Seit Oktober sind sechs Stürme über den Stadtwald gebraust und haben viele Bäume umgeworfen. Im ersten Quartal diesen Jahres notierten die Forstleute 3500 Festmeter Sturmholz. Auch die beiden jüngsten Stürme am 7. und 8. April haben einige Spuren der Zerstörung hinterlassen.
Ziemlich ungeschoren davon gekommen ist der Schwenninger Wald. In den Revieren weiter westlich sieht es schlechter aus. „Der Schadensgürtel erstreckt sich vom Tannheimer Wald in den vorderen und hinteren Neuhäuslewald, ins Gebiet Langmoos zwischen Villingen und Unterkirnach bis in den Villinger Germanswald“, skizziert Roland Brauner, der stellvertretende Leiter des Forstamtes, die aktuelle Schadenslage.
Am Oberhausweg, einer Forststraße im Germanswald, lässt sich die brachiale Gewalt des Windes eindrucksvoll studieren. Dort haben Sturmböen bis zu 30 Meter hohe Fichten Bäume förmlich aus dem Erdreich gehebelt. Auf engstem Raum liegen Dutzende sturmgefällter Bäume, die Wurzelteller ragen als meterhohe Wand aus Wurzelgeflecht und Erde in die Höhe.

Revierförster Jörg Hammes, der unter anderem für den Germanswald zuständig ist, schildert dem SÜDKURIER die Problematik dieses Windwurfs. Vor zwei Jahren, am 8. Februar 2020, sind hier erstmals Bäume in größerer Zahl vom Orkantief „Sabine“ umgeworfen worden. Damit war das Waldstück vom Sturm „angerissen“. Seither zerren weitere Stürme an diesem nun besonders anfälligen Waldstück.
Der gesamte Bestand von 70 Jahre alten Fichten auf rund 1,4 Hektar wird nicht zu halten sein. „Da mache ich mir keine Illusionen“, sagt Hammes. Bevor die Stürme ihr Werk vollenden, wird er den Restbestand der bis 30 Meter hohen Fichten irgendwann fällen lassen.
Haben die Stürme zugenommen und sind damit eine wachsende Bedrohung für den Stadtwald? Das können die Forstleute so nicht bejahen. Nach Feststellung von Jörg Hammes gab es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder Serien von Stürmen, die dem Wald zugesetzt haben.
Der Stress für die Bäume hat zugenommen
„Sagen kann man aber, dass der Stress der Bäume zugenommen hat“, fasst Roland Brauner die Beobachtungen der Forstleute zusammen. In den letzten drei bis fünf Jahren sei ihr schlechter Zustand vor allem an den schlappen und schwach benadelten Baumkronen deutlich abzulesen.
Die Wissenschaft, so Brauner, berichte mittlerweile auch vom Absterben des Feinwurzelwerks vieler Bäume. Stress machen ihnen die Folgen des Klimawandels mit Hitze, Trockenheit, Schädlingen. Einflüsse, die den Wald dann auch für Windwurf anfälliger machen.
Die gute Nachricht für den Stadtwald Villingen-Schwenningen: Es gibt durch fast alle Reviere eine fast flächendeckende Waldverjüngung. Unter dem Schirm der hohen Baumbestände wurden schon seit vielen Jahrzehnten, vermehrt aber in den letzten 30 Jahren, ein Jungwald aufgezogen.

Für Roland Brauner ist dies die Frucht einer konsequenten nachhaltigen Forstbewirtschaftung durch vorausschauende Forstleute. Die haben dafür gesorgt, dass im Stadtwald systematisch immer wieder neue Bäume nachgepflanzt wurden.
Und sie haben Druck gemacht, dass das Rehwild über Jahre stark bejagt wurde, damit der Jungwald nicht durch Wildverbiss zugrunde geht. Diese Jungbestände wurden systematisch gehegt und gepflegt.
Waldverjüngung in VS einmalig in Baden-Württemberg
Davon profitieren die Bürger und die Forstleute heute, in den Zeiten des Klimawandels. Denn dieser Jungbestand ist für die Förster ein wertvolles Kapital, um auf die Bedrohungen des Klimawandels reagieren zu können.
Dieser Vorsprung durch Nachhaltigkeit wird dem städtischen Forstamt ganz aktuell von externen Fachleuten bescheinigt, die derzeit den Forstbetrieb auf Herz und Nieren prüfen.
Besonderes Gütesiegel für Forstbetrieb VS
Diese Waldinventur findet alle zehn Jahre statt. Die externen Forstleute haben mit Erstaunen und viel Lob festgestellt, berichtet Roland Brauner, dass es im Stadtwald – neben Baden-Baden der größte kommunale Waldbesitz in Baden-Württemberg – einen nahezu flächendeckenden Bestand an Jungwald gibt.
Das sei einmalig im Land, ein besonderes Gütesiegel und Alleinstellungsmerkmal des Forstbetriebs VS. Brauner bringt es wie folgt auf den Punkt: „Einen mit uns vergleichbaren Forstbetrieb gibt es nicht.“

