In Villingen war sie eine Jugendliche, wie viele andere auch. Dass sie später zum Star der deutschen Schlagerszene reifen würde, hatte vielleicht nur einer zu ihrer Zeit in der Stadt erkannt. Mary Roos denkt auch an ihn, wenn sie mit dem SÜDKURIER jetzt über ihre Villinger Begegnungen sprach und ihre ziemlich einzigartige Karriere über Jahrzehnte bewertet.
Sie ist der Beweis, dass 70 das neue 50 ist
Heute ist sie 70 Jahre alt. Und irgendwie der lebende Beweis dafür, dass 70 mittlerweile das neue 50 ist. Mary Roos jedenfalls wirbelt in einem Alter über die Bühne, in dem andere sich im Seniorenhaus betreuen lassen müssen. In einer beneidenswerten geistigen und körperlichen Verfassung hat sie ihr Jahr 2019 zugeplant und tourt durch Deutschland, tritt eine Woche in der Talkshow beim Norddeutschen Rundfunk auf, zwei Wochen später erzählt sie entspannt beim Südwestrundfunk aus ihrem Leben, nicht ohne den Verweis auf ihre anstehenden Tourdaten.
Und was verbindet Mary Roos mit Villingen?
Was aber hat Mary Roos genau in Villingen erlebt, wo hat sie gewohnt, gesungen, an wen erinnert sie sich noch, und wie war das damals und heute, wenn sie wieder die Region bereist? Der SÜDKURIER hat sie einfach mal gefragt und Mary Roos kam ins Erzählen.
Geboren in Bingen am Rhein
Nein, sie ist keine Villingerin. Das sei vorweg gesagt. Geboren ist sie unter dem Namen Rosemarie Marianne Schwab in Bingen am Rhein. Dort hat man sie längst als Zugpferd in der Heimatgeschichte verankert. Ein Rheindampfer namens Mary Roos schippert dort das hügelige Flusstal entlang.
Aus Rosemarie wurde Mary Roos
„61 Jahre lang singe ich nun schon“, ihre Stimme klingt genauso, wie man sie kennt. Als Neunjährige ging das los, der Titel der ersten Einspielung lautet „Ja die Dicken sind so gemütlich“. Aus Rosemarie wurde der Name Mary Roos. Bei einem Nachwuchswettbewerb in Belgien gewann sie nur ganz knapp nicht. Aber: Als 16-Jährige performte sie 1965 erstmalig mit „Geh nicht den Weg“ in der deutschen Hitparade. Platz 36 galt als Erfolg.
Wohnung über dem Gambrinus
Kurz darauf zog die Familie nach Villingen, „wir wohnten über dem Gambrinus“, lacht die Mary heute. In den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg war der deutsche Schlager auch die Mut machende Musik, für alle, die damals hart anpacken, Familien ernähren mussten. Es war die Zeit, als die Südstadtstraßen eben mit ihren Doppelhäusern bebaut waren, als die Saba-Radios trällerten und das Wirtschaftswunder das Land beflügelte.

Single im MPS-Studio ?in der Richthofenstraße eingespielt
Saba-Chef Herrmann Brunner-Schwer hatte die junge Sängerin rasch erspäht. Mary Roos spielte im MPS-Studio an der Richthofenstraße eine Single ein. „Die habe ich heute noch“, schmunzelt sie und lacht über die Gestaltung der Plattenhülle. „Das ist heute schon sehr speziell.“
Auch im MPS-Studio ist die Platte von Mary Roos eingelagert. „Ach – das Studio ist in Betrieb?“, fragt sie im SÜDKURIER-Gespräch und klingt sehr interessiert. „Nein“, dieses Jahr werde sie es sicher nicht nach Villingen schaffen. „Über nächstes Jahr kann man reden“, stellt sie in Aussicht.
Bei Brunner-Schwers ein- und ausgegangen
Es gibt nicht einmal Fotos, wie die junge Mary im Saba-Studio singt. „Sie war damals halt ein Mädchen“, sagt Friedhelm Schulz, der heutige Studio-Verwalter. Nicht irgendein Mädchen sicherlich, „ich durfte bei Brunner-Schwers ein und ausgehen“, erinnert sich die Sängerin, die heute abwechselnd bei Hamburg und in New York City wohnt.
"Villingen war genau der Ort, zu dem ich nach Hause kam“
Mary Roos sagt, in ihren Villinger Jahren sei sie „viel unterwegs gewesen“, wollte ihre Karriere aufbauen. „Aber Villingen war genau der Ort, zu dem ich nach Hause kam“, formuliert sie. Und, ja, „Heimat das ist dort, wo die Familie und die wirklichen Freunde wohnen“, fügt sie hinzu.

