Man stelle sich folgendes Szenario vor. Der Handball-Zweitligist HSG Konstanz besiegt knapp eine Woche vor Saisonstart den Erstligisten HBW Balingen-Weilstetten mit den Ex-Konstanzer Publikumslieblingen Gregor Thomann und Fabian Wiederstein im Derby dank einer starken Leistung mit 34:32 (17:16). Beim Abpfiff klatschen die Spieler kurz, drehen sich um und gehen direkt in die Umkleide. Die Tür zum Kabinentrakt ist noch nicht ganz geschlossen, da ist die zuvor mit nur 207 Fans besetzte Tribüne bereits menschenleer.
Solche Bilder wären in jedem Jahr undenkbar, im Corona-Spätsommer 2020 sind sie traurige Realität. Und doch sorgt an diesem Mittwoch die Generalprobe vor dem Saisonstart für einen ersten Schritt zurück zur Normalität und für eine gewisse Erleichterung bei allen Beteiligten. „Es hat schon Spaß gemacht, wieder vor Zuschauern spielen zu dürfen. Die Emotionen endlich mal wieder in der Halle zu spüren, hat sehr gut getan“, sagt HSG-Rückraumspieler Fynn Beckmann.
Noch steht alles auf dem Prüfstand bei den Konstanzer Handballern. Die Form der Spieler auf dem Parkett und auch das Hygienekonzept für Partien mit Zuschauern im Rahmen der sperrigen „Verordnung des Kultusministeriums und des Sozialministeriums über die Sportausübung“, kurz Corona-Verordnung Sport.
Bis zum 31. Oktober läuft ein Probebetrieb für Sportveranstaltungen mit maximal 1000 Fans. „Die Zuschauer haben sich sehr gut benommen, alles ist sehr diszipliniert abgelaufen“, lobt Patrick Glatt vom Konstanzer Sportamt, „die HSG hat das Konzept gut umgesetzt, auch die Ordnungskräfte.“ Und der frühere Torhüter der HSG ergänzt: „Das war ein sehr positives Zeichen, dass die Fans auch unter Einschränkungen in die Halle kommen und wollen.“
Dabei läuft vieles anders ab als gewohnt. Beim Betreten der Halle werden die Hände der Besucher, die bereits hier Mund- und Nasenschutz tragen müssen, desinfiziert.
Anschließend muss nach der Abholung der personalisierten Tickets an alphabetisch geordneten Tischen ein Kontaktformular mit den persönlichen Daten ausgefüllt werden. Die meisten Zuschauer haben das bereits zuhause erledigt.
„Wir hatten im Vorfeld die Formulare verschickt und alle informiert, um lange Schlangen zu vermeiden“, sagt Frank Meisch, Geschäftsführer der HSG Konstanz. „Die Türen waren deshalb schon eineinhalb Stunden vor Anpfiff geöffnet.“ Einer der 20 ehrenamtlichen Hygieneordner kontrolliert, ob alles richtig ausgefüllt ist. „Wir wollen mit korrekten Daten für das Gesundheitsamt arbeiten“, sagt Meisch.
Im Vorfeld der Generalprobe hatte es noch kleinere Differenzen zwischen Verein und Stadt gegeben. „Am Morgen vor dem Spiel haben wir die Information bekommen, dass unser Ticketing angepasst werden muss“, erklärt Meisch. Über drei Monate habe die HSG zusammen mit dem Sportamt ein Konzept für die Vergabe von Plätzen in der Schänzlehalle erstellt, fährt er fort.
Die Handballer wollten in ihrem Vorschlag an die Verwaltung die Plätze flexibel vergeben, sodass auch Familien mit mehr als zwei Personen nebeneinander sitzen können. Der Sicherheitsingenieur der Stadt sah dies anders. Daher mussten die Fans kurzfristig in Zweiergruppen umverteilt werden. Nur gut, dass die Beklebung der Ränge von der Kandidatenvorstellung der Oberbürgermeisterwahl noch nicht entfernt worden war.
Laut Patrick Glatt führte ein Missverständnis zu diesem Umstand, da es „am vergangenen Freitag noch mal eine Überarbeitung der Corona-Verordnung Sport für familiäre Verwandtschaften gab“, wie er erklärt. Die Stadt hat schon am Tag nach dem Spiel den Verein informiert, dass aufgrund der positiv verlaufenen Generalprobe das gewünschte Konzept umgesetzt werden kann.
„Gut, dass dieses Problem noch vor dem ersten Heimspiel am 2. Oktober gegen Dresden gelöst wurde“, sagt HSG-Geschäftsführer Frank Meisch. Für die Konstanzer ist jeder zusätzliche Fan in der Halle wichtig – als Unterstützung fürs Team und auch finanziell. „Wir sind schon froh, dass wir etwas mehr als 400 Zuschauer reinlassen dürfen, nach unserem Konzept wären es 485“, sagt Meisch. „Trotzdem bedeutet jedes Heimspiel mit weniger als 1000 Zuschauern einen extremen Verlust. Wir können nicht allzu lange durchhalten ohne staatliche Hilfen.“
Neben den fehlenden Einnahmen durch Ticketverkäufe und Catering belasten die Konstanzer derzeit besonders die Kosten der Coronatests. „Spieler, Trainer, Betreuer und alle, die direkten Kontakt zur Mannschaft haben, werden mindestens einmal pro Woche getestet, in Wochen mit mehreren Spielen auch häufiger“, sagt Meisch. „In dieser Saison werden wir bis Ende Juni etwa 30.000 Euro alleine für Coronatests bezahlen müssen“, rechnet er vor.

Die nicht-getesteten Fans müssen indessen im Innenraum der Halle die Masken anbehalten, bis sie auf ihren fest zugewiesenen Plätzen sind. Auch das wird von Ordnern kontrolliert.
Eingreifen müssen sie beim Testspiel gegen Balingen-Weilstetten nicht. „Das Publikum war sehr verantwortungsvoll und hat sich an alle Vorgaben gehalten“, sagt Frank Meisch. Die Leute halten ausreichend Abstand und tragen Masken, wo sie müssen.
„Ich sehe keine Probleme. Unser Konzept hat gezeigt, dass die Halle unter Einbehaltung des Mindestabstands gut besetzt werden kann“, fährt der HSG-Geschäftsführer fort.
Gegen Balingen-Weilstetten sind 207 Zuschauer mit Tickets in der Halle, 50 weitere Karten hätten noch gekauft werden können. Wie viele Personen das erste Saisonspiel auf der ansonsten mit rund 1500 Fans besetzten Tribüne sehen dürfen, entscheidet sich in den nächsten Tagen.
Der Funke springt laut HSG-Trainer Daniel Eblen in jedem Fall von den Rängen aufs Spielfeld über: „Wenn man reinkommt und es sind endlich wieder Fans da, dann freut man sich richtig. Man unterschätzt, was trotz der geringeren Zahl an Stimmung aufkommt. Das war ein tolles Gefühl.“