Treppen aus blankem Beton, Treppengeländer aus zusammengenagelten Latten und Gerüste, die schon seit Jahren um die Häuser stehen und in unteren Stockwerken teilweise Balkongeländer ersetzen: Das sind nur einige der Mängel, die ein Bauprojekt in der Schwenninger Karlstraße aufweist. Und diese Mängel bestehen nicht erst seit einigen Monaten, sondern mitunter seit Jahren – ob und wann sie beseitigt werden, ist nach aktuellem Stand der SÜDKURIER-Recherche völlig unklar.

Der Bauträger äußert sich nicht

Klar ist allerdings, dass das missratene Bauprojekt die Juristen beschäftigt. Drei Verfahren zum Thema seien derzeit beim Landgericht in Konstanz anhängig, schreibt Mirja Poenig, Richterin und Pressesprecherin am Landgericht, auf Nachfrage. Und Poenig geht ins Detail – im Gegensatz zur beklagten Partei, Andreas Binefeld. Er hat laut dem SÜDKURIER vorliegenden Vertragsunterlagen die Gebäude im Block zwischen Karlstraße, Arndtstraße und August-Reitz-Straße in Schwenningen errichtet, hat das Projekt bislang aber nicht abgeschlossen. Manche Bewohner der Gebäude müssen im Prinzip durch eine Baustelle gehen, um zu ihren Wohnungen zu gelangen.

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Die Gründe, warum die Gebäude einfach nicht fertigwerden, sind für die Öffentlichkeit unklar. Und Andreas Binefeld hat offenbar nicht vor, diesen Zustand zu ändern. Weder er selbst noch sein Anwalt Jan von Wallfeld beantworteten bis Redaktionsschluss dieses Textes Anfragen des SÜDKURIER zum Thema – trotz Nachfragen in einem Zeitraum von über einer Woche.

Bauzäune überall: Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass die Gebäude nicht fertiggestellt sind.
Bauzäune überall: Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass die Gebäude nicht fertiggestellt sind. | Bild: Freißmann, Stephan

In einer früheren Stellungnahme an den SÜDKURIER rechtfertigte von Wallfeld, der zur Kanzlei Ratajczak und Partner mit Niederlassungen in Böblingen, Berlin, Duisburg, Essen, Freiburg, Köln, Meißen und München gehört, die Mängel mit Verzögerungen durch Krisen und starken Preissteigerungen: „Energiepreiserhöhungen, Lieferschwierigkeiten, Ausschreibungen zu überteuerten oder zu fehlenden Angeboten mussten wiederholt oder angepasst werden.“

Eigentümer ziehen vor Gericht

Doch das wollen die Eigentümer offenbar nicht länger hinnehmen, sie beschritten den Klageweg. Worum geht es bei den Klagen, die am Landgericht Konstanz anhängig sind? Im ersten Fall klagt die Eigentümergemeinschaft gegen Andreas Binefeld, und zwar auf „die vertragsgemäße Erfüllung von Verpflichtungen aus einem Bauträgervertrag betreffend das Gemeinschaftseigentum der Gemeinschaft der Wohnungsbaueigentümer“, wie Richterin und Gerichtssprecherin Poenig schreibt.

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Abseits des Juristendeutsch heißt das: Der Bauträger soll dazu verklagt werden, die Gemeinschaftsanlagen in den Häusern, etwa Treppenhäuser, fertig zu bauen. Der Streitwert sei vorläufig mit 10.000 Euro angegeben, so Poenig.

Wer der Bauträger ist, ist aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit allerdings gar nicht so leicht festzustellen. Beklagt werde in allen Verfahren jedenfalls Andreas Binefeld persönlich, erklärt Poenig: „Er wird persönlich in Anspruch genommen.“ Auf einem Vorvertrag über den Kauf einer Wohnung, der der Redaktion vorliegt, wird allerdings die Firma Binefeld Bauen und Wohnen GmbH als Verkäufer genannt, allerdings mit dem Vermerk „handelnd im Auftrag von WohnbauStudio, Inhaber Andreas Binefeld“. In diesem Fall ist bei dem Firmennamen keine Organisationsform vermerkt. Es ist also unklar, ob es sich um eine Kapital- oder eine Personengesellschaft bezieht.

