Glückwunsch zum 25:24-Sieg beim TV Großwallstadt, den Sie mit einem verwandelten Siebenmeter nach Ablauf der Zeit gesichert haben. Es scheint, als hätten Sie in solchen Situationen Nerven wie Drahtseile.

In den Momenten denke ich gar nicht so viel nach. Ich versuche einfach, das Drumherum zu vergessen und den Ball reinzumachen.

Kann Sie überhaupt nichts aus der Ruhe bringen?

Wenig. Manchmal rege ich mich beim Kartenspielen im Mannschaftsbus auf. Meistens über Aron Czako, weil er so unglaublich langsam ist. (lacht) Und als ich letztes Jahr in der zweiten Mannschaft gespielt habe und unser Trainer Matthias Stocker sein Comeback auf dem Feld gegeben hat, musste ich mich wegen seiner unkonventionellen Spielweise auch beherrschen. (lacht)

Sie haben mit mehr als 74 Prozent die zweitbeste Wurfquote im Team. Woher kommt diese Coolness?

In den drei Jahren in der zweiten Mannschaft habe ich viel Vertrauen bekommen von Matthias Stocker und durfte in jungen Jahren schon viel auf dem Spielfeld stehen. Dieses Selbstvertrauen habe ich in die erste Mannschaft mitgenommen. Das ist das Wichtigste: Vertrauen bekommen und spielen – dann läuft‘s einfach.

Das könnte Sie auch interessieren

Dabei war Ihr Start in die Saison gar nicht mal so reibungslos.

In der Vorbereitung hatten wir einen Vierkampf auf Linksaußen – Fabian Schlaich, Samuel Wendel, Aron Czako und ich haben uns die Zeiten aufgeteilt. Da war ich der Schlechteste und landete folgerichtig wieder in der zweiten Mannschaft. Ich habe aber bei der ersten mittrainiert und habe Mitte, Ende Dezember meine Chance bekommen, dann lief es ganz gut. Wir vier auf Linksaußen sind alle recht reflektiert, was unsere Leistungen angeht. Da kommt keine schlechte Stimmung auf, auch wenn mal jemand, wie ich in den letzten Spielen, nur für die Siebenmeter reinkommt.

Ein gutes Stichwort: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die Linie gehen und wissen, dass dieser letzte Wurf über den Sieg entscheidet?

Tatsächlich hatte ich mehr Kopfkino, als ich in Großwallstadt kurz vorher den zweiten Siebenmeter verworfen hatte. Da kam Tom Wolf (verletzter Kapitän, d. Red.) und hat mich gefragt, ob ich den nächsten auch nehmen will. Ich habe mich gut gefühlt und ja gesagt. Ich hatte keinen großen Plan, habe es auf mich zukommen lassen und habe den Torwart angeschaut, um mich möglichst spät zu entscheiden. Gedacht habe ich in dem Moment eigentlich nur an die zweite Mannschaft. Für sie wollte ich den Wurf unbedingt verwandeln, da sie nur in der 3. Liga bleibt, wenn die erste nicht absteigt.

Das könnte Sie auch interessieren

Nach den jüngsten drei Heimniederlagen nach HSG-Führung hatte Ihnen kaum jemand einen Sieg in Großwallstadt zugetraut. Wie kam dieser Kraftakt zustande?

Wir wussten, dass wir gewinnen müssen. Als Großwallstadt mit 22:20 in Führung gegangen ist, sind wir nicht eingeknickt wie gegen Fürstenfeldbruck und Wilhelmshaven und haben weiter ein gutes Spiel gemacht. Wir haben alles reingeworfen, um das große Finale am Samstag zu erzwingen.

Sie sprechen die Heimniederlagen gegen die Absteiger Fürstenfeldbruck und Wilhelmshaven an. Warum gelang es Ihnen da nicht, deutliche Führungen ins Ziel zu retten?

