Ulrike Niederhofer

Fragt man den Bildhauer Peter Lenk fragen, ob er ein Provokateur ist, antwortet er mit nein: „Ich provoziere nicht, ich spiegle die Provokation.“ So zum Beispiel als er 2009 einen Riesenpenis eines Mannes an die Hochhauswand des Gebäudes in Berlin, in der die Zeitung taz untergebracht ist, anbrachte und damit einen Skandal heraufbeschwor. Denn das Gesicht des „Pimmelträgers“ erinnerte sehr an den damaligen Chefredakteur der Bildzeitung Kai Diekmann. Aber Peter Lenk wollte mit seiner überzogenen Darstellung vor allem auf die sexistische Berichterstattung der Bildzeitung aufmerksam machen, die selber in ihrem Blatt immer wieder provoziert und polarisiert. Nachdem er damit endgültig zum „Hofnarr der Republik“ wurde, kann sich Peter Lenk über fehlende öffentliche Aufmerksamkeit nicht mehr beschweren.

Die Überlinger Galerie „Fauler Pelz“ ehrt in ihrer Sommerausstellung den 70-