Im Jahr 2021 tragen fast alle Menschen ein kleines Rechenzentrum in der Handtasche oder in der Hosentasche mit sich herum. Jedes Handy ist ein kleiner, leistungsfähiger Computer. In den 80er-Jahren war das noch unvorstellbar.
Anfang des damaligen Jahrzehnts füllten Rechenzentren ganze Räume. Zusätzliche Speicherlösungen und andere Komponenten kamen nicht viel kleiner daher. „Jedes moderne Smartphone hat heute deutlich mehr Rechenleistung als diese riesigen Großrechner“, erzählt Hans-Jürgen Götz aus Brigachtal. Und er muss es wissen, denn er war unmittelbar beteiligt an diesem beispiellosen Siegeszug der Computer, die das Leben vieler Menschen in den letzten 40 Jahren maßgeblich beeinflusst und verändert haben.
Vom Großrechner zum Heimcomputer
Nach seinem Studium der Feinwerktechnik in Furtwangen heuerte Hans-Jürgen Götz 1981 bei der Firma IBM-Deutschland in Sindelfingen an. Dort war er als Prozessingenieur am Bau von oben genannte Großrechnern beteiligt. „Die waren damals so groß wie eine Einbauküche“, erinnert er sich. „Und diese Anlagen waren nur die Prozessoren.“ Das restliche Zubehör beanspruchte Extra-Kapazitäten und Raum. „Ein fünf Megabyte großer Speicher war so groß wie ein Kühlschrank“, nennt Götz ein weiteres Beispiel. Solche Großrechner waren anfangs noch sehr teuer und kamen meist nur in großen Unternehmen oder in Universitäten zum Einsatz. „Zwei Millionen Mark waren üblich, nur für den Prozessor“, so Götz. Daher wurden diese Rechenmaschinen meist nicht gekauft, sondern gemietet.

Noch im selben Jahr, als Götz in der Firma seinen Arbeitsvertrag unterschrieben hatte, brachte IBM den ersten Heimcomputer auf den Markt. Dieser hatte als Zielgruppe erstmals nicht Großkunden im Blick, sondern die breite Masse der Bevölkerung.
1985 wechselte Götz als Systemingenieur an den IBM-Vertriebsstandort in Villingen am Ifängle, wo er für die Inbetriebnahme und die Betreuung größerer Rechensysteme für Unternehmen und anderen Einrichtungen zuständig war. Vier Jahre später stand der nächste innerbetriebliche Wechsel an. Im IBM-Entwicklungslabor in Boca Raton in Florida war der heute 64-Jährige als Entwicklungs- und Softwareingenieur maßgeblich an der Weiterentwicklung des hauseigenen Betriebssystems „OS/2“ beteiligt, drei Jahre lang.
Siegeszug des Internets
1990 begann das Internetzeitalter Fahrt aufzunehmen. „Wir konnten das damals intern schon nutzen und begannen es im Betriebssystem einzubauen und zu testen“, erinnert sich Götz. Ab der Version „OS/2 3.0 (Warp)“, die 1993 auf den Mark kam, war dann erstmals die Internet-Funktion fester Bestandteil des Betriebssystems. „Und es war erstmals als 32-Bit Version verfügbar.“ Eine Revolution.
„Auch E-Mail gab zu dieser Zeit schon.“ Allerdings waren im Internet von damals vor allem Universitäten vertreten, deren Inhalte nur über ein kompliziertes Adresssystem erreichbar, kaum vergleichbar mit heute. „Das Internet war damals etwas ganz Neues. Keiner konnte sich vorstellen, was damit in wenigen Jahren schon möglich sein wird, geschweige denn, dass man im Internet irgendwann einmal Geld verdienen kann.“
Thema nicht mehr zu bremsen
In den dann folgenden Monaten und Jahren war das Thema dann nicht mehr zu bremsen und entwickelte sich rasant in alle Richtungen. Hans-Jürgen Götz war zu dieser Zeit ein gern geladener Gast im Fernsehen. In der beliebten WDR-Sendung „Computer Club“ war er gleich mehrfach zu sehen, stellte dem TV-Publikum die IBM-Neuheiten vor.
„Ab 1994 waren dann immer mehr Inhalte über das Internet erreichbar“, erinnert sich der Fachmann. 1992 zog es Götz zurück in seine Heimatregion Villingen-Schwenningen, wo die Familie seither in Brigachtal lebt. Bei IBM war er dann bis 2019 in der Abteilung Marketing angesiedelt und in mehreren Städten im Einsatz: Stuttgart, Paris, Dublin und zum Schluss wieder in Villingen. Dem Wohnort in Brigachtal blieb die Familie aber immer treu.

„Es war eine tolle und spannende Zeit, die ich durch meine Tätigkeiten bei IBM miterleben konnte“, bilanziert Götz. Und nicht nur er selbst profitierte. Die gesamte Familie Götz lebte drei Jahre lang in Amerika. die beiden Söhne besuchten dort Kindergarten und Schule, lernten die englische Sprache. „Wer hat schon so eine Chance, so etwas zu erleben und einen radikalen Technologiesprung mit zu gestalten.“
Das bringt die Zukunft
Moderne Technologie ist aber auch heute noch die Leidenschaft des 64-Jährigen. Digitale Fotografie, Videotechnik und selbstverständlich auch Computer begeistern ihn bis heute. Zuletzt stellte er die Rechenpower seiner privaten Computer über ein weltweites Rechennetzwerk der Wissenschaft zur Verfügung, gründete dafür sogar ein lokales Team und schaffte es in einer weltweiten Vergleichsliste gar unter die besten 500 Teilnehmer (wir berichteten).
Für die Zukunft sieht Götz drei große Megatrends, vorneweg das Thema Quantencomputer. Auch in diesem Bereich ist die Firma IBM tätig. Als weiteres Zukunftsfeld nennt Götz das sogenannte „Cloud Computing“, also dezentrale Rechenpower. Aufwändige Berechnungen werden nicht mehr zuhause im Büro erledigt, sondern auf weit entfernten Großrechnern. Die Ergebnisse und entsprechende Visualisierungen werden via Internetverbindung wieder an die Nutzer übertragen und dort dargestellt. Diese Entwicklung ist eng mit der Entwicklung neuer Quantencomputer verknüpft, ebenso wie sein dritter Zukunftsbereich, die künstliche Intelligenz (KI). Auch hier ist entscheidend, wie viel Rechenleistung künftig zur Verfügung steht. Quantencomputer könnten der KI zum Durchbruch verhelfen. „Was Fortschritte in diesem Bereich mit uns machen, wie weit das geht und wie weit das gehen darf, das wird noch spannend“, so Götz.

VS-Firma war Vorgänger-Gesellschaft der IBM Deutschland
1918 kaufte die Deutsche Hollerith-Maschinen-GmbH mit Stammsitz in Berlin das ehemalige Gasthaus „Zum Engel“ Ecke Benediktinerring und Vöhrenbacher Straße in Villingen, was später unter dem Namen Hollerith-Gebäude bekannt war. Aus dieser Firma ging später (1924) die IBM Deutschland hervor. Der Standort in Villingen wurde jedoch bereits im Jahr 1929 wieder aufgegeben. In den 70er Jahren kehrte die Firma IBM zurück in den Schwarzwald und gründete hier einen Vetriebsstandort, in welchem auch Hans-Jürgen Götz seine IBM-Laufbahn in den 80er Jahren begonnen hatte. Im Jahr 2015 wurde auch dieser Standort wieder aufgegeben.
Einen interessanten Artikel zu Hollerith können Sie auf der Internetseite des Geschichts- und Heimatvereins nachlesen.