„Sie kam genau zur rechten Zeit“, sagt Johannes Probst, Allgemeinmediziner und Vorsitzender des St. Georgener Ärztevereins. Die Rede ist von der Corona-Schwerpunktpraxis in der Gerwigstraße 25. Seit zwei Wochen ist die Praxis in Betrieb, geführt wird sie von den sechs Hausärzten im Ort, die die Praxis abwechselnd besetzen. Zur rechten Zeit kam die Praxis deshalb, weil zeitgleich im Oktober die Zahl der Corona-Infizierten in der Bergstadt sprunghaft angestiegen ist.

Wie ist die Praxis angelaufen?
„Wir machen im Schnitt 20 Abstriche am Tag“, berichtet Probst. Der Anteil der positiv Abgestrichenen sei im Laufe der vergangenen zwei Wochen deutlich gestiegen. „Wir sind ein relativer Hotspot hier im Vergleich zu größeren Städten“, bilanziert der Mediziner. Die zwei Stunden, die die Praxis jeden Tag geöffnet hat, „reichen möglicherweise nicht mehr aus“. Es werde aktuell überlegt, die Öffnungszeiten aufzustocken. „Ich habe auch schon dreieinhalb Stunden hier gearbeitet, weil es nicht anders ging“, erzählt er. Die Organisation zwischen den sechs Hausärzten laufe „sehr gut und reibungslos“. Auch die „Verankerung in der Szene“ sei inzwischen gut gelungen.
Wer kommt in die Praxis?
In der Praxis werden nur jene Patienten behandelt, die „erkrankt sind und bei denen zusätzlich der Verdacht auf eine Coronavirusinfektion besteht“, erklärt der Hausarzt Oliver Freischlader. Es handle sich bei der Praxis nicht um „eine reine Abstrich-Einrichtung“. Bislang seien alle Altersgruppen vertreten gewesen, gibt Johannes Probst Auskunft. Jedoch beobachtet er: „Bei Kontaktpersonen sind jüngere Personen prozentual stärker vertreten.“ Wie stark sind die Symptome? Bei unter 60-Jährigen sei ein schwerer Krankheitsverlauf „sehr selten“, berichtet Probst. Die schweren Erkrankungen würden „altersgestaffelt und mit Vorerkrankungen“ zunehmen. Oliver Freischlader fügt an: „Es werden jetzt auch zunehmend wieder Patienten über 60 mit einem entsprechend höheren Risiko vorstellig. Das bereitet uns Sorgen.“
„Ich habe seit 32 Jahren noch nie so eine unruhige Zeit erlebt wie in diesen Tagen.“Johannes Probst, Allgemeinmediziner
Warum eine Schwerpunktpraxis?
Eine Corona-Schwerpunktpraxis ist vor allem deshalb sinnvoll, um „Infektionen aus den Sprechzimmern“ zu verbannen, findet Probst. Dadurch würden sowohl Mitarbeiter als auch Patienten in der Hausarzt-Praxis besser geschützt werden. In der Schwerpunkt-Praxis werde „voll-vermummt, mit bestmöglicher Schutzkleidung“ gearbeitet, während in den Hausarzt-Praxen häufig die räumlichen Voraussetzungen für einen Infektionsschutz der anderen Patienten nicht gegeben sei und eine Vollvermummung nur partiell umgesetzt werden könne. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Bislang hat es laut Angaben von Johannes Probst weder in der Schwerpunktpraxis noch in den Hausarzt-Praxen in St. Georgen einen Corona-Fall unter Ärzten oder Mitarbeitern gegeben.
„Die Zahlen in anderen Gebieten zeigen, dass bei erhöhten Fallzahlen irgendwann fast zwangsläufig der Übergang auch zu den Risikopatienten geschieht.“Oliver Freischlader, Facharzt für Innere Medizin
Wie schätzen die Ärzte die aktuelle Lage ein?
„Ich habe seit 32 Jahren noch nie so eine unruhige Zeit erlebt wie in diesen Tagen“, sagt Probst. Die allgemeine Verunsicherung sei groß, viele Patienten würden sich impfen lassen wollen, hinzu kämen derzeit Infekte, die saisonbedingt zunehmen. „Im Moment arbeiten wir am Anschlag“, bringt er die Situation der Hausärzte auf den Punkt. Seine persönliche Einschätzung zur aktuellen Lage in der Bergstadt: „Die steile Entwicklung in St. Georgen ist a-typisch. Das wird nachlassen. Die Zahlen werden aber trotzdem weiter ansteigen.“ Seiner Meinung nach müssen Ältere und Kranke verstärkt geschützt werden, sie müssten „sinnvoll isoliert“ werden, was aber „keine soziale Abstinenz“ bedeuten sollte, wie Probst betont. „Die Jugend wird sich nicht bremsen lassen und die Erkrankung milde durchmachen“, prognostiziert er.
Sein Kollege Oliver Freischlader findet: „Die Lage ist ernst aber nicht hoffnungslos.“ Doch er warnt: „Die Zahlen in anderen Gebieten zeigen, dass bei erhöhten Fallzahlen irgendwann fast zwangsläufig der Übergang auch zu den Risikopatienten geschieht.“ Um das zu verhindern, sei jeder Einzelne gefragt.