Frauen liegen und Männer stehen. Jedenfalls in der Kunst ist das so. Der liegende weibliche Akt gehört seit Jahrhunderten zu den zentralen Bildmotiven, genauso wie die Heldenfigur. Die Rollenverteilung dabei ist klar: Der Mann zieht in die Welt und kämpft um Macht, die Frau ist zuständig für Schönheit und Erotik. Der eine erobert, die andere gibt sich hin. So weit, so traditionell.

Auch der Bildhauer Thomas Schütte hat Männer und Frauen geschaffen und sie im Kunsthaus Bregenz aufgestellt beziehungsweise hingelegt. Riesige, überlebensgroße Figuren. Auf die Frage, warum seine Männer stehen und die Frauen liegen, antwortet der Bildhauer hintersinnig: „Männer, die liegen, sind tot.“ Und die Frauen? Frauen, die liegen, sind nicht tot, sondern bereit für den Geschlechtsakt. Das ist der Unterschied zwischen Mann und Frau.

Thomas Schütte hätte als zeitgenössischer Bildhauer nicht die Bedeutung, die er hat, wenn es bei ihm tatsächlich so einfach zuginge. Schon auf dem Weg durch die Bregenzer Innenstadt hin zum Kunsthaus begegnet man zwei seiner wuchtigen Männerfiguren. Der eine hat eine Fahnenstange in den Boden gerammt, der andere trägt eine Maske in der Hand. Darüber hinaus ist er gesichtslos. Ein anonymer Held. Beide Männer stecken in ihrem Sockel fest wie in einem Sumpf. Die Füße sieht man nicht mehr. Es ist zweifelhaft, ob sie zum Heldentum taugen. Sie sind wohl Kämpfer einer besonderen Art. „Sie kämpfen sich durch“, sagt Thomas Schütte lapidar.

Die Durchkämpfer

Im Kunsthaus ganz oben begegnen wir ihnen dann noch einmal, in etwas kleinerem Format – zusammen mit drei weiteren, riesenhaften Durchkämpfern. „Männer im Wind“ heißen sie, und man sieht, wie sie sich der Naturgewalt entgegenstemmen. Nicht miteinander, sondern jeder für sich. Und trotz ihrer Riesenhaftigkeit wirken sie dabei wie verlorene Gestalten. Nein, das Heldentum ist nicht jedermanns Sache.

Frauen auf Arbeitstischen

Aber auch die Frauen finden keine Erfüllung in ihrer traditionellen Rolle. Wie es die hierarchische Ordnung will, finden sie sich im Kunsthaus zwei Etagen unter den Männern. Ihre Körper werden ausgestellt auf pritschenartigen Arbeitstischen. Acht Frauen sind auf diese Weise versammelt wie in einem Lazarett. Dass Schütte die Etagen von Peter Zumthors Kunsthaus nicht als „Räume“ bezeichnet, sondern als „Felder“, wird hier besonders sinnfällig.

Die Frauenkörper sind auf den ersten Blick schön anzuschauen. Im Gegensatz zu den patinierten, mit Grünspan überzogenen Männern geht von ihnen ein buchstäblicher Glanz aus. Sie bestehen aus Stahl, Aluminium oder Bronze und sind beispielsweise schwarz, silber, lila oder in einem changierenden Goldton lackiert. Aber der äußere Schein trügt. Denn diese Körper krümmen und winden sich. Sie sind verdreht und fragmentiert, sind surreal hingegossen wie auf einem Dalí-Bild oder begeben sich in eine extrem verbogene Pose, die an ein gebratenes Hähnchen erinnert. Einer der Körper ist nur noch eine Hülle, einer anderen fehlt das Gesicht. Selten wirken sie hingebungsvoll, meistens verstört, so als wollten sie sich in sich selbst zurückziehen. Ein Held zu sein, mag nicht immer einfach sein, aber schön und verfügbar zu sein, auch nicht.

Der Mann hat Humor

Trotz allem: Thomas Schütte moralisiert nicht. Man kann seine Skulpturen als einen zynischen Kommentar auf überkommende Geschlechterbilder lesen, aber sie haben trotzdem immer etwas heiter Ironisches. Das zeigt sich auch im 2. Obergeschoss, wo Architekturmodelle von Schütte zu sehen sind. Dort überraschen etwa zwei „Ferienhäuser für Terroristen“. Bunt und fröhlich stehen sie da. Sieht so Terror aus? Vielleicht sollen die längliche, spitz zulaufende Form und die heckenflossenartige Spitze an ein Kampfflugzeug oder ein U-Boot erinnern? Schütte hingegen sagt: „Wer ein Ferienhaus hat, braucht keine Bomben zu werfen.“

Andere Modelle heißen „Haus für den schüchternen Verleger“ (formal gewagt, aber unzugänglich) oder „Basement“ (es besteht allein aus Treppen, die sich im Untergeschoss verlieren). Schütte „bastelt“ Häuser zur Entspannung, wie er sagt. Aber die Modelle werden manchmal auch Realität, etwa die Skulpturenhalle, die 2016 in Neuss eröffnet wurde.

Es ist ein ovaler, lichtdurchlässiger und federleicht wirkender Bau, für dessen gewelltes Dach sich Schütte ausgerechnet von einem Kartoffelchip hat inspirieren lassen.

Der Mann hat Humor, wenn auch einen leisen. Direkt vor das Kunsthaus hat er ein riesenhaftes Tier gestellt, dass ein wenig an Urmel aus dem Eis erinnert und unablässig Wasserdampf aus seinen Nüstern aufs Bregenzer Pflaster bläst.

Was das nun sei, sagt Schütte spitzbübisch, ob Hausdrache oder Wachhund, das wisse er selbst nicht. Fest steht, dass das Tier mit dem seltsamen Lächeln in seinem Pferdegesicht auch Kinder fasziniert. Und das ist natürlich die beste Werbung für einen Museumsbesuch.

Kunsthaus Bregenz, bis 6. Oktober, täglich 10-20 Uhr. Ab 1. September Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr. Infos: http://www.kunsthaus-bregenz.at