Der Umbau des Waldes läuft, er wird sich nachhaltig verändern. Es wird mehr Tannen geben und mehr Laubbäume vielfältiger Art, die Fichte wird bleiben, aber nicht mehr so stark dominieren.
Die neue Artenmischung soll den Wald stabiler machen gegen Stürme und Hitzeschäden. Neue Baumarten werden gesetzt, um zu testen, ob sie mit dem Klimawandel besser zurechtkommen als die bisherigen.
Wälder schneller umbauen als geplant
Doch das alles wird nicht genug sein. Durch den voranschreitenden Klimawandel sehen sich die Forstleute in ganz Deutschland gezwungen, auch kurzfristig neue Wege zu gehen, um die Wälder zu retten. „Der Umbau des Waldes findet schneller statt als geplant“, konstatiert Roland Brauner. Die jetzige Situation hätte er sich vor vier Jahren noch nicht vorstellen können.
„Wir denken gerade alle um“, sagt Roland Brauner. Die bisherigen langen Lebenszyklen der Bäume im Wald sollen deutlich verkürzt werden. „Wenn die Bestände zu alt sind, bekomme ich unten am Boden keine natürliche Verjüngung mehr hin“, erläutert Jörg Hammes. Den Jungbeständen im Schatten der Altbäume fehlt es dann an Licht und Nahrung.
Platz schaffen mit der Axt
Um also das Wachstum der Jungbäume zu beschleunigen, sollen künftig die alten Bäume Platz machen und früher gefällt werden als bisher. Die Marschroute ist klar: Es wird künftig mehr Holz gehauen. Dies bedeutet eine Abkehr von der jahrzehntelangen Forstpolitik wachsende Holzvorräte im Stadtwald.
Holzeinschlagsquote wird deutlich erhöht
Der Forstbetrieb, der im Jahr rund 55.000 Festmeter Holz einschlägt, will diese Quote nun deutlich erhöhen. Die genaue Quote soll in den nächsten Woche festgelegt und vom Gemeinderat beschlossen werden, berichtet Roland Brauner an.

Wenn die älteren Bäume früher gefällt werden, hat das aus Sicht des Forstes neben der beschleunigten Waldverjüngung noch weitere Vorteile. Die Altbestände sind allein aufgrund ihrer Höhe für Sturm und Windwurf am anfälligsten. Werden sie früher entfernt, haben die Forstleute weniger Stress mit Sturmholz und der Borkenkäferverbreitung.
Absage an romantische Vorstellungen
Dass der Mensch diesen Umbau des Waldes aktiv gestalten muss, ist für die beiden Forstleute vollkommen klar. Vorstellungen, den Wald sich selbst zu überlassen, wie dies beispielsweise der bekannte Autor und Forstmann Peter Wohlleben in seinen Büchern postuliert, wird nach ihrer Überzeugung nicht zu einem erstrebenswerten Ziel führen. Zumindest dann nicht, wenn der Wald auch die Funktion behalten soll, dem Menschen im eigenen Land mit Holz einen nachwachsenden klimaneutralen Rohstoffe zu liefern.

„Wenn wir nichts machen würden, bekämen wir in wenigen Jahrzehnten einen reinen Fichtenwald“, betont Roland Brauner. „Die Fichte würde alle anderen Bäume totwachsen.“ Es entstünde eine Monokultur und damit das Gegenteil einer artenreichen Vielfalt.
Es wäre dies aus seiner Sicht der ökologische und ökonomische Niedergang des Waldes. Um einen gesunden Mischwald zu bekommen, sagt er, „müssen wir täglich daran arbeiten“. Die Mischung des Waldes, die sein Überleben in Zeiten der Erderwärmung sichern soll, sei ein „totales Kunstprodukt“, stellt der Forstmann klar.