Wo mache ich meine Kreuze bei der Wahl für den Gemeinderat? Vor dieser Frage stehen die Wähler wieder am 9. Juni. Um die Entscheidung vorausschauend zu treffen, hilft oft der Blick zurück. Was haben die Parteien und Wählervereinigungen bewirkt, wo sind sie mit der Umsetzung ihrer Wahlversprechen gescheitert?
Der SÜDKURIER hat die Fraktionen im Gemeinderat Villingen-Schwenningen angeschrieben und ihnen gleichlautende Fragen gestellt. Die Antworten haben wir redaktionell bearbeitet.
1. Was war die wichtigste Debatte für Ihre Fraktion?
Eine immer wiederkehrende, hitzig geführte Debatte im Gemeinderat war die Debatte über Neubaugebiete nach § 13 b des Baugesetzbuches: das Aufstellen von Bebauungsplänen ohne Umweltprüfung und Ausgleichsflächen. „Jede Ortschaft hat im Laufe der Jahre ein Neubaugebiet am Rande der jetzigen Bebauung genehmigt bekommen, die Diskussionen haben wir im Gemeinderat leider immer verloren“, bedauern Ulrike Salat und Oskar Hahn, die beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen. Jetzt fühlen sie sich bestätigt: „Gestoppt wurde der Flächenfraßparagraph endlich im vergangenen Jahr durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.“

Wichtige Debatten waren für die Grünen auch immer die Haushaltsdiskussionen in den Gremien und in der Haushaltsstrukturkommission, in denen sich entscheidet, ob und welche Projekte in welchem Maße und in welcher Zeit umgesetzt werden.
Als positiv verlaufene Debatte bewerten die Grünen die Diskussion zu den Stadtwerken. Das Ergebnis: Die Stadt strebt die Wärmewende an und begibt sich „auf den Weg zur Grünen Null“.
2. Welches Thema führte in Ihrer Fraktion zu den heftigsten Diskussionen?
Die Fraktionsvorsitzende berichte von zwei Themen, „die zu heftigsten Diskussionen“ innerhalb der Fraktion geführt haben: Erstens die Diskussion während der ersten Haushaltsstruktur zu möglichen Mehreinnahmen für die Stadt über die Erhöhung der Kita-Gebühren (welche dann auch erhöht wurden). Zweitens die derzeitige Diskussion für oder gegen ein zentrales Schwimmbad. Die Fraktion sei hier gespalten und entsprechend hitzig seien die Gespräche verlaufen.

3. Wo lagen für Ihre Fraktion die Schwerpunkte in den vergangenen fünf Jahren?
Die Hauptschwerpunkte der grünen Gemeinderatspolitik „waren und sind Klimaschutz und Bildung“, verdeutlicht Hahn. „Wir haben das Gefühl, dass Klimaschutz immer noch nicht ernst genug genommen wird und kämpfen dafür, dass dieser in den Fokus rückt“, ergänzt Ulrike Salat.
Die Grünen sind überzeugt: „Klimaschutz spart in die Zukunft betrachtet mehr Geld ein, als er kostet.“ Das sei aber noch lange nicht allen Gemeinderäten klar und deshalb sei um jeden Euro gekämpft worden. Als Beispiel nennen sie die Personalsituation. Weder auf Antrag der Grünen noch auf Vorschlag der Verwaltung sei zusätzliches Personal für Klimaschutz, Klimafolgen und Energiemanagement im laufenden Haushalt vom Rat genehmigt worden. Zum Klimaschutz gehöre die Mobilitätswende mit dem Ausbau des ÖPNV genauso wie die Wärmewende und Energiewende. „Hierfür setzen wir uns vehement ein“, betont die Fraktion.

Bildung ermöglicht nach Überzeugung der Grünen-Fraktion den Menschen, nicht nur einen Job zu finden und Geld zu verdienen, „sondern ist auch Integration, befähigt einen Platz in der Gesellschaft und eine Aufgabe im Leben zu finden“. Bildung beginne in der Kita und ende erst im hohen Alter. „Wir setzen und vor allem für qualitativ hochwertige Bildung für alle ein.“
4. Was war der größte Erfolg für Ihre Fraktion?
Die Fraktion verweist auf mehrere Erfolge. Gleich zu Beginn der Legislatur wurde auf Antrag der Grünen der Klimanotstand in der Stadt VS durch Gemeinderatsbeschluss ausgerufen. Dass der Gemeinderat im dritten Anlauf der Verlegung der Stolpersteine in Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Bürger in VS zustimmte, „war ein ganz besonders nachdenklich machender großer Erfolg“, rekapitulieren die Grünen.

