Es gibt Tage, die vergisst man nicht. Da reicht noch Jahre später ein Wort, ein Geruch oder was auch immer – und schon ist dieser eine Tag wieder präsent. Und selbst die, die nicht dabei waren, können von damals berichten, einfach weil die Geschichte jenes Tages spätestens nach dem dritten Bier im Vereinsheim immer wieder auflebt.
Dieser Samstag könnte auf der Höri zu so einem Tag werden, denn der FC Öhningen-Gaienhofen spielt ab 14.00 Uhr im Viertelfinale des SBFV-Pokals gegen den SC Lahr. Es ist die ewig reizvolle Geschichte vom krassen Außenseiter, der auf einen scheinbar übermächtigen Gegner trifft. Öhningen-Gaienhofen spielt in der Bezirksliga, ist damit das vermeintlich schwächste Team, das noch im Wettbewerb ist, Lahr agiert zwei Klassen darüber in der Verbandsliga. Wer bei solch einer Konstellation auf den Außenseiter wettet, hat entweder zu viel Geld oder glaubt tatsächlich an Wunder.
Erinnerungen an ein spezielles Spiel
„Die Vorfreude auf dieses Spiel ist gewaltig“, sagt Dirk Weiermann im Vereinsheim der Höri-Kicker wenige Tage vor der großen Partie. Im Gang zu den Umkleidekabinen stehen noch Farbeimer und Pinsel, denn die Winterpause wurde genutzt, um die Räumlichkeiten etwas aufzuhübschen.
Weiermann wohnt nur 300 Meter vom Sportplatz entfernt, gehört zur Vorstandschaft des Vereins, vor allem aber ist er der Torwart der Höri-Kicker und damit die Person, die am Samstag wahrscheinlich am meisten gefordert sein wird. „Wir sind der klare Außenseiter, neun von zehn Spielen dieser Art verliert man“, weiß der 26-Jährige. „Aber vielleicht, wenn alles zusammenpasst, mit etwas Glück...“, so Weiermann weiter – und lässt den Satz unvollendet.
Träumen darf man von Fußball-Wundern. Und manchmal werden sie ja auch real. So wie damals, als der FC Öhningen-Gaienhofen in der Saison 2012/13 das Thema Aufstieg nach einer durchwachsener Hinrunde schon abgehakt hatte und daher frühzeitig einen Mannschaftsausflug nach Mallorca buchte. Abflugtermin? Direkt nach dem letzten Spieltag der regulären Saison. „Dann haben die eine sensationelle Rückrunde gespielt, wurden noch Tabellenzweiter und zogen damit in die Relegation ein.“
Was tun? Den Malle-Trip absagen? Mitnichten! Sich auf Malle etwas zurückhalten? Naja, ein wenig vielleicht. Fakt ist, dass ein Flieger die Ballermann-Combo an einem Sonntagmorgen wieder zurückbrachte und am Nachmittag gespielt wurde. Die Partie gegen den FC Löffingen ging knapp verloren, doch ein 2:0-Sieg im Rückspiel reichte dann zum umjubelten Landesliga-Aufstieg.

„Ich war damals noch nicht dabei, aber bis heute wird erzählt, dass in ganz Öhningen um 22.30 Uhr das Bier aus war“, weiß Weiermann von den vielen Anekdoten, die sich um die legendäre Partie ranken. Kann das noch mal passieren? Wiederholt sich Geschichte?
Zumindest der Gerstensaft-Nachschub ist für den Fall der Fälle angeblich gesichert. „Wir haben vorgesorgt“, antwortet der Schlussmann und grinst danach, weil alleine der Gedanke, Teil einer solchen Fußball-Sensation zu sein, einfach schön ist.
Einen Vorgeschmack bot übrigens vor wenigen Wochen bereits das Achtelfinale, als mit dem Offenburger FV an einem Mittwochabend vor 700 Zuschauern sogar ein Oberligist auf der Höri mit einer 1:3-Niederlage nach Hause geschickt wurde.
