Den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus nutzte der Stadtführer Gunther Schwarz für eine Stadtführung zum Thema „Stolpersteine, Hexen und andere Opfer der Gewalt“. Rund 20 Interessierte trafen sich zum Rundgang durch die Stadt zu Orten, an denen Menschen gelebt haben, die von den Nationalsozialisten degradiert und ermordet oder früher als Hexen gefoltert und hingerichtet wurden. Bevor es losging, packte der Stadtführer seine Gitarre aus und sang mit den Teilnehmern zur Einstimmung auf das schwierige Thema bekannte jüdische Lieder. Der ungewöhnliche Einstieg in die Berichte von Pogromen und den Schicksalen jüdischer Familien in Villingen kam gut an – die Geschichtsinteressierten sangen gern mit.

„Die Stolpersteine leben nur, wenn man sich mit ihnen beschäftigt“, erklärte Gunther Schwarz. Der Stadtführer hat eine Fülle an Informationen zusammengetragen. Dabei verwies er auf das Stadtarchiv. Hier befinden sich seit kurzem 1700 Dateien, die Heinz Lörcher im Laufe seiner intensiven Forschungsarbeit zur jüdischen Geschichte in Villingen gesammelt hat.

Gunther Schwarz schlug den Bogen der Judenverfolgung vom Mittelalter bis zu dem als Reichskristallnacht bezeichneten Pogrom – dem Beginn der systematischen Vertreibung und Ermordung von sechs Millionen Juden ab November 1938. Vor den Gebäuden, bei denen Stolpersteine an die ehemaligen Bewohner erinnern, schilderte Schwarz detailreich deren Schicksal und würdigte ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Leben der Stadt. Dabei erinnerte er auch an nicht-jüdische Menschen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden – wie der Münsterorganist und Chordirektor Ewald Huth. Zu den Opfern des Nationalsozialismus gehörten auch rund 11.000 Menschen mit Behinderung, die als sogenanntes „unwertes Leben“ bezeichnet und ermordet wurden. Dazu kam die große Zahl der Zwangssterilisationen.

Vor dem Alten Rathaus beschrieb der Stadtführer die Hexentheorie des Spätmittelalters. Auf der Suche nach Schuldigen für unerklärliche Natur- und Wettereignisse wurden verdächtige Frauen und Männer als Hexen beschuldigt. Diese wurden so lange gefoltert, bis sie gestanden, mit dem Teufel verbündet zu sein. In der Schweiz wurde die letzte Hexe im Jahre 1800 hingerichtet. In Lateinamerika werden heute noch Menschen als „Hexen“ bezeichnet und ermordet.

Die nur an Gedenktagen geplante Führung endete am ehemaligen Wohnhaus des polnischen Zwangsarbeiters Marian Lewicki. Wegen seiner Beziehung zu einer deutschen Frau wurde er im März 1942 hingerichtet.

Gunther Schwarz beeindruckte mit seinem umfassenden Wissen. Trotz Kälte blieben die Teilnehmer bis zum Schluss und nahmen die detailreichen Informationen interessiert auf. Nach zwei Stunden beendete Gunther Schwarz seine Ausführungen mit dem Wunsch: „Möge es nie mehr passieren.“