Das Einführen des Energiestandards KfW 40 für alle Neubauten, die jährliche Installation von Photovoltaik auf städtische Dächer, ein Antrag der ausgehend von den Grünen mit allen anderen Fraktionen gestellt wurde, bewerten Hahn und Salat als „ein tolles Zeichen, dass es auch gemeinsam im Gemeinderat funktionieren kann“.
5. Was war die größte Niederlage?
Sehr schmerzhaft bewerten die Grünen die Verabschiedung des Haushalts im Jahr 2024. „Wir haben praktisch keine Klimastelle durchbekommen und haben uns in Folge auf einen Kompromiss mit den anderen Fraktionen verständigt, welcher bedeutete, dass wir wenigstens eine Klimastelle retten konnten“, stellt Oskar Hahn fest. „Aber dafür mussten wir die harte Niederlage zum Museumsquartier Bürk einstecken. Das tut bis heute weh.“ In der gleichen Sitzung gab es eine weitere harte Niederlage: die Verschiebung des Schulentwicklungsplans der Sekundarstufe aus dem Haushalt 24/25 nach Antrag der CDU.
6. Wo sieht Ihre Fraktion weiterhin dringenden Handlungsbedarf?
Natürlich beim Klimaschutz. „Wir sind noch lange nicht auf dem Reduktionspfad, der uns in die Klimaneutralität führt. Hier muss deutlich mehr passieren, vor allem auch in Hinblick auf Sanierung von Gebäuden und bei der Mobilität“, betonen die Grünen.
Ein weiterer Punkt: „Wir benötigen dringend sozialen Wohnraum.“ Neubaugebiete an den Rändern der Stadt und den Ortschaften helfen wenig bei der Wohnraumnot, finden Hahn und Salat. „Es muss jetzt ganz dringend gehandelt werden, um sozialen Wohnraum für die Bevölkerung zu schaffen.“

Dringender Handlungsbedarf reklamieren die Grünen auch bei der Kultur, vor allem in Schwenningen. Nach dem Aus für die Museumslandschaft Bürk müsse wenigstens die 10+1-Millionen-Lösung zügig umgesetzt werden.
7. Welche Themen brachte die Fraktion selbst auf die Agenda?
Die Grünen verweisen auf ihre Initiativen: Die Photovoltaik-Strategie für die Stadt, den Energiestandard KfW 40 für Neubauten, die Piktogramme für mehr Sicherheit von Fahrrädern auf der Straße, eine Initiative für Flächen- und Wohnraummanagement, die Einführung eines CO2-Schattenpreises, Jobtickets für städtische Mitarbeiter und eine weitere Initiative zum Ausbau der Schulsozialarbeit.
8. Wo würden sie sparen im Haushalt, und wo auf keinen Fall?
Sparen könnte man nach Ansicht der Fraktionssprecher am meisten, wenn die Prozesse effektiver ausgeführt würden. Ihr Vorschlag: Weniger, dafür zielgerichtetere Ausschreibungen, mehr selbst machen durch eigene Mitarbeiter, weniger Gutachten und Geld für Beraterfirmen.
9. Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister? Wie mit dem Baubürgermeister?
Die Zusammenarbeit bewertet die Fraktion mit beiden offen und gut, gleichwohl „mit Luft nach oben“.
10. Welche drei Themen sind für die Fraktion in der kommenden Legislaturperiode wichtig?
- Klimafolgeanpassung wird nach Überzeugung der Fraktion ein weiteres wichtiges Thema werden, natürlich verknüpft mit weiterhin „Druck machen“ zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, Energiewende und Wärmewende.
- Integration in einer Stadt mit hohem Ausländeranteil gekoppelt mit Wohnungsnot und der Suche nach Arbeitskräften. Das ist ein Spannungsfeld welches sich in VS weiter auftun wird und für welches wir Lösungen finden müssen.
- Bestmögliche Bildungsbedingungen für alle Kinder unserer Stadt genauso wie die medizinische und ärztliche Versorgung unserer Bevölkerung.
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