Basketball, ProA: Im Spiel der Riesen ist er ein Zwerg, meist der Kleinste auf dem Parkett. Schmächtig, schmale Schultern, 185 Zentimeter groß. Doch die Großen kriegen ihn kaum zu fassen. Mit schnellen Schritten und engem Dribbling lauert er darauf, was die Verteidigung ihm anbietet und zieht daraus einen Vorteil. „Das kommt mit der Erfahrung“, erklärt Nathaniel Britt. Davon hat „Nate“, so wird er gerufen, jede Menge. Es ist jene Erfahrung, die den fachkundigen Beobachter stutzig macht und die Frage aufwirft: Was hat solch ein renommierter Spieler bei den wiha Panthers und in der ProA verloren?

Das könnte Sie auch interessieren

Egal, wo Nate Britt sich aufhält und wo er spielt, der neue Schwenninger Point Guard ist umgeben von Bewunderung für seinen eindrucksvollen Lebenslauf: Absolvent der legendären University of North Carolina, wo einst ein gewisser Michael Jordan seinen Weg zum besten Basketballer der Geschichte begann. Vier Jahre lang wichtige Säule in einer der erfolgreichsten College-Mannschaften der USA, zwei Teilnahmen am Finale der Uni-Liga NCAA, der größten jährlich stattfindenden Einzelveranstaltung im Basketball. Dies alles gekrönt durch den Gewinn der Meisterschaft 2017 im Endspiel vor 76.168 Zuschauern im Football-Stadion in Phoenix, bei dem Britt 13 Minuten lang auf dem Feld stand.

Satt gehört an diesen Lobeshymnen hat sich der 26-Jährige noch nicht. „Ich habe damit meinen Lebenstraum verwirklicht. Das ist Teil meiner Vergangenheit und hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin“, erklärt der Spielmacher. „Doch wer mich kennt, wird wissen, dass ich nicht nur auf diese Erfolge reduziert werden kann.“

Hinter dem eindrucksvollen Resümee steckt eine gebildete Person, die Verwaltungswissenschaften und Soziologie studiert hat, die über den Parkettrand des Basketballfelds hinausblickt und großes Interesse für die verschiedensten Kulturen der Welt zeigt. Vor allem verfügt Britt über eine Eigenschaft, die ihn von vielen anderen ambitionierten, in Europa spielenden US-Basketballern abhebt: Er hat gelernt, sich selbst gut einzuschätzen.

Das könnte Sie auch interessieren

Jene gesunde Selbstwahrnehmung ist auch der Grund dafür, warum Nate Britt nun das Trikot der wiha Panthers trägt. Viele NCAA-Champions spielen in der NBA oder in europäischen Topligen. Britt wiederum hat sich ganz bewusst für den Schritt in die ProA entschieden. Es ist die Konsequenz aus Erfahrungen in seiner Karriere, die nach der Zeit bei North Carolina in eine unerwartete Richtung abdriftete. Nachdem der Versuch, in der NBA-Entwicklungsliga unterzukommen, scheiterte, blieb Britt drei Jahre lang in Schottland, Argentinien und Zypern in sportlich mehr oder weniger konkurrenzfähigen Ligen unter seinen Möglichkeiten. „Ich hatte nach dem College erwartet, in besseren Ligen zu spielen“, erklärt Britt, der bereits vor drei Jahren ein Angebot aus der ProA hatte, damals allerdings noch auf eine Karriere in den USA spekulierte und sich verzockte.

Ein erneutes Risiko wollte Britt in diesem Sommer nicht noch mal eingehen. „Ich wusste, dass der Basketball-Markt aufgrund der Pandemie sehr unsicher ist und viele europäische Vereine keine Spieler unter Vertrag nehmen können. Daher hat mein Agent früh nach einer guten Situation für mich gesucht, und ist in Schwenningen fündig geworden“, erklärt Britt. „Ich verstand mich mit Trainer Alen Velcic von Anfang an sehr gut, weshalb ich keine Zeit verschwenden wollte und den Vertrag unterschrieben habe.“

Die Verpflichtung des Linkshänders, der bei Instagram fast 40 Mal so viele Follower hat wie sein neuer Verein, hob die Panthers in der öffentlichen Wahrnehmung in Basketball-Deutschland und auch sportlich auf ein neues Level. Dass er der beste Point Guard der ProA sein kann, deutete Britt am vergangenen Samstag mit einer starken Leistung und 25 Punkten an. Er selbst ist hochzufrieden mit seiner neuen Umgebung: „Gott hat mich nicht ohne Grund an diesen Ort geführt.“

Apropos Gott: Der biblische Name Nathaniel kommt aus dem Hebräischen und bedeutet sinngemäß so viel wie „Geschenk Gottes“. Es ist überliefert, dass sich Panthers-Trainer Velcic bei der Verpflichtung von Nate Britt zwar nicht mit ganz so viel Pathos, aber zumindest so ähnlich wie ein reich beschenkter Trainer fragte: „Habe ich dieses Jahr so viel Glück, dass ich Lotto spielen sollte?“