So hat sie ihren ersten Ehemann kennengelernt
Es müsse an einem Wochenende gewesen sein, als sie abends in Villingen wie so oft in den Scotch-Club ausgegangen sei. Der Treffpunkt an der Gerberstraße vor dem Kaisertürmle ist heute nicht mehr existent. „Damals war das eine Disco“, erinnert sich Mary Roos und ihr sei an diesem Abend ein französisch sprechender Mann aufgefallen. Auch er muss sie im Auge gehabt und geäußert haben: „Die gefällt mir“.
Heirat mit 19 Jahren
Mary Roos schildert weiter: Freunde des Mannes hätten diesem dann aber gesagt, „die tanzt nicht – und dann habe ich – grad zum Trotz – mit dem getanzt“, schildert Mary Roos den weiteren Verlauf. Es blieb nicht beim Schwof. Mary Roos und Pierre Scardin heirateten 1969. „Ich war 19“, unterstreicht die Sängerin heute.
Werkzeugmacher bei der Saba
Scardin arbeitete wie so viele in der Saba. Werkzeugmacher war er. Einer von vielen, die dafür gesorgt hatten, dass die Firma mit seinerzeit bis zu 5000 Beschäftigten so stark werden konnte. Und der Mann von Mary Roos war besonders bekannt. Er war einer der besten Spieler in der Volleyball-Mannschaft des Betriebs, die seinerzeit schon an Ligaspielen teilnahm.
1981 heiratet sie Werner Böhm
Bis 1977 hielt die Ehe. Mary Roos heiratete 1981 ein zweites Mal. Werner Böhm war der Auserkorene, man kennt ihn als „Gottlieb Wendehals“ und dem Stimmungslied Polonäse Blankenese. 1989 war auch diese Ehe vorbei. Sohn Julian ging aus dieser Verbindung hervor, ihm widmete die Sängerin einen ihrer emotionalsten Titel – „Mein Sohn“.

Jahrzehntelang Erfolge als Sängerin
Götz Alsmann, der Pianist mit der Brille und der Tolle, bezeichnete Mary Roos als „die deutsche Dionne Warwick“. 1972 startete sie für die BRD beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in Edinburgh. Dritter Platz einerseits, aber ein Hit in Deutschland andererseits – „Nur die Liebe lässt uns leben“ war damals ein Song, den viele auf und ab singen konnten. 1984 noch einmal Grand Prix, 13. Platz, aber wieder ein Tophit, „Aufrecht gehen“ wurde eines ihrer bekanntesten Lieder in Deutschland.
Immer noch gerne zu Besuch in und um Villingen
Erst vor einigen Wochen weilte Mary Roos bei Freunden unweit von Villingen. „Ich bin da schon ab und an einmal“, verrät sie ein Geheimnis und hofft, dass ihr diese privaten Stunden erhalten bleiben. Zeit für Spaziergänge, zum Durchatmen, jenseits der Kameras und Scheinwerfer.
Die Songs sind heute direkter
Ja, das Singen habe sich über die Jahrzehnte markant verändert, sagt Mary Roos 2019. „Die Texte sind direkter“, meint sie und ergänzt erklärend: „Früher hat man sich über den Urlaub in Italien unterhalten, heute reden wir vornehmlich über Zweierbeziehungen.“

Auf Tournee durch Deutschland
Mit neun Musikern tourt sie bis Juni 2019 durch Deutschland. Am 31. Mai steht sie in Kempten im Allgäu auf der Bühne. „Man muss sich eben den Spaß erhalten im Leben“, lacht sie. Es gehe ihr darum, das normale, bürgerliche Lebensgefühl zu artikulieren, „Glamour ist mir eigentlich zuwider“.
Musik als Verbindung nach Villingen
Musik, das verbindet sie auch sehr mit Villingen, „heute noch“, betont Mary Roos. „Bei der Straßenfastnacht, da war ich gerne mittendrin und habe all die Lieder immer mitgesungen.
Wenige Dokumente aus den Anfangszeiten
Aus den Anfangszeiten der Musikaufnahmen bei Saba liegen nur wenige Dokumente vor (die 1968 mit zu MPS übergegangen sind). Viele Singles aus den Anfangstagen des Studios, also ab 1961, wurden da nicht mehr aufgelegt und waren wohl schon wieder uninteressant. Veröffentlicht wurden damals unter Victoria und Saba Künstler wie Evelyn Künnecke, Monika Grimm, Ambros Seelos, aber auch “Jupp Durst und die Bierpfeifer”. Insgesamt mehr als 50 Singles.
Mary Roos' Bruder lebte auch in Villingen-Schwenningen
Mary Roos bekam in den 70-ern eigene Fernsehshows. Marys Music und Die Mary-Roos-Show hießen diese Sendungen. Als erste Deutsche trat sie in der Muppet Show auf. Ihre Schwester ist unter dem Namen Tina York ebenfalls Schlagersängerin. Ihr Bruder, der in einem Villinger Autohaus seine Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker absolvierte, verstarb kürzlich in Villingen-Schwenningen.