Die Geschichte eines Torwarts
Genug aber der Geschichten von gestern und vorgestern. Im Hier und Jetzt steht der FC Öhningen-Gaienhofen eben im Pokal-Viertelfinale und in der Bezirksliga an der Tabellenspitze. Nach dem verpassten Aufstieg in der vergangenen Saison soll im Sommer endlich die Rückkehr in die Landesliga gefeiert werden. Mit einem Dirk Weiermann im Tor, der in dieser Saison bislang bei jedem Spiel zwischen den Pfosten stand.
Das Toreverhindern, das lag ihm schon immer mehr, als Tore selbst zu erzielen. „Die ersten beiden Bambini-Turniere“, die habe er noch als Feldspieler bestritten, „beim dritten Spieltag war ich der einzige mit Torwarthandschuhen im Team und bin daher ins Tor gestanden. Und dabei blieb es dann.“
Bis zur C-Jugend spielte Weiermann beim FC Öhningen-Gaienhofen, dann zog es ihn zum FC Radolfzell, nach der A-Jugend kehrte er zu seinem Heimatclub zurück. Die Kameradschaft sei hier einfach besonders, so der in Radolfzell tätige Automobilkaufmann.
Und ein Wechsel kommt allein deshalb schon nicht infrage, weil Clubpräsidentin Claudia Späth die Wohnung gehört, die er gemietet hat. „Die hat schon gesagt, dass sie mich rausschmeißt, wenn ich wechsle“, sagt Weiermann und lacht.
Keine Lust auf einen Umzug
Würde Frau Späth natürlich nicht wirklich machen. Und Weiermann hat auch gar keine Lust auf einen Umzug. „Es gab immer mal wieder Anfragen, aber mir gefällt es hier“, sagt der Torwart, der seine Stärken im Eins-gegen-Eins und auf der Linie sieht, nach einigen Platzverweisen in der Jugend aber noch etwas gehemmt sei im Herauslaufen, also in der Strafraumbeherrschung. „Aber ich arbeite daran.“
Mittelfristig will Weiermann übrigens noch Kapitän werden. Ein richtiger, nicht im Fußball, sondern auf dem Bodensee. „Ich mache gerade nebenberuflich mein Patent, da ein Freund von mir einen Schifffahrtsbetrieb hat und mich fragte, ob ich mir nicht vorstellen könnte, die großen Fähren und Schiffe zu fahren.“
Kann er, denn Verantwortung scheut Dirk Weiermann nicht. Und manchmal müssen die Ziele eben etwas größer sein. Auch im Fußball. Sollte tatsächlich ein Sieg gegen den SC Lahr gelingen, käme es im Halbfinale entweder zum Duell mit dem FC 08 Villingen oder dem Bahlinger SC.
So weit will freilich noch keiner denken beim FC Öhningen-Gaienhofen, aber Fakt ist, dass bei einem Erfolg am Samstag nur noch zwei weitere Siege zum Einzug in den DFB-Pokal fehlen würden. Dort könnte es dann zum Duell mit einem Bundesliga-Club kommen, außerdem hätte der Höri-Club eine Prämie von mindestens 200.000 Euro sicher. „Ans Geld denkt hier noch keiner. Aber klar, jeder Fußballer träumt davon, einmal gegen einen ganz großen Club zu spielen.“
Es geht wieder nach Mallorca
Ginge es nach Weiermann, wäre der Wunschgegner dann sein Lieblingsclub, der SC Freiburg. „Da wäre dann ganz Öhningen dabei.“ So, wie wahrscheinlich auch am Samstag gegen den SC Lahr, wenn die erste Prüfung auf dem Weg zum großen Traum ansteht. Vielleicht ist dann ja wieder einer dieser Tage, die so selten, aber gerade deshalb so schön sind.
Mit anderen Worten: Es ist Zeit, mal wieder Geschichte zu schreiben.
Ach ja, noch ein kleiner Zusatz: Ein Mannschaftsausflug nach Malle wurde vom FC Öhningen-Gaienhofen auch für diesen Sommer bereits wieder gebucht. Abflugtermin ist allerdings erst nach den Relegationsspielen, wer immer die dann auch bestreiten wird.