Herr Yahyaijan, am Montagabend stellte der FC 08 Villingen den bisherigen Trainer Mario Klotz frei. Wie und wann trafen Sie und der Vereinsvorstand diese Entscheidung?
Das ist kompliziert. Eine Trennung, egal im sportlichen oder privaten Bereich, ist nicht einfach. Wir haben das final am Montag entschieden, aber haben auch lange diskutiert, gerade nach dem Spiel gegen Steinbach. Wir haben die kommenden Wochen angeschaut, wie der Spielplan aussieht und viele Szenarien durchgespielt. Schlussendlich geht es aber um den Verein. Es ist aber nun mal die Tatsache, dass wir in den zwölf Ligaspielen nur einen Sieg und sieben Punkte geholt haben. Unser Eindruck war, dass es einen neuen Impuls braucht.
Vor drei Wochen haben Sie den Sportdirektor-Posten von Mario Klotz übernommen. War das schon der erste Schritt zur Freistellung?
Nein. Zu dem Zeitpunkt haben wir gemerkt, dass es in der Organisation kompliziert für ihn war, in einer Doppelfunktion zu arbeiten – das war auch ein Novum in der Regionalliga. Der Trainer muss auf dem Platz stehen und da ist man zeitlich sehr eingeschränkt. Hinzu kam, dass er anpeilt, den Trainerschein zu machen. Das war also im beidseitigen Interesse.
Wie kam es dann zur Interimslösung Adam Adamos und Reiner Scheu?
Es ging alles relativ schnell. Als wir uns entschieden haben, Mario freizustellen, war noch offen, wie es weitergeht. Wir hatten keinen Plan B in der Hinterhand. Adam Adamos hat einen eigenen Vertrag, auch wenn er mit Mario gekommen ist, und wir haben erst nach der Freistellung von Mario mit ihm gesprochen. Wir trauen ihm die Interimslösung absolut zu. Er kennt die Mannschaft und die bisherigen Prozesse und wir haben ihm Reiner Scheu an die Seite gestellt, der durch die Gegner-Analyse die anderen Teams bereits sehr gut kennt.
Wo sehen Sie die wesentlichen Gründe für das bislang enttäuschende Abschneiden?
Die ersten Spiele waren ganz ordentlich, aber man hat die Ergebnisse nicht bekommen, die man sich erhofft hat. Vor allem ab September nach dem 0:6 in Homburg ist die Formkurve nach unten gegangen. Die Euphorie war schnell verflogen und man ist schnell im Regionalliga-Alltag angekommen. Es ist für alle ein großer Sprung und die Erfahrungswerte, sowohl sportlich als auch organisatorisch, haben ein bisschen gefehlt. Weiter geht es dann mit fehlendem Spielglück, über einen nicht optimal besetzte Kader bis hin zur Verletzungsmisere. Da kam leider vieles in den vergangenen Wochen zusammen.
Wie soll der Impuls aussehen, den Sie sich erhoffen?
Leider ist es oft so, dass der Trainer der erste ist, der gehen muss, wenn es nicht läuft. Man erhofft sich dadurch, dass die Mannschaft noch mehr in die Pflicht genommen wird. Jeder hat jetzt die Chance, sich selbst noch einmal zu präsentieren. Da geht dann oft noch einmal ein Ruck durch die Mannschaft. Und wir hoffen, dass sie über Mentalität und Leidenschaft, den Abstiegskampf annimmt.
Der FC 08 Villingen feierte in den vergangenen drei Jahren mit dem Oberliga-Meistertitel, Verbandsliga-Titel und zwei Verbandspokalsiegen einige Erfolge. Dennoch gab es viele Trainerwechsel. Warum kommt keine richtige Ruhe in den Verein?
Das ist eine schwierige Frage. Aus sportlicher Sicht ist der Verein, und das nicht nur in der vergangenen Saison, immer weiter gewachsen. Gleichzeitig ist die Organisation vielleicht nicht im gleichen Maße mitgewachsen und es gab viele Veränderungen in Entscheidungspositionen, die einen großen Einfluss darauf haben, was im Alltagsgeschäft passiert. Das beginnt ganz oben: Wenn man im Vorstand viele Wechsel hat, dann trägt sich das auch nach unten durch.
