„Du, ich war mal eben im Kunsthaus shoppen, aber nicht im Museumsshop…“. Falls Sie eine solche Nachricht aus dem Bekanntenkreis erhalten, sollten Sie hellhörig werden. Dem Kunsthaus Zürich sind nämlich peinlicherweise zwei Kunstwerke abhanden gekommen. Dass es um Leihgaben aus Privatbesitz geht, macht die Sache nicht besser.

Bei den vermutlich gestohlenen Bildern handelt es sich um „Soldaten im Lager“ von Robert van den Hoecke (1622-1668) und um „Narzissen und andere Blumen in Glasvase auf einer Marmorplatte“ von Dirck de Bray (ca. 1635-1694).

Gesucht: „Narzissen und andere Blumen in Glasvase auf einer Marmorplatte“, 1673 von Dirck de Bray.
Gesucht: „Narzissen und andere Blumen in Glasvase auf einer Marmorplatte“, 1673 von Dirck de Bray. | Bild: Kunsthaus Zürich
Gesucht: „Soldaten im Lager“, Mitte 17. Jahrhundert von Robert van den Hoecke.
Gesucht: „Soldaten im Lager“, Mitte 17. Jahrhundert von Robert van den Hoecke. | Bild: Franca Candrian, Kunsthaus Zürich

Der Vorfall selbst liegt bereits einige Monate zurück. Der jetzt veröffentlichte Finderlohn aber lässt erstmals seine Dimension erahnen: Sage und schreibe 10 000 Franken gibt es für Hinweise, die zur Rückkehr der Gemälde führen. Auf der Suche nach ihnen habe man das ganze Haus „wirklich mehrfach auf den Kopf gestellt“, beteuert Björn Quellenberg, der Sprecher des Kunsthauses.

Das Kunsthaus und die Polizei bringen das Verschwinden mit dem Brand in Zusammenhang, der im August vergangenen Jahres in einem der Packräume ausgebrochen war. Erst ein Feuer im Museum, dann fehlen zwei Bilder? Auf den ersten Blick mag die Erklärung allzu offensichtlich sein: Kein Wunder, dass in all dem Qualm und Chaos einer Löschaktion mit diversen Feuerwehrkräften im Einsatz so etwas passierten kann!

Kunstraub trotz modernster Sicherheitstechnik?

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn Museen der Kategorie Kunsthaus Zürich sind mit modernster Sicherheitstechnik ausgestattet, die selbst in Ausnahmesituationen wie dem Feuer von vergangenem Sommer einen Diebstahl unmöglich machen. Quellenberg sagt, es gebe ein Team „Art Handling“: ausschließlich Mitglieder dieses Teams dürften neben den Eigentümern der Werke sowie Mitarbeitenden der Restaurierung Kunstwerke anfassen und bewegen. Im Packraum selbst habe sich keine Kunst befunden und die Ausstellungsräume hätten zum Glück nur vom Rauch und Ruß etwas abbekommen.

Der Museumsshop nach dem Brand: Die Spuren von Ruß und Staub zeugen noch vom Geschehen selbst sowie von den Rettungsarbeiten.
Der Museumsshop nach dem Brand: Die Spuren von Ruß und Staub zeugen noch vom Geschehen selbst sowie von den Rettungsarbeiten. | Bild: Schutz & Rettung Zürich

Zum Zeitpunkt des Brands hingen die nun fehlenden Gemälde noch an der Wand. Die Kunsthausleitung vermutet deshalb, dass die Bilder von van der Hoecke und de Bray erst später verschwanden. Und zwar nachdem sie zusammen mit anderen Bildern der Altmeistersammlung im September in Lagerungskisten wanderten. Dabei landeten die beiden nun unauffindbaren Gemälde im gleichen Behältnis. Insgesamt mussten etwa 700 Kunstwerke aus den Ausstellungsräumen entfernt werden. In die leeren, rußigen Ausstellungsräume zogen Putzkolonnen ein. Fachleute sollten die Kisten so bald wie möglich entpacken, die Bilder von Rußablagerungen säubern und restaurieren. Sich vorzustellen, dass es unter solchen Umständen durchaus chaotisch zugehen kann, fällt nicht gerade schwer. Aber so, dass dabei zwei wertvolle Kunststücke spurlos verschwinden?

