Fußball: – Es ist Samstagvormittag, Hochbetrieb in Niederhof im „Helmut-Baumann-Stadion“. Klar, es ist Wochenende, die Mannschaften des 2022 gegründeten SC Niederhof/Binzgen tragen ihre Heimspiele aus, dürfte der spontane Gedanke sein. Doch weit gefehlt. Es steht Training auf dem Programm. Training? Am Wochenende?
Es ist ein besonders Training in einem besonderen Projekt, das der SC Niederhof/Binzgen seit vier Jahren verfolgt: „Wir bieten Inklusionstraining an“; erklärt die Vorsitzende Jenniffer Eckert, die das Projekt vor vier Jahren ins Leben gerufen hat und in der Region neue Wege eingeschlagen hat: „Training für und mit allen“ lautet das Motto.
Anlass für das Projekt war die Vision, dass der SV Niederhof ein maximale Breite an Hobbysportlern ansprechen und ein Angebot auch für jene Menschen anbieten möchte, die wegen eines körperlichen Nachteils im üblichen Sportbetrieb außen vor sind. Der Gedanke war, ein Training mit und für alle Freizeitsportler anzubieten, bei dem auch – sofern es der Zeitplan ermöglicht – Spielerinnen und Spieler der Aktivmannschaften dabei sein sollen.

„Genau das ist Inklusion“, erklärt Jenniffer Eckert ihre Herzensangelegenheit: „Die Herkunft oder das Handicap, mit dem jemand durchs Leben geht, spielen keine Rolle.“ Wer sich nicht zum Verein traue oder dem es nicht möglich sei, am übrigen Training teilzunehmen, sei beim SC Niederhof/Binzgen willkommen: „Für viele Menschen sind die Hürden enorm hoch. Diese Hürden wolle man abbauen oder möglichst niedrig gestalten.

Einfühlungsvermögen ist gefragt
Zeitgleich mit Eckerts Idee gab es einen Aktionstag „Inklusion“ beim Südbadischen Fußballverband. Der hat das Ziel, eine Inklusionsliga zu gründen. Jenniffer Eckert war dort, holte sich die endgültige Gewissheit, das Projekt anzugehen.
„Die Teilnahme an der Inklusionsliga ist allenfalls eine langfristige Zielsetzung. Wir wollen uns breiter aufstellen und mehr als Fußball anbieten“, verweist sie auf das Einzugsgebiet: „Das ist nicht mit dem Raum Lörrach, Freiburg oder Offenburg zu vergleichen. Es ist für uns deutlich schwieriger, eine Liga-Mannschaft zu stellen.“
Der Trainingsbetrieb erweist sich als unkompliziert. Eine spezielle Qualifikation für Betreuer und Trainer sei nicht notwendig, sagt Steffen Birlin: „Wichtiger sind Einfühlungsvermögen sowie Geduld und Verständnis für die Probleme und Bedürfnisse unserer Teilnehmer.“ Der Torwarttrainer beim SC Niederhof/Binzgen weiß als Heilpädagoge genau, worauf bei der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen ankommt. Birlin ist zwar nicht immer dabei, doch zwei, drei entsprechend ausgebildete Trainer seien immer vor Ort.

Aktive des Vereins mit dabei
„Dass aktive Spielerinnen und Spieler dabei sind, ist sehr wertvoll“, freut sich Jenniffer Eckert über die direkte Verbindung zum Regelspielbetrieb. Dieses Mal sind es Cornelia Albiez aus dem Verbandsliga-Team und Dirk Tegethoff, der frühere Trainer des Vereins sowie des FC Wallbach war, und nun regelmäßig in der „Zweiten“ spielt.

Für die Inklusionsgruppe findet das Duo Zeit und Muse: „Es macht riesigen Spaß. Sehe ich die Freude in den Gesichtern und den Eifer, mit dem die Teilnehmer dabei sind, ist das für mich zusätzliche Motivation“, betont Cornelia Albiez.
Derzeit trainieren etwa 20 Kinder und Jugendliche mit und ohne Handicap regelmäßig beim SC Niederhof/Binzgen. Besonders motiviert sind sie an diesem Tag beim Schusstraining, denn im Tor steht Max Lettau von den A-Junioren. Er muss sich manchmal strecken, um die Schüsse abzuwehren, die die Kinder nach dem Zuspiel vom Steffen Birlin mit mehr oder weniger Elan abgeben. Sichtlich Spaß haben alle Beteiligten.
Koordination steht ebenfalls auf dem Programm. Slalom um Kegel und dann ein Schuss aufs Mini-Tor. Manchmal werden die Hände zur Hilfe genommen – geschenkt. Dezente Hinweise von Dirk Tegethoff, dass alles per Fuß zu erledigen sei, werden gern überhört.
Und schon ist nach kurzweiligen 90 Minuten das Training zu Ende. An körperliche Grenzen musste niemand gehen, was gewollt ist: „Es soll hier ja kein Leistungssport stattfinden“, lacht Birlin.

Für Nadja Baumgartner aus Rotzingen und ihre zwei Söhne – einer mit körperlichem Handicap – ist damit die Premiere beendet. Das Trio aus dem Görwihler Ortsteil war zum ersten Mal in Niederhof: „Ich habe zufällig davon erfahren und dachte, dass es etwas für die Beiden sein könnte.“ Nadja Baumgartner ist begeistert: „Ein tolles Angebot, gemeinsam Sport mit einer Gruppe zu treiben.“ Trotz der weiten Anreise möchten die Baumgartners auch beim nächsten Training wieder dabei sein.
Das Einzugsgebiet für das Inklusionsprojekt des SC Niederhof/Binzgen deckt das in etwa ein Dreieck Bad Säckingen – Waldshut – Todtmoos ab. Die Resonanz ist positiv. Sowohl von den Teilnehmern selbst als auch von Familien, Freunden und anderen Vereinen.

Das Inklusionsprojekt des SC Niederhof/Binzgen ist ein Beispiel, wie der Fußball die Menschen mit und ohne Handicap zusammenbringen kann, ein Mittel zur Integration, Bildung und Freude. Primäres Ziel sei, Spaß an der Bewegung zu vermitteln, die körperlichen Fähigkeiten der Kinder zu fördern und ihnen ein Gefühl von Zugehörigkeit in der Gemeinschaft zu geben, betont Jenniffer Eckert.
Ihr geht es um die Vermittlung von Werten wie Fairness, Respekt, Toleranz und Teamgeist: „Wir sind stolz auf unsere Inklusionsmannschaft und freuen uns auf weitere spannende Erlebnisse und Begegnungen.“ Zum nächsten Training, am Samstag, 14. Oktober, um 10.30 Uhr, auf dem Sportplatz in Niederhof, lädt Jenniffer Eckert alle Interessierten ein.