Felix Ani ist Müllmann. Der 59-Jährige arbeitet für das Entsorgungsunternehmen Remondis und ist in der Regel bereits am frühen Morgen unterwegs – so auch am 29. Januar. Da waren er und sein Fahrer in Villingen-Schwenningen-Marbach in ihrem Müllwagen, als sie – es war noch dunkel – in einen Stau gerieten. Um zu sehen, weshalb es den Stau gibt, stieg Ani, wie er im SÜDKURIER-Gespräch mehrfach sagte, aus und ging zur Unfallstelle. In der Hand: sein Handy.
Für die Polizei, so stand es im Polizeibericht, war klar, dass Ani den Schwerverletzten fotografierte. Die Beamten leiteten ein Ermittlungsverfahren wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen ein.
Ani jedoch widersprach gegenüber dem SÜDKURIER deutlich. Seine Aussage vom Januar wiederholt er: „Ich habe den Verletzten nicht fotografiert oder gefilmt. Ich habe auch keine Aufnahmen ins Internet gestellt.“ Er habe lediglich schauen wollen, weshalb es den Stau gibt. Ein Foto von der Unfallstelle habe er gemacht, aber nur von weit weg. Der Grund: „Ich wollte meinem Disponenten nur zeigen, weshalb es an diesem Tag länger gedauert hat, als üblich“, sagt Ani weiter. Das Bild liegt der Redaktion vor.
Anis Disponent bestätigte laut dem Müllmann selbst diese Version gegenüber dem Polizisten, der den Fall untersucht. „Der Beamte war sogar bei uns in der Firma und hat meinen Chef gefragt, ob es stimmt, was ich sage“, sagt der 59-jährige Müllman. Warum aber hält die Polizei an ihrer Version fest? „Weil ich schwarz bin“, sagt Ani deutlich.
Dem widerspricht Sandra Kratzer von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Konstanz auf Anfrage vehement: „Uns ist völlig egal, welche Hautfarbe jemand hat. Jeder Gaffer muss verfolgt werden.“ Niemand wolle, dass seine Angehörigen in Ausnahmesituationen wie bei einem Unfall fotografiert werden. Den Vorwurf, dass man jemanden nur aufgrund dessen Hautfarbe kontrolliere, bekommen Polizisten sehr häufig zu hören, sagt Kratzer weiter.
Viele Gaffer, wenig Anzeigen
Im Bereich Villingen-Schwenningen hat es laut Kratzer seit Juli 2019 nur einen angezeigten Gafferfall gegeben. Ein Mann, so die Polizei, hatte an einer Unfallstelle die Bergungsmaßnahmen zweier lebloser Menschen aus seinem Auto heraus gefilmt. Zu Situationen mit Gaffern komme es allerdings viel häufiger. Meistens sei aber keine Zeit, um sich, neben dem Unfallgeschehen, auch noch um die Gaffer zu kümmern. Gaffer und Schaulustige erhalten laut dem Bußgeldkatalog eine Geldstrafe zwischen 20 und 1000 Euro. Wer Menschen dabei auch noch filmt oder fotografiert muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren rechnen.
Strafbefehl
In Anis Falls wurde in der Zwischenzeit Strafbefehl erlassen. „Ende Mai kam das Schreiben. Dort steht, dass ich noch mehr Fotos, als nur das für den Disponenten, gemacht habe. Aber das stimmt nicht“, sagt der Mitarbeiter des Entsorgungsunternehmens. Stattdessen sollte Ani 1800 Euro Strafe zahlen. „Dagegen habe ich Einspruch eingelegt“, sagt der gebürtige Nigerianer mit deutscher Staatsangehörigkeit,“Hätte ich gewusst, wie das Ganze ausgeht, wäre ich einfach in meinem Lkw geblieben.“
Wer letztlich Recht bekommt, werden alle Beteiligten am Ende des Verfahrens herausfinden. Dieses findet am 19. August statt, wie das Amtsgericht Villingen auf Nachfrage informiert.