Wurde die Qualität der Regionalliga unterschätzt?
Unterschätzt ist vielleicht nicht das passende Wort. Es haben eher die Erfahrungswerte gefehlt. Es sind viele Spieler und Funktionäre dabei, die das Niveau der Regionalliga nicht kannten. Wir lernen gerade Woche für Woche, dass die Klasse eine semiprofessionelle Liga ist und nicht wie die Oberliga eine reine Amateurliga. Über die Hälfte der Teams arbeitet unter professionellen Bedingungen und der kleinere Teil nicht – und da gehören wir leider dazu.
Hätte man den Kader im Sommer mehr verstärken müssen?
Wenn man rein die sportliche Situation sieht, glaube ich schon, dass es sinnvoll gewesen wäre, zwei oder drei Spieler mit Regionalliga-Erfahrung zu holen. Aber es hätte auch so anders laufen können, wenn das ein oder andere Spiel in unsere Richtung gekippt wäre.
Neben der ersten Mannschaft stieg auch die U21 in die Oberliga auf. Nun stehen beide Teams im Tabellenkeller. Hat sich der Verein mit Regional- und Oberliga zu viel zugetraut?
Sportlich haben es die beiden Teams geschafft. Die Entscheidung, mit der U21-Mannschaft aufzusteigen, wurde getroffen, bevor ich in der Verantwortung war. Klar ist es schön, dass sich die U21 in der Oberliga messen darf, aber grundsätzlich ist die U21 eine Ausbildungsmannschaft. Jetzt, nach ein paar Monaten, ist die Erkenntnis schon, dass das organisatorisch und auch finanziell ein großer Aufwand ist. Ob es sportlich für die Ausbildung der jungen Spieler aktuell sinnvoll ist, gilt es auch zu hinterfragen. Auf lange Sicht ist eine Kombination aus Regional- und Verbandsliga vielleicht besser.
Im März 2023 wurden Sie ebenfalls als FC 08-Trainer mit sofortiger Wirkung freigestellt. Inwiefern können Sie mit Mario Klotz mitfühlen?
Sehr. Ich habe mich auch in den letzten Wochen und Monaten mit ihm ausgetauscht. Auch wie zeitaufwendig diese Doppelfunktion ist, konnte ich mit ihm nachfühlen. Aber auch die sportliche Situation. Das ist auch ein großer Mehrwert, den ich in meiner aktuellen Funktion habe: dass ich die Sorgen und Gedanken eines Trainers kenne. Nach einer Freistellung ist es natürlich ein großer Einschnitt in den Alltag. Man arbeitet fast tagtäglich mit einer großen Gruppe zusammen und fällt dann von dem einen auf den anderen Tag raus. Aber aus meiner Erfahrung weiß ich, und das weiß sicher auch Mario, wer Trainer ist, dem ist auch bewusst, dass es zu einer solchen Situation kommen kann.
Gibt es schon Gespräche mit potenziellen Trainern?
Viele Personen haben sich gemeldet, seit die Information raus ist. Ich werde alle Namen durchgehen und am Ende werden wir uns auf eine kleine Anzahl konzentrieren. Wir haben ein Profil, was unser zukünftiger Trainer mitbringen sollte. Es ist aber nicht so, dass wir jetzt einen Schnellschuss machen wollen. Im besten Fall soll es ja auch eine Lösung über die Saison hinaus sein.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie selbst das Cheftrainer-Amt wieder übernehmen?
(lacht) In Villingen ist es für mich aktuell kein Thema. Ich schließe es nicht aus, noch einmal irgendwann als Trainer tätig zu sein, aber ich glaube, dass ich dem Verein in meiner aktuellen Funktion auch sehr gut helfen kann. Wobei ich auch weiß, dass sehr viele erwartet haben, dass ich die Absicht habe, wieder als Cheftrainer zu übernehmen.
Was tippen Sie für das Heimspiel am kommenden Samstag gegen die Kickers Offenbach?
Ich bin realistisch, auch ein Trainerwechsel wird nicht alles verändern. Wir treffen auf eine Mannschaft, die das Potenzial hat, in die dritte Liga aufzusteigen. Natürlich würde ich mich über einen Punktgewinn sehr freuen und hoffe, dass wir vielleicht sogar einen Überraschungssieg feiern können.