Das Gericht gibt nun ein eigenes Gutachten in Auftrag

In der Klage der Eigentümergemeinschaft werde darauf verwiesen, dass Bauleistungen teilweise mangelhaft ausgeführt oder das Bausoll nicht erfüllt worden seien, so Poenig in ihrer ersten Auskunft. Der nächste Schritt im Verfahren sei nun, dass das Gericht zunächst ein Gutachten in Auftrag gibt, um die Mängel am Gebäude gerichtsfest zu dokumentieren, erklärt Poenig am Telefon. Bis es zu einem möglichen Gerichtstermin kommt, könne es daher noch dauern.

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Doch auch mehrere Einzelpersonen gehen wegen der unfertigen Bauwerke vor dem Landgericht gegen Andreas Binefeld vor. Ein Erwerber einer der Wohnungen fordere die „Erklärung der Auflassung und Bewilligung der Eintragung von vertraglich geschuldeten Miteigentums- und Sondereigentumsanteilen“ ein, schreibt Poenig und erklärt: Wenn man eine Wohnung kaufe, laufe das etwas anders als bei normalen Einkäufen. Denn wer Eigentümerin oder Eigentümer einer Wohnung ist, müsse im Grundbuch verzeichnet werden. Und das gehe eben über die Auflassung und spätere Eintragung im Grundbuch.

Dies habe der Verkäufer aber anscheinend verweigert, weil noch letzte Zahlungen ausstehen würden – wegen Mängeln, wie der Käufer als Begründung angeführt habe. Und: Aus juristischer Sicht sei die Klage schlüssig, sagt Poenig, die beklagte Partei habe bislang keine Stellungnahme abgegeben.

Ein Käufer fordert Schadenersatz

Ein weiterer Käufer hat laut den Gerichtsinformationen zudem ein Beweissicherungsverfahren gestartet. Grob gesagt, bedeutet das, dass ein vom Gericht beauftragter Gutachter behauptete Mängel sichtet und festhält. In diesem Fall gehe es nur um das Sondereigentum des Antragstellers, also die eigene Wohnung. Und in der Regel sei das Ziel der Beweissicherung, dass sich die Parteien außergerichtlich einigen, erklärt Poenig. Es könne aber trotzdem zu einem Prozess kommen.

Schließlich sei zum selben Bauvorhaben auch ein Verfahren beim Landgericht Konstanz anhängig, in dem eine Privatperson Schadenersatz von Andreas Binefeld fordere, so Poenig – ein Verfahren, das vom Mahngericht ans Landgericht abgegeben worden sei.

Hier könnte ihr Parkplatz sein. Stattdessen riegeln Bauzäune die Zufahrt ab.
Hier könnte ihr Parkplatz sein. Stattdessen riegeln Bauzäune die Zufahrt ab. | Bild: Freißmann, Stephan

Und die Gerichtssprecherin stellt bei einem Blick in die Akten auch fest, dass Andreas Binefeld und sein Bruder Alexander Binefeld beim Landgericht nicht ganz unbekannt sind. Schon einmal habe es ein auf Schadenersatz gerichtetes Verfahren gegen beide gegeben. Dieses habe im Juni 2024 durch Vergleich geendet, stehe aber nicht im Zusammenhang mit den Bauwerken in der Schwenninger Karlstraße.

Ob die Eigentümer jemals in vollständig fertig gebauten Häusern leben werden? Das entscheidet sich nicht allein vor Gericht, sondern hängt auch an der wirtschaftlichen Situation des Bauträgers. Einstweilen stehen jedenfalls die Gerüste.