Eigentlich war ihm gar nicht richtig bewusst, dass er beim Heimspiel gegen Augsburg zum letzten Mal als Profi auf dem Eis stehen würde. „Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, dass ich spielen würde, doch dann bin ich aufgrund einiger Verletzungen noch in den Kader gerutscht“, erinnert sich Kai Herpich. Er weiß auch noch genau, dass er eine gute Chance vergeigte, die letzte Gelegenheit, sich mit einem Treffer vom eigenen Publikum zu verabschieden. „Schade, es wäre toll gewesen, die Karriere mit einem Tor zu beenden.“ Zwei Tage später, beim Saisonkehraus der Wild Wings in Mannheim, war für Herpich kein Platz mehr im Kader. Da kamen andere zum Zug – wie so oft in der vergangenen Saison. An jenem Wochenende gab Kai Herpich offiziell sein Karriere-Ende bekannt.

Damit endete am Freitag, 6. März, ein Kapitel, dessen erste Seite bereits im zarten Alter von zweieinhalb Jahren aufgeschlagen wurde. „Ich ging mit meinen Eltern im Schwenninger Moos spazieren. Da fragte mein Vater, ob ich mir die Eishalle anschauen möchte. Da fand gerade ein Spiel der SERC-Kids statt, und ich war sofort begeistert. Eine Woche später stand ich zum ersten Mal auf Schlittschuhen. Um nicht umzufallen, schob ich auf dem Eis einen Stuhl vor mir her“, lacht der heute 25-Jährige.

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Nach einigen Jahren im Schwenninger Nachwuchs zog es Herpich nach Berlin. Mit 15 Jahren wechselte er in das Internat der Eisbären. „Ich wollten unbedingt in der Deutschen Nachwuchsliga spielen“, nennt Herpich als Grund für seinen Umzug. Zwei Jahre später folgte der Wechsel zu den Jungadlern nach Mannheim. „Dort konnte ich ebenfalls in der DNL spielen und parallel meine Fachhochschulreife erwerben.“ In Internat machte Herpich Bekanntschaft mit jenem Beruf, den er künftig ausüben wird. „In Mannheim wurde in der Schule ein Extrazweig im kaufmännischen Bereich angeboten. Das hat mich schon damals interessiert.“ Und nicht mehr losgelassen. Am 1. September wird der gebürtige Schwenninger bei einer Firma in der Umgebung eine Ausbildung als Industriekaufmann beginnen.

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In den vergangenen Monaten war bei Kai Herpich der Entschluss gereift, Schlittschuhe und Schläger an den Nagel zu hängen. Spätestens in der vergangenen Saison hatte Herpich hautnah erlebt, wie steinig der Weg als Eishockey-Profi sein konnte. Dabei hatte er sich so viel vorgenommen. „Ich war vor der Runde körperlich fit wie nie zuvor. Diesmal wollte ich es allen zeigen“, erinnert sich Herpich. Auch das leidige Gewichtsproblem hatte er voll im Griff, jenes Handicap, das ihn in all den Jahren zuvor begleitet hatte. Als sich Schwenningens damaliger Chefcoach Pat Cortina vor zwei Jahren öffentlich lobend darüber geäußert hatte, dass Herpich sieben Kilo abgenommen habe, kam das bei dem Spieler nicht unbedingt als Lob rüber. Schließlich führte ihm der Satz vor Augen, dass er zuvor einige Pfunde zu viel mit sich herumgeschleppt hatte. Herpich: „So etwas hört keiner gern.“

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Die Quälerei im Sommer 2019 zahlte sich jedoch nicht aus. Schuld daran war auch der miserable Saisonstart der Wild Wings. Schon nach der 4:10-Auftaktniederlage gegen Ingolstadt lagen bei der zuvor in höchsten Tönen gelobten Mannschaft die Nerven blank. Herpich: „Nach diesem Schock begann der Trainer bereits früh damit, auf die jungen Spieler zu verzichten. Das traf auch mich.“ 27 von 52 möglichen Spielen, null Tore und ein Assist standen für den Stürmer letztlich zu Buche – kein gutes Bewerbungsschreiben für einen neuen Vertrag.

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Und so kam es auch. Kai Herpich gehörte zu jenen Spielern, die in Schwenningen aussortiert wurden. Das allein wäre noch kein Grund für ein jähes Laufbahn-Ende gewesen. Schließlich ist der Neckarursprung nicht der einzige Eishockey-Standort in Deutschland. „Ich hätte bei einigen Klubs in der zweiten Liga spielen und gutes Geld verdienen können. Aber sich mit 25 beruflich neu zu orientieren, ist einfacher als mit 33 Jahren“, nennt Herpich als Grund, Eishockey nicht mehr länger professionell auszuüben.

Wenn er auf seine letzten vier Profi-Jahre bei den Wild Wings zurückblickt, macht sich auch Ernüchterung breit. „Abgesehen von unserer Teilnahme an den Pre-Playoffs gegen Wolfsburg waren das schwierige Jahre. Ich selbst hatte mir nach meiner Rückkehr in meine Heimat mehr erhofft, mich aber nie richtig durchsetzen können. Ich habe nie richtig Spielzeit bekommen. Und wenn ich die Chance bekam, mich zu zeigen, war die Saison meist schon bald zu Ende.“ Neben ausreichend Eiszeit vermisste Herpich auch das nötige Vertrauen, das ein Spieler für gute Leistungen braucht wie die Luft zum Atmen. Die Frage, was er heute anders machen würde, um erfolgreich zu sein, beantwortet der Angreifer so: „Ich würde vermutlich noch härter an mir arbeiten.“

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Womöglich lag es auch an seiner Spielweise, die Herpich den Sprung ins Rampenlicht verwehrte. „Ich weiß, dass ich nicht die beste Technik und nicht die besten Hände habe. Deshalb habe ich versucht, die einfachen Sachen gut zu machen.“ Das reichte letztlich nicht zum umjubelten Star in der Deutschen Eishockey Liga. Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Als in der Saison 2013/14 beim EHC München die Verletzungsliste immer länger wurde, holten die Bayern Herpich aus dem Salzburger Juniorteam an die Isar. Mit München feierte er 2015/16 auch seinen größten Erfolg: die deutsche Meisterschaft. „Gerne erinnert es ich noch an jene 18 Partien, die er in dieser Spielzeit für den Champion bestritt.

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Im Gegensatz zu ihren Fußball-Kollegen haben deutsche Eishockey-Profis nur in seltenen Fällen die Möglichkeit, nach ihrer Karriere sorgenfrei zu leben. Diese Erfahrung macht auch Kai Herpich. „Ich kann mich nicht beklagen. Finanziell war das für mein Alter in Ordnung. Aber nennenswerte Rücklagen lassen sich kaum bilden.“ Deshalb entschied er sich jetzt für einen langfristigen Beruf.

Grund, etwas zu bereuen, hat er nicht. „Wenn ich erneut die Wahl hätte, würde ich alles noch mal genauso machen.“ Kai Herpich geht nicht im Groll, im Gegenteil: „Ich werde Kontakt zu den Wild Wings halten und mir sicherlich noch einige Spiele der Mannschaft anschauen.“