Herr Yahyaijan, Der FC 08 Villingen verzeichnete in den vergangen Wochen sieben Ab- und sechs Zugänge. Haben Sie während der Winterpause schon mal solch eine Fluktuation erlebt?

Nein. Mit dem ein oder anderen Wechsel hatten wir zwar gerechnet, aber nicht in dieser Vielzahl.

Für einen Tabellenfünften ist dies ungewöhnlich, oder?

Auf den ersten Blick betrachtet, ja. Wobei jedoch jeder Fall für sich gesehen werden muss. Zum ersten Mal überhaupt hatten wir in Villingen eine gut vorbereitete und detaillierte Halbjahresanalyse. Dabei haben die Trainer nach einem strukturierten Leitfaden die Spieler bewertet, ihnen ein Feedback gegeben und ihre Erwartungshaltung kommuniziert. Als Sportvorstand war ich im Hinblick auf die auslaufenden Verträge auch dabei. In den Gesprächen kamen überwiegend private oder berufliche Gründe auf, die ausschlaggebend für eine Trennung waren. So relativiert sich das Ganze etwas. Positiv ist hervorzuheben, dass wir mit keinem Spieler im Streit auseinandergingen.

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Für Sie als Sport-Vorstand bedeutete dies sicher viel Arbeit.

Das stimmt. Jeder Wechsel, ob Zu- oder Abgang, ist mit zahlreichen Gesprächen verbunden. Mit den Spielern selbst, mit deren Beratern sowie den abgebenden und aufnehmenden Vereinen. Da kommen einige Stunden für Treffen und Telefonate zusammen. Noch dazu sprechen wir jede Personalie innerhalb der Vorstandschaft ab.

Welcher Abgang schmerzt Sie sportlich, welcher menschlich am meisten?

Da will ich gar keine großen Unterschiede machen: Mir persönlich tut jeder einzelne Abgang leid. Weil alles feine Kerle sind, die für den FC 08 alles gegeben haben. Wenn ich aber dennoch auf einen Spieler besonders eingehen soll, dann bedauere ich das Karriere-Ende von Patrick Peters extrem. Er war auf dem Platz, aber auch in der Kabine sehr wichtig für uns.

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Ist es angesichts der engen Tabellenkonstellation nicht ein gewisses Risiko, mit zwei Torhütern, die keine Oberliga-Erfahrung gesammelt haben, in die noch verbleibenden Saisonspiele zu gehen?

Als Andrea Hoxha zu uns kam, war er 19 Jahre alt und spielte zuvor in der zweiten Mannschaft des FC Winterthur. Im Gegenzug haben wir den Vertrag mit dem erfahrenen Christian Mendes aufgelöst. Dafür wurden wir belächelt, wenn nicht sogar kritisiert. Und welche Entwicklung hat Hoxha genommen? Natürlich ist ein gewisses Risiko dabei. Doch wir haben uns bewusst so entschieden. Unsere neuen Torhüter bekommen in der Rückrunde die Chance zu zeigen, dass sie eine ähnliche Entwicklung wie Andrea Hoxha gehen können.

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Obwohl noch 19 Spieltage zu absolvieren sind, dürften die ersten beiden Plätze in der Oberliga an den SGV Freiberg und die Stuttgart Kickers bereits vergeben sein. Was erwarten Sie dahinter?

Dass es genau so weitergeht wie im ersten Teil der Saison. Wenn es schlecht läuft, steigen sieben Mannschaften ab. Und da haben wir als Tabellenfünfter nur sieben Punkte Vorsprung. Deshalb erwarte ich, dass es bis zum letzten Spieltag ein Hauen und Stechen geben wird, zumal Corona noch nicht vom Tisch ist. Folgendes Szenario: Ein Team hat viele Fälle, muss dennoch spielen und verliert fünf Mal in Folge. Selbst dies kann eine Rolle spielen.

Dennoch könnte Villingen in der Tabelle wesentlich dichter an den beiden Spitzenteams dran sein, hätte man nicht zu oft gegen die vermeintlich Kleinen gepatzt. Wie erklären Sie sich dies?

Das war tatsächlich extrem ärgerlich, deshalb haben wir unsere Enttäuschung darüber auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Wenn es an der Vorrunde etwas zu kritisieren gab, dann waren es die Spiele gegen Dorfmerkingen, Ilshofen und Lörrach. Zu erklären ist dies nur mit der fehlenden Konzentration und dem Willen, dem Gegner von Anfang an den Zahn zu ziehen.

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Haben die Spieler die Kritik verstanden?

Absolut. Dennoch ist dies ein Lernprozess. Solche Spiele gibt es immer mal wieder. Bestes Beispiel ist die Niederlage von Bayern München in Bochum. Wäre alles vorhersehbar und würden sich immer die Favoriten durchsetzen, wäre der Fußball langweilig.

Hinter vorgehaltener Hand wird beim FC 08 als mittelfristiges Ziel die Regionalliga in den Mund genommen, derzeit heißt das vorherrschende Schlagwort „regional“. Sucht der FC 08 immer noch nach seiner Identität?

Für mich widersprechen sich diese zwei Dinge nicht. Mit unserem Cheftrainer Marcel Yahyaijan haben wir jemanden, der unsere Jugendarbeit schätzt und auf unsere Jugendspieler setzt. Beste Beispiele hierfür sind Leon Albrecht und Jonathan Spät. Ein Trainer muss Mut haben, so junge Spieler einzusetzen, ansonsten bringt uns unsere gute Jugendarbeit nichts. Auch Spieler wie Mauro Chiurazzi, Frederick Bruno, Dragan Ovuka, Kamran Yahyaijan, Nico Tadic oder Volkan Bak kommen aus unserem Nachwuchsbereich und haben sich zu wichtigen Stützen unserer Oberligamannschaft entwickelt. Den Weg mit unseren eigenen Jugendspielern möchten in den Vordergrund stellen. Darüber hinaus haben wir unseren Fokus noch stärker auf talentierte Spieler aus der Region gesetzt. Als dritte Säule müssen wir auch externe Akteure holen, die bereits Erfahrung und Qualität mitbringen. Diese dreigleisige Vorgehensweise ist unsere Philosophie, die wir auch die nächsten Jahre so beibehalten werden.

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Als Sport-Vorstand noch ein Wort zu den übrigen Mannschaften des FC 08 Villingen. Welches Team hat Ihnen im ersten Teil der Saison am meisten Freude bereitet?

Kurz und knapp: alle. Unsere U21 hat in der Verbandsliga eine tolle Vorrunde gespielt. Die A-Junioren sind in der U19-Verbandsliga Tabellenführer und die B-Junioren in der U 17-Verbandsliga ebenfalls ganz vorne mit dabei. Es ist ein klares Ziel von uns, dass zumindest eine der beiden Mannschaften in die Oberliga aufsteigt, gerade im Hinblick auf die bereits angesprochene Perspektive für unsere jungen Spieler.

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