Tina Fröhlich

Herr Strahlmeier, die Welt ist gerade etwas aus den Fugen geraten. Wie haben Sie die vergangenen zwei bis drei Wochen erlebt?

Ich war tatsächlich selbst betroffen. Wir sind nach dem Saisonende mit einigen Teamkollegen nach Österreich gefahren. Da hat ja noch keiner so richtig geahnt, was da auf uns zukommt. Nach der Rückkehr haben wir uns in Quarantäne begeben und ich wurde ein bisschen krank. Also habe ich mich auf das Coronavirus testen lassen, der Test war zum Glück negativ. So musste ich nur vier Tagen komplett zuhause bleiben. Jetzt aber bin ich auch weitestgehend daheim, denn es ist einfach nötig. Für mich war es aber okay, denn ich musste ohnehin meine Sachen zusammenpacken und den Umzug vorbereiten.

Wir erwischen Sie an Ihrem letzten Tag in Schwenningen. Die nächsten Wochen werden Sie in Ihrer Heimat in Gelsenkirchen verbringen. Wie wird das angesichts der Corona-Pandemie aussehen?

Natürlich wird es anders sein. Meine Wohnung dort befindet sich über der von meiner Oma. Da macht man sich schon Gedanken. Ich werde sicher sehr vorsichtig sein, hoffe aber, meine Oma sehen zu können. Man schränkt seinen Umgang mit anderen eben ein. Auch die ganzen alten Freunde werde ich erst mal nicht sehen können.

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Wie empfinden Sie generell diesen letzten Tag an dem Ort, an dem Sie die vergangenen vier Jahre gelebt haben?

Im Moment freue ich mich, dass ich mit der Wohnung fertig bin, alles geputzt und verpackt ist (lacht). Nein, im Ernst, es ist ja kein endgültiger Abschied für mich. Meine Freundin Jaqueline kommt von hier, und so werde ich immer wieder hierherkommen. Jaqueline bleibt in den nächsten Wochen erst mal noch hier und zieht dann direkt mit mir nach Wolfsburg.

Wann fiel die Entscheidung, dass Sie Schwenningen verlassen werden?

Endgültig ist sie in der Februar-Pause gefallen. Es war ein Schritt, den ich gehen musste. Ich hatte die Jahre davor den Wild Wings immer die Möglichkeit gegeben, als erste mit mir zu sprechen. Das wollte ich auch diese Saison wieder so machen. Aber von den Wild Wings kam nichts Konkretes. Ich hatte zwei Gespräche mit Trainer Niklas Sundblad. Im ersten Gespräch hat er mir gesagt, dass sie schon gerne mit zwei deutschen Torhütern weitermachen wollen. Dann habe ich zwei Wochen gewartet. Im zweiten Gespräch meinte er, dass sie vielleicht doch einen Ausländer holen wollen. Es gab aber keine Aussage zu meiner Zukunft, ob sie mit mir planen wollen oder nicht. Also habe ich mich dann auch mit den anderen Angeboten beschäftigt.

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Es gab also von Schwenningen kein Vertragsangebot?

Man hat es so ein bisschen offen gelassen. Ich zitiere mal Niklas Sundblad, der auf die Frage, ob man mich unbedingt halten wolle, lachend gesagt hat: „Ich werde jetzt keine Entscheidung treffen.“ Es gab nie eine klare Aussage. Und als das Angebot von den Grizzlys kam, musste ich einfach wissen, woran ich bin. Es hat aber niemand mehr mit mir gesprochen. Also war für mich irgendwann klar, dass es mit den Wild Wings nicht weitergeht. Ich war vier Jahre hier und habe natürlich jetzt nicht erwartet, dass man mir hier sonst was anbietet. Aber ich habe erwartet, dass man mit offenen Karten spielt. Die Jahre zuvor war das auch so. Mit Jürgen Rumrich habe ich immer sehr offen und ehrlich gesprochen. Aber das ist so offenbar in Schwenningen nicht mehr möglich, da hat sich schon einiges verändert.

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Schwenningens Geschäftsführer Christoph Sandner erklärte dazu, Zitat: „Wenn er seine Leistung wie erwartet gebracht hätte, hätten wir vermutlich mit ihm geplant.“ Wie beurteilen Sie diese Aussage und natürlich Ihre Leistung in der letzten Saison?

Was soll ich dazu sagen? Das ist schon etwas respektlos. Ich muss auch zugeben, dass ich mich mit Schwenningen, so wie sich der Klub jetzt darstellt, nicht mehr identifizieren kann. Das war in den Jahren davor ganz anders. Ich hatte nie ein Problem, hier vielleicht etwas weniger zu verdienen. Für mich hat einfach alles andere immer gepasst. Meine eigene Leistung war am Anfang sicher auch nicht okay. Wir waren alle übereifrig und das hat nicht funktioniert. Ich denke aber, dass ich für den überwiegenden Teil der Saison mit meiner Leistung sehr zufrieden sein kann.

Sie sprechen Veränderungen an. Was genau hat sich verändert?

Ich hatte immer einen guten Draht zu den Gesellschaftern. Für mich war Schwenningen immer ein familiärer Klub, das haben die Gebrüder Werner auch mitgeprägt. Man hatte immer das Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein, nicht nur irgend ein Eishockeyspieler. Man hatte eine gute Verbindung untereinander, immer einen Ansprechpartner und war offen und ehrlich miteinander. Ich habe während der Gespräche mit Wolfsburg gemerkt, wie es eigentlich laufen sollte und muss. Dabei habe ich für mich festgestellt, dass es für mich unter dieser Klubführung in Schwenningen eher nicht weitergeht. Zudem bietet Wolfsburg vermutlich sportlich bessere Perspektiven. Ich will weiterkommen, vorwärtskommen. Das wollte ich aber auch immer in und mit Schwenningen.

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Wie verlassen Sie Schwenningen – mit einem eher positiven Gefühl oder überwiegt der bittere Nachgeschmack?

Für mich persönlich bleibt schon mehr Gutes. Es geht ja darum, was man selbst daraus macht. Ich habe hier durchaus meine Ziele erreicht. Ich wollte die Nummer eins werden, wollte unter die besten Torhüter Deutschlands aufsteigen und mich in die Nationalmannschaft spielen. Das alles habe ich in Schwenningen erreicht, bin sogar Torhüter des Jahres geworden. Ich habe hier viel gelernt, bin hier erwachsen geworden.

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Die Schwenninger Fans haben gerne gesungen: „Dustin, Du bist ein Schwenninger.“ Sind Sie das, und bleiben Sie das auch?

Na ja, meine Freundin kommt aus Schwenningen, also werde ich hier natürlich nie ganz wegkommen (lacht). Ich glaube, dass bei den Fans meine Art, geradeheraus zu sein, gut angekommen ist. Ich habe mir oft die Zeit für die Fans genommen, viel mit ihnen geredet und ihnen ein paar Einblicke in die Mannschaft oder hinter die Kulissen gegeben. Ich habe das gerne gemacht. Ich werde Schwenningen in vielen Punkten immer in guter Erinnerung behalten. Ich wünsche den Wild Wings sportlich alles Gute. Ich freue mich jetzt sehr auf die neue Herausforderung und bin absolut glücklich mit meiner Entscheidung.

Fragen: Tina Fröhlich
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