Willi Grießhaber ist ein kerniger Villinger, der sich seit Jahren immer wieder in Debatten einmischt, ganz einfach, weil er sein Städtle liebt und sich wünscht, dass es gut wächst und gedeiht. Jetzt kommt sein Vorschlag zu den Stolpersteinen. Weil dazu wieder Uneinigkeit aufkommt, hat er sich Gedanken gemacht. Seine Alternative hat es in sich.

Das Haux-Gebäude zur Zeit, als die Familie Boss das Anwesen betrieb. Der Blick in die Rietstraße und links in der Bildmitte der Beginn ...
Das Haux-Gebäude zur Zeit, als die Familie Boss das Anwesen betrieb. Der Blick in die Rietstraße und links in der Bildmitte der Beginn der Färberstraße. Bild: Archiv Willi Greißhaber | Bild: Willi Grießhaber

Der Villinger ist Jahrgang 1934 und hat die Nazigreuel als kleiner Bub erlebt. „Das war das größte Verbrechen überhaupt und Hitler der größte Verbrecher der Menschheit“, schimpft er an seinem Wohnzimmertisch. Als Patriot, wie er sich selbst nennt, kann er es nicht mit ansehen, wie in VS nun wieder die alten Argumente zu den Stolpersteinen ausgetauscht werden. Willi Grießhaber selbst mag die Form des Erinnerns nicht. Wieso? „Ich habe mich, als das vor Jahren losging, dagegen entschieden, weil die Eigentümer der betroffenen Gebäude dagegen waren“, sagt er heute, im Januar 2020.

Das Villinger Haux-Gebäude mit Blick in die Obere Straße. Über dem Schaufenster prangt an der Rietstraße der Betreibername der Familie ...
Das Villinger Haux-Gebäude mit Blick in die Obere Straße. Über dem Schaufenster prangt an der Rietstraße der Betreibername der Familie Boss. Bild: Archiv Willi Grießhaber | Bild: Willi Grießhaber

Willi Grießhaber ist die letzten Jahre noch rüstig durch das Städtle marschiert, mittlerweile kann der 87-Jährige sein Elternhaus, in dem er unweit des Stadtrands unverrückbar wohnen bleiben will, nicht mehr selbstständig auf den eigenen Beinen verlassen. Dafür hat er blitzklar für sich die Vergangenheit sortiert und einen Brief notiert, in dem er der städtischen Museumsleiterin Anita Auer seinen Kompromissvorschlag unterbreitet. Weil die Idee fürsorglich und väterlich gedacht eigentlich den Streitparteien aus ihrem jeweiligen Verhau heraushelfen soll, ist Willi Grießhabers Idee auch ein öffentliches Thema.

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Und so sieht sein Vorschlag aus: Ein großer Raum im Franziskaner, auf dem Boden ein großer Grundriss von Villingens Innenstadt und angrenzenden Bereichen wie die Waldstraße. Darauf markiert die Plätze der Immobilien, in denen jüdischen Familien durch Naziverfolgung Unheil und Tod angetan wurde. Grießhabers Plan: Die Stolpersteine auf dem Grundriss an der jeweiligen Position auf dem Stadtplan präsentieren und mit einer Nummer versehen. Die besondere Installation ist damit für Grießhaber noch nicht komplett.

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An der Wand des großen Raums wünscht er sich zu jeder Stolpersteinstelle ausführliche Texte und Beschreibungen. Dazu Bilder von damals und wie es heute dort aussieht, fordert er in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Bei so etwas muss die Bevölkerung eingebunden werden, viele haben noch alte Fotos aus der Zeit, auch mit den jüdischen Häusern“, sagt er wissend und legt zwei Exemplare auf dem Tisch, die das alte Villingen zeigen, bezaubernd anmutig, fragil und schützenswert – aber auch mit besonderen Details wie die Aufschrift „Boss“ am späteren Haux-Gebäude. Der Familie Boss ist eine Gedenkstelle im Stolperstein-Ensemble für Villingen gewidmet. Das zweite Bild von Willi Grießhaber zeigt dasselbe Gebäude, nur mit Blick in die Rietstraße.

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Wo sieht Willi Grießhaber den Nutzen in seinem Vorschlag? „Damit sind das Erinnern und die Stolpersteine konzentriert an einem Ort. Die Geschichte je Haus kann so doch viel besser präsentiert werden“, sprudelt es begeistert aus dem Senior heraus.

Er ist damit aber noch nicht fertig. Während er mitreißende Geschichten aus der Stadt von damals erzählt, sagt er noch dies: „Eigentlich wünsche ich mir, dass es einmal im Jahr in Villingen zur Erinnerung an die Verbrechen gegen die Juden auch einen Erinnerungstag zum würdigen Gedenken gibt.“

Willi Grießhaber ist ein Villinger Sammler und hat unlängst noch zusammen mit anderen eine kleine Ausstellung präsentiert. Weil er Abzeichen der Winterhilfe aus den Kriegsjahren sammelt, werde er immer als politisch rechts bezeichnet. Dazu schüttelt er mit einem liebenswürdigen Lächeln seinen Kopf, so als wollte er sagen: Die kennen mich nicht, wissen es halt nicht besser.

Der Gemeinderat entscheidet am 29. Januar über die Stolpersteine. Dazu gibt es einen überfraktionellen Antrag, der rechnerisch eine Mehrheit im Gremium abbildet. Allerdings. Seit dem Antrag hat sich durch einen Beitrag von Stadtrat Berthold Ummenhofer ergeben, dass die jüdische Gemeinde Rottweil-Villingen keinen Wert auf die Verlegung der Stolpersteine legt. Die Gruppierung ist zufrieden mit der neuen Synagoge in Rottweil. Mit Spannung erwartet wird nun, ob die Haltung der jüdischen Gemeinde einige Stadträte zum Umdenken veranlassen kann.