Wir sind eine extrem junge Mannschaft, da merkt man es, wenn ein Spieler wie Tom Wolf mit seiner Erfahrung und Klasse fehlt. Dass bei so jungen Spielern auch mal etwas kopflose Aktionen dabei sind, ist normal. Wir müssen uns in der Abwehr Sicherheit holen und wenn das nicht klappt, wird der Druck im Angriff umso größer. Das ist ein Lernprozess, und die 2. Bundesliga mit den vielen erfahrenen Nationalspielern ist ein extrem heißes Pflaster. Oft machen wir die fehlende Erfahrung aber mit unserer Unbekümmertheit wieder wett. Jeder will Vollgas geben – auch ohne Profis.

Haben Sie in diesen engen Spielen nicht manchmal Mitleid mit Trainer Daniel Eblen?

Wir machen es ihm nicht immer einfach, das stimmt. Ab und an gibt es dafür auch einen Spruch. (lacht) Wenn er aber nach Siegen wie jetzt in Großwallstadt strahlt, vergisst er vielleicht das eine oder andere graue Haar, dass wir ihm schuldig sind.

Sie haben gerade in Ihrem Heimatverein den Durchbruch geschafft, erzielen die wichtigen Tore und sind auf dem Weg zum Publikumsliebling. Warum wechseln Sie gerade jetzt im Sommer zum HBW Balingen-Weilstetten?

Die Anfrage aus Balingen kam im Januar, damals hatte ich gerade zwei Spiele in der ersten Mannschaft gemacht. Es war sauschwer für mich, ich habe lange überlegt, was ich machen soll. Zum Glück hatte ich zwei sehr gute Alternativen und konnte mit keiner was falsch machen. So wohl ich mich hier fühle, war am Ende der Reiz größer, mal was anderes zu machen und bei einem Profiverein zu spielen. Vielleicht kann ich da einen ähnlichen Weg gehen wie bei der HSG und über die zweite Mannschaft in die Bundesliga kommen. Das Bauchgefühl hat einfach für diese neue Herausforderung gesprochen – auch wenn es schon schmerzt. Als mir am Montag bewusst wurde, dass das meine letzte Woche hier ist, wurde ich schon ein bisschen emotional.

Mit der Balinger Reserve könnten Sie im nächsten Jahr in der 3. Liga wieder am Schänzle spielen – je nach Ausgang der Saison gegen die erste oder die zweite Mannschaft der HSG Konstanz.

Ich hoffe von ganzem Herzen, dass ich gegen die zweite Mannschaft spielen werde. Die Jungs haben es sich verdient, eine gescheite Drittligasaison zu spielen. In der wegen Corona abgebrochenen Runde haben sie mit drei Punkten aus vier Spielen gezeigt, dass sie konkurrenzfähig sind.

Sie könnten mit einem Sieg am Samstag und dem Zweitliga-Klassenerhalt dazu beitragen.

Das ist das traumhafteste Finale, das man sich vorstellen kann. Das wird geil, mit unseren Zuschauern im Rücken.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie stehen die Chancen?

Gut. Das Momentum ist auf unserer Seite. Neben mir verlassen Fabian Schlaich, Tom Wolf, Felix Krüger, Fabian Maier-Hasselmann, Michael Haßferter, Markus Dangers und Felix Jaeger den Verein oder hören auf, das sorgt für Extramotivaton.

Trotzdem sind Sie auf Schützenhilfe von Lübeck-Schwartau im Spiel gegen Emsdetten angewiesen.

Schwartau ist, glaube ich, immer ganz gerne nach Konstanz geflogen. Trotz der langen Anreise ist Konstanz das schönere Auswärtsspiel. Ich glaube, die wollen und werden ihr letztes Heimspiel auch gewinnen.

Blicken wir nach vorne. Samstag, gegen 19.50 Uhr. Die 60 Minuten gegen Rimpar sind um und es gibt einen Siebenmeter für die HSG Konstanz. Würden Sie den Ball wieder nehmen?

Ja, auf jeden Fall. Ich mag das. Solche Situationen, solche Spiele sind es doch, wieso wir Handball spielen.