Eishockey: „Das ist frisch gestrichen, oder?“, fragt Daryl Boyle beim Gang durch die „Katakomben“ der Helios Arena. In der Tat wurde dieser Teil des Kabinengangs im Schwenninger Stadion in diesem Sommer aufgehübscht. Es ist dies allerdings nicht der Bereich, in dem sich die Wild Wings normalerweise aufhalten, sondern der des jeweiligen Gegners. Es ist kein Wunder, dass der Neuzugang den „Gegnerbereich“ immer noch etwas besser kennt als den seines neuen Arbeitgebers. Immerhin kam Daryl Boyle ganze zwölf Jahre lang als Gast an den Neckarursprung.

Das könnte Sie auch interessieren

Begonnen hatte der Mann aus British Columbia seine Karriere in Deutschland bei den Augsburger Panthern. Drei Jahre blieb er beim AEV, zwei davon als Kapitän. Dem Wechsel des damals 24-Jährigen nach Deutschland folgte zudem der sofortige Erhalt des Deutschen Passes. „Oma und Opa mütterlicherseits sind Deutsche, sie stammen aus Lampertheim bei Mannheim. Dort leben auch noch einige Cousins und Cousinen“, erklärt Boyle.

Die zusätzliche Staatsbürgerschaft brachte den Mann mit der Rückennummer sechs schließlich auch in die Deutsche Nationalmannschaft, mit der er 2018 den Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang feierte. Ein Ereignis, das er als einen der Höhepunkte seiner Karriere bezeichnet. „Ich bin unendlich dankbar für diese Möglichkeit mit der Nationalmannschaft und ich bin sehr stolz darauf, was wir erreicht haben“, erinnert sich der 45-fache Nationalspieler.

Nach zwölf Jahren in Bayern folgt nun also in mehrerlei Hinsicht eine völlig neue Erfahrung für den 36-Jährigen und seine Familie. Nach neun Jahren beim EHC Red Bull München und dem Leben in einer Großstadt stand der Umzug in den doch eher beschaulichen Schwarzwald an. „Das ist in der Tat eine sehr neue Situation. In München kannten wir uns mittlerweile gut aus, und es war natürlich ein bisschen schwer, das zurückzulassen. Aber es war ganz sicher die richtige Entscheidung für mich und meine Familie“, sagt Boyle mit Nachdruck.

Das könnte Sie auch interessieren

Verständlicherweise war es aber keine leichte Entscheidung. Immerhin feierte der Verteidiger mit den Bayern gleich fünf Deutsche Meistertitel. Zudem ist Boyle Münchens Rekordspieler, hat für die „Roten Bullen“ 514 Spiele in der DEL bestritten und bekam dafür den Spitznamen „Mr. Zuverlässig“.

Nun also der Wechsel zu einem Team aus der unteren Tabellenhälfte der DEL. „Ich werde bestimmt nicht hier sitzen und mich in irgendeiner Form beklagen. Ich bin absolut überzeugt, dass hier sehr gutes Eishockey gespielt wurde und wird. Ich wäre sonst sicher nicht hierher gewechselt“, stellt der Vater des vierjährigen Brees und des einjährigen Bray klar. Dass die Schwenninger in den letzten Jahren häufig die Playoffs verpassten, stört ihn keinesfalls. „Die Wild Wings waren letztes Jahr schon eine gute Mannschaft, aber irgendwie hat es für sie nicht sollen sein. Ich bin sehr sicher, dass wir ein sehr gutes Team haben und einen sehr guten Trainer. Es wird eine ganz andere Saison werden“, sieht Boyle nicht nur die sportliche Zukunft positiv.

Mittlerweile sind seit dem Umzug drei Wochen vergangen, die Familie Boyle lebt sich mehr und mehr ein. „Das Training und das Kennenlernen aller neuen Teamkollegen läuft sehr gut. Wir sind auch in der Stadt unterwegs, lernen die Umgebung kennen. Wir haben eine schöne Wohnung in Schwenningen, und uns gefallen beide Stadtteile. Und es ist einfach schön, dass wir jetzt so viel Neues entdecken können“, meint der letztjährige Assistenzkapitän.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch was die Fans der Schwäne angeht, hat der 1,85 Meter große und 90 Kilogramm schwere Verteidiger bereits einen ordentlichen Einblick erhalten. „Ich habe meiner Frau Dwan, die leider nicht dabei sein konnte, vom ersten öffentlichen Eistraining erzählt. Das war großartig“, freut sich die „Ex-Bayer“ schon mächtig darauf, die Heimfans „endlich auf meiner Seite zu haben“.

Erstaunlicherweise kannte der gebürtige Kanadier nur einen einzigen Profi der Wild Wings zuvor persönlich. „Ich habe vor einigen Jahren mit einem sehr jungen Sebastian Uvira zusammengespielt“, berichtet er lachend. „Wir haben uns damals schon sehr gut verstanden, und so waren wir hier auch sofort wieder sehr eng.“

Natürlich hatte er aber mit einem weiteren Bekannten einen ganz unschätzbaren Vorteil gegenüber seinen neuen Mannschaftskollegen: Headcoach Steve Walker, zuvor Co-Trainer in München, brachte seinen Defensivallrounder quasi mit von der Isar an den Neckar. „Als ich mitbekommen habe, dass Walker hierher kommt, habe ich mich sehr gefreut. Das ist sehr, sehr positiv“, meint der Rechtsschütze. Somit fällt logischerweise auch die Zielsetzung von Daryl Boyle für die kommende Spielzeit mit den Wild Wings optimistisch aus: „Die Playoffs sollten unser Ziel sein, das ist klar. Und dann ist alles möglich.“