Fußball-Bezirksliga: – Das sind die Geschichten, die wohl nur der Fußball schreiben kann. Eine Minute ist in der Breitematt beim SV Blau-Weiß Murg noch auf der Uhr. Dazu wird es von Schiedsrichter Ralf Brombacher noch ein paar Zeigerumdrehungen geben, die er nachspielen lässt. Die Gastgeber führen mit 3:2 gegen den SV Buch, sind stehend k.o. und hängen bei schwüler Hitze wie angeschlagene Boxer in den Seilen.
„Dann haben wir einfach die Brechstange heraus geholt“, bringt es Florian Amann auf den Punkt. Der 30-Jährige ist ein Spieler, den kein Murger auf der Rechnung hatte. Vor allem, weil Amann seit Jahr und Tag kein Bezirksliga-Spiel mehr bestritten hat. Nach seiner schweren Verletzung hatte er sich schon vor Corona in die „Zweite“ verabschiedet: „Aber wenn sie mich brauchen bin ich da“, lächelt er verschmitzt.
Fußball-Bezirksliga in Zahlen
Und wie sie ihn brauchten in diesen Schlussminuten in Murg. Und da man bekanntlich auf einem Bein nicht stehen kann, zog Trainer Daniel Pietzke seinen letzten Pfeil aus dem Köcher, denn Johannes Lauber und Constantin Gampp hatte er schon gebracht und neben Amann war die Bank gähnend leer – Urlauber, Verletzte. Der SV Buch läuft zum Saisonstart auf der letzten Rille.

Also erinnerte sich Pietzke an seine eigenen Stärken, die ihn vor über 20 Jahren unter anderem beim FC Tiengen 08 zu einem wichtigen Spieler gemacht hatten. Für Pascal Tröndle und Andre Holzapfel betrat das Duo den Platz und verließ ihn fünf Minuten später freudestrahlend wieder. Auf Vorlage von Amann gelang ausgerechnet dem Trainer der hochverdiente Ausgleich für den SV Buch.
Dieser Treffer versetzte die Blau-Weißen endgültig in Schockstarre, denn zwischen Einwechslung und Ausgleich hatte ihr Neuzugang den Platz verlassen müssen: „Ab zum Duschen“, lautete die Ansage von Ralf Brombacher, der einen unsportlichen Satz von Jason Cerimi – gerichtet an einen Gegenspieler – vernommen hatte und ohne zu Zögern die Rote Karte zückte.
Zwei Punkte weg, zweifacher Torschütze weg – die Murger fühlten sich mit einem Schlag an die letztjährige Vorrunde erinnert. Allerdings mit dem Unterschied, dass seinerzeit solche Spiele verloren wurden. Ganz so heftig kam es gegen den SV Buch nun nicht.

Dabei hätte es gar nicht soweit kommen müssen. Die Murger fühlten sich auf ihrem um fünf, sechs Meter gekürzten Sportplatz – im Osten wird ein Kleinspielfeld eingerichtet – pudelwohl. Während der SV Buch den Ball laufen ließ, trafen die Murger ins Netz.
Jason Cerimi nickte eine Flanke von Gökalp Uyar schon nach neun Minuten in die Maschen.
Und während sich die Gäste über vertändelte Abschlüsse und den Lattenkracher von Andre Holzapfel ärgerten, erhöhte Cerimi noch vor der Pause nach Vorarbeit von Nico Maenza auf 2:0.
Keine fünf Minuten waren nach der Pause gespielt, als Gökalp Uyar die vermeintliche Entscheidung besorgte. Seinen ersten Schuss vermochte Simon Eckert nicht festzuhalten. Der Murger Kapitän setzte nach und schob den Ball zum 3:0 ins Netz. Was sollte nun noch passieren?
In der Tat passierte (fast) nichts mehr in der Hälfte des SV Buch. Pietzke nahm das Laufwunder Samuel Seitz vom Platz, schickte Johannes Lauber ins Rennen und wurde belohnt. Plötzlich lebte Dawid Armanowski auf.
Sein vermeintlich erstes Tor fand wegen Abseits (52.) keine Anerkennung.
Sein Kopfball (54.) knallte an die Latte.
Den Fehlpass von Kamil Bednarek aber veredelte der 32-Jährige mit dem 1:3 (55.) und ließ – auf Vorlage von Lauber – kurz danach das 2:3 (56.) folgen.
Und hätte nicht Cagatay Bayram vier Minuten später aufgepasst, wäre Armanowski binnen fünf Minuten ein Hattrick gelungen.
Volldampf in der Schlussphase
Spätestens jetzt war zum Halali geblasen. Der SV Buch stürmte, lief auch in Konter, die meist verpufften. Nur einmal hatten die Gäste das Glück des Tüchtigen, als Gökalp Uyar von Pascal Störk entscheidend gestört wurde. Sonst hatte der Murger die Flanke (72.) von Eldis Gojak wohl zum 4:2 ins Netz gedrückt.
So versuchten die platten Hausherren die Zeit von der Uhr zu nehmen – mit allen Tricks. Die aber durchschaute Ralf Brombacher, ermahnte den verwarnten Nico Maenza, der einen Ball zum Einwurf passieren ließ, laut und eindrücklich: „Nochmal so ein Ding, dann bist du weg.“
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