Nach einer längeren Wartezeit war dann die Altmeistersammlung mit der Restauration dran: „Als sie Ende Dezember an der Reihe gewesen wären, fehlten diese beiden kleinen Formate“, erinnert sich Quellenberg. „Plötzlich stellte sich heraus, dass eigentlich mehr Werke da sein müssten als tatsächlich vorhanden. Da wird man stutzig und denkt sich erst, die Bilder wird ein Kollege oder eine Kollegin bereits rausgelegt haben“.

Vertrauensverlust von Sammlerinnen und Sammlern?

Und jetzt sind alle wütend und fordern ihre Kunstwerke zurück? Das könnte man meinen. Doch nichts davon. Das Sammlerehepaar, das dem Museum die beiden Bilder als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt hat, zeigt sich nach Auskunft des Kunsthauses wohl erschrocken, aber dennoch verständnisvoll. Auch andere haben zwar wissen wollen, ob ihre Kunstwerke auch verschwunden seien, ließen sie aber weiterhin in den Händen des Kunsthauses.

„Seit Generationen vertrauen Sammlerinnen und Sammler dem Kunsthaus ihre Schätze an. Die Möglichkeit, dass trotz großer Sicherheitsvorkehrungen Werke derzeit nicht zu finden sind, erschüttert uns“, sagt Direktorin Ann Demeester. Auch Quellenberg betont, dass dem Museum viel daran liege, den immateriellen, emotionalen Schaden bei dem Sammlerehepaar wiedergutzumachen und für die Wiederbeschaffung der Werke zu sorgen.

„Für Finanzielles gibt‘s Versicherungen, aber wenn man weiß, wie Leute sammeln, dann sind sie jedem einzelnen Werk auch emotional zugetan. Wenn dann so ein Stück aus der eigenen Sammlerbiografie herausgerissen wird und man auch nicht weiß, in welchem Zustand es jetzt ist, dann tut das schon sehr weh.“

Nicht das erste Mal, dass ein Kunstwerk in Zürich verschwindet

Es ist nicht der einzige mutmaßliche Kunstraub, den das Kunsthaus Zürich zu verzeichnen hat: 1968 entwendete jemand ein kleines Werk von Salvador Dalí. Dieser Schreck wandelte sich jedoch nur wenige Jahre später in eine abstruse Erfolgsgesichte. Es tauchte in einer französischen Schmuckgalerie auf. Die Galeristin hatte das Bild vom Künstler höchstpersönlich bekommen.

Dalí hatte es zuvor jemandem abgekauft, der ihn bat, es zu signieren. Und dass diese Person nicht der eigentliche Besitzer war, ist dem Künstler gar nicht aufgefallen. Der war einfach froh sein Werk nach vielen Jahren wiederzusehen. Die Galeristin hatte natürlich auch keinen Zweifel, als sie das Bild von Dalí persönlich erhielt. Das Bild landete heil wieder in der Sammlung des Zürcher Kunsthauses.

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Heute leben wir aber mit Digitalisierung und Globalisierung unter ganz anderen Bedingungen, als in den sechziger Jahren. „Soldaten im Lager“ und „Narzissen und andere Blumen...“ wurden inzwischen im sogenannten Lost Art Register aufgenommen und ihre Beschreibung und Fotos über Medien geteilt. Hoffentlich erleichtert das die Suche und dem Museum kann aus der Patsche geholfen werden.

Bisher ist nichts über die Motive hinter dem mutmaßlichen Kunstraub bekannt. Also, falls Sie, liebe Lesenden, ein detektivisches Gespür haben: Halten Sie beim nächsten Flohmarktbesuch Augen und Ohren offen und melden Sie mögliche Hinweise der Polizei.