürbar sein werden. Weiterhin in ungeänderter Form vorangetrieben werden auch die Planungen für die Stadtsanierung, die für die kommenden Jahre geplant ist.
Neubau oder Sanierung?
Eine der zentralen Fragen, die derzeit noch offen ist, ist die, ob das Rathaus saniert oder abgerissen und neu gebaut wird. „Es wäre mein Wunsch, dass wir diese Diskussion im Herbst führen können“, sagt Michael Rieger. Derzeit erarbeite man die Grundlage für eine Entscheidung. Wichtigste Faktoren sind: „Wir müssen schauen, was am Wirtschaftlichsten ist und welche Vor- und Nachteile die jeweiligen Varianten haben.“ Gegenüber stehen sich eine Sanierung, die wohl gut 20 Millionen Euro kosten würde, und die Frage, wie teuer ein Neubau wäre. Hierfür steht bislang keine Zahl im Raum. Förderfähig wären beide Varianten, die Sanierung wohl noch zu einem etwas höheren Prozentsatz. Doch in welchem Umfang genau, ist noch offen. Dafür könnte ein Neubau den Vorteil haben, dass man bei der Gestaltung, etwa auch bei der Konzeption der Tiefgarage, freier wäre. Die Diskussion hierüber soll, so Bürgermeister Rieger, offen geführt werden. Auch eine Bürgerversammlung, so die aktuelle Pandemie-Situation dies zulassen wird, soll stattfinden.
Baulich wird es mit der Stadtsanierung vorangehen, wenn im kommenden Jahr die Arbeiten am Roten Löwen beginnen. „Ein Modellprojekt“, findet Michael Rieger. Dass das auch andere so sehen, habe sich durch die gute Fördersituation gezeigt. 2,5 Millionen Euro bekommt St. Georgen aus anderen Quellen und muss weniger als die Hälfte des Projekts aus eigener Tasche bezahlen. Auch die Erneuerung des Marktplatzes, mit der darunterliegenden Tiefgarage, könnte bei idealem Verlauf in 2021 beginnen. Hier laufen aktuell Versuche, die dazu führen sollen, den idealen Aufbau zu finden. Größere Zahlungen werden für beide Projekte wohl erst im Jahr 2022 fällig. Das könnte bei der Planung in die Karten spielen. Weil Umlagen immer um zwei Jahre versetzt berechnet werden, sinken die Kosten für St. Georgen. Wenn sich gleichzeitig die Wirtschaft erholt, könnten die Einnahmen jedoch wieder gestiegen sein.
Nicht ans Geld gedacht
Dass die Wirtschaft im Corona-Jahr 2020 hart getroffen wurde, sei häufig auch im Rathaus Thema gewesen. Mit Wirtschaftsführern habe er in den vergangenen Monaten in engem Austausch gestanden. Etwa, als bekannt wurde, dass mit der Firma J.G. Weisser ein St. Georgener Traditionsbetrieb in schwieriges Fahrwasser geraten ist und sich von 130 Mitarbeitern trennen will. „Da leiden wir im Rathaus mit“, sagt Michael Rieger. Im Hinterkopf habe man die Situation der Angestellten und die Situation der Verantwortlichen, die schwierige Entscheidungen treffen müssen. Bei derlei Themen denke eine Stadtverwaltung nicht an die Gewerbesteuern, die durch wirtschaftliche Schwierigkeiten sinken.
Trotzdem wird die veränderte Einnahmensituation, die vor allem auf Steuereinnahmen basiert, dazu führen, dass St. Georgen vor schwierigen Haushaltsplanungen für 2021 steht. Zuletzt hatte Michael Rieger in der Sitzung des Gemeinderats öffentlich an seine Bürger appelliert, Verständnis dafür zu zeigen, dass man nicht jeden Anspruch wird erfüllen können. Er bat um Zurückhaltung. Ohnehin habe sich die Anspruchshaltung an eine Stadt in den letzten zehn bis 20 Jahren erheblich verändert.
System hat funktioniert
Die Bewältigung der Krise ist aus Sicht von Bürgermeister Rieger gut verlaufen, nachdem St. Georgen im März den ersten Fall des Landkreises zu verzeichnen hatte. „Das System hat sehr gut funktioniert“, sagt er über die Absprachen, die in Krisenzeiten nötig waren. Er ergänzt: „Der Staat hat gut reagiert.“ Vor Ort habe man die Anweisungen dann schnellstmöglich umgesetzt. Als Ausnahme gilt, dass die Versorgung mit Masken anfangs schleppend verlief. Doch weil sich hier die Situation inzwischen deutlich verbessert hat und man vorbereitet ist, rechnet das Stadtoberhaupt auch damit, dass eine zweite Welle, so sie denn kommt, die Gesellschaft weniger hart treffen könnte. Trotzdem sei die Situation weiterhin ernst zunehmen. Er habe erst Anfang der Woche ein Gespräch mit Ärzten geführt. „Wenn Ärzte großen Respekt vor diesem Virus haben, dann wird das seinen Grund haben“, so der Bürgermeister.
Appell an Vernunft
Corona bleibt also ein aktuelles Thema. Gerade jetzt, wo sich die Infektionszahlen bundesweit wieder leicht nach oben bewegen und beispielsweise das Robert-Koch-Institut vor der aktuellen Entwicklung gewarnt und an die Vernunft appelliert hat. Michael Rieger hofft, dass die Menschen sich weiterhin an die Regeln halten. Denn schließlich sei es das gewesen, was dazu geführt hat, dass Deutschland bislang vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist.
So sieht es bei der Stadt finanziell aus
- Gut gewirtschaftet: St. Georgen hat weiterhin ein finanzielles Polster, weil in den vergangenen Jahren solide gewirtschaftet wurde. Die Ertragslage verbesserte sich im Nachtragshaushaltsplan, der in der vergangenen Woche vom Gemeinderat beschlossen wurde, sogar um rund 560 000 Euro. Möglich ist das in Zeiten der Corona-Krise, weil das Land Baden-Württemberg angekündigt hat, Teile der Verluste der Kommunen aufzufangen. Unter anderem die Mindereinnahmen bei der Gewerbe- und Einkommensteuer. Auch die ausgefallenen Kita-Gebühren, die die Stadt bei den Eltern nicht eingezogen hat, sind bereits teilweise ersetzt. Zudem hat St. Georgen einige Maßnahmen zurückgestellt, die für 2020 vorgesehen waren.
- Vorsichtig in die Zukunft: Die derzeit solide Lage bedeutet jedoch nicht, dass die kommenden Haushaltsjahre rosig aussehen. Auf der Agenda stehen mittel- und langfristig äußerst kostspielige Projekte. Zunächst die Stadtsanierung mit den Einzelprojekten Roter Löwen, Marktplatz, Tiefgarage und Rathaus, später unter anderem die ebenfalls kostenintensive Sanierung der Schulen. Auch die Maßnahmem, die der Generalentwässerungsplan empfiehlt, werden über viele Jahre einiges an Geld kosten. Rund 16,5 Millionen Euro sind hier in den nächsten zehn bis 15 Jahren fällig.