Eishockey: Nein, die letzten Monate waren für Miks Indrasis wirklich nicht leicht. Der Neuzugang der Wild Wings musste so einiges ertragen. Rund um seinen Wechsel nach Schwenningen gab es viel Wirbel, in seiner Heimat Lettland wurde ihm teils heftig mitgespielt. Bereits bevor die Schwäne seine Verpflichtung bekanntgaben, hatte der KHL-Klub Spartak Moskau ihn als Neuzugang vermeldet.
Angesichts des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine sorgte diese Meldung in seinem Heimatland für viel Unmut. „Ich habe einen Vertrag mit Schwenningen, das ist alles, was ich dazu sagen kann. Ich habe zehn Jahre ununterbrochen für die lettische Nationalmannschaft gespielt und dachte, dass die Leute mich kennen. Bei den meisten Menschen war das auch okay, aber einige Reaktionen waren schon sehr schlimm. Das hat mich echt aus der Bahn geworfen“, berichtet Indrasis über schwere Wochen. So musste es sich der Familienvater unter anderem gefallen lassen, den berüchtigten Mittelfinger gezeigt zu bekommen, als er mit seinem Sohn unterwegs war. Bei Spielen der Nationalmannschaft wurde er ausgebuht. „Manche Leute haben mir auch Nachrichten geschrieben, mich beschimpft“, geht Indrasis dieses Geschehen immer noch spürbar nah.
Doch der 31-Jährige möchte nicht mehr zurückschauen: „Das liegt jetzt hinter mir. Hier geht es mir gut“, sagt er bestimmt. Am Neckarursprung fühlt sich Indrasis schon nach wenigen Wochen sehr wohl. Die Mannschaft hat den hochveranlagten Stürmer wieder aufgebaut, ihn schnell in ihre Mitte integriert. „Das kenne ich so aus der KHL nicht. Dort sieht man die Teamkollegen nur in der Eishalle, und dann geht jeder seine Wege. Hier unternehmen wir oft zusammen was, quatschen noch, essen auch abends oft zusammen“, erzählt der 524-fache KHL-Spieler. Auch die Freizeit verbringt der gebürtige Rigaer selten allein. Zwar frönt er keinem besonderen Hobby, doch ist er für alles zu haben. „Zu was ich auch immer eingeladen werde, ich bin gerne dabei“, sagt Indrasis. Lediglich das Heimkommen in seine neue Wohnung in der Doppelstadt fällt ihm nicht ganz leicht. Denn dort wartet niemand auf ihn. Sein Sohn lebt bei der Ex-Freundin in Riga, der Papa versucht, ihn dennoch so oft wie möglich zu sehen. Ende des Monats kommt der Junior zu Besuch nach Schwenningen. „Er wird das Spiel am 2. Oktober sehen können. Darauf freue ich mich natürlich unglaublich“, kann es der Vater kaum erwarten. Und berichtet auch noch stolz, dass der kleine Rauls nun in die Schule kommt.
Umso wichtiger als Wohlfühlfaktor ist das Team, allen voran Joacim Eriksson. Der Torhüter der Wild Wings hatte schon in Riga gemeinsam mit Indrasis gespielt, nahm nach der Verpflichtung sofort Kontakt zu ihm auf und kümmerte sich vor allem auch in den ersten Wochen um ihn. Dazu gab es wertvolle Informationen von Ex-SERC-Spieler und Nationalmannschaftskollege Rihards Bukarts. „Er hat nur Gutes erzählt. Dazu kamen die Gespräche mit Christof Kreutzer. Die Entscheidung für Schwenningen war wirklich nicht schwer“, so der Linksschütze. Diese hat er auch bislang keinen Tag bereut. Es ist für ihn die zweite Station in Mitteleuropa, am Ende der vergangenen war er beim EHC Biel in der Schweiz für elf Spiele unter Vertrag. „Ich hoffe, dass es diesmal länger dauert“, sagt Indrasis lachend. „Es gefällt mir sehr gut hier, und ich habe es ja selbst in der Hand.“ Die Umgebung und die kleinere Stadt gefallen ihm jedenfalls gut. „Die Eishalle ist toll, das Essen ist gut, die Fans sind klasse – das reicht mir. Ich brauche nicht viel“, erklärt der Neu-Wild-Wing.
Vor allem aber ist der Mann mit der Rückennummer 70 mächtig gespannt auf den Saisonstart. Denn nicht nur über die Doppelstadt und den Klub wusste er nicht viel, auch zur Liga kann er noch nicht so richtig viel sagen. Die Informationen kamen bislang nur aus zweiter Hand und lauteten: „Ich habe gehört, es ist eine sehr gute Liga, in der sehr aggressiv gespielt wird. Aber wie überall gibt es talentiertere Teams und welche, die über die harte Arbeit kommen. Das war auch in der KHL so. Ich kann es aber erst richtig beurteilen, wenn wir gegen jede Mannschaft einmal gespielt haben.“
Dennoch hat der 138-fache Nationalspieler so seine Erwartungen an die kommende Spielzeit. Auf ein bestimmtes Ziel festlegen will sich Indrasis dabei aber nicht. „Wir sind eine tolle Gruppe, wir haben talentierte Spieler und sehr gute Trainer. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, dass wir eine wirklich gute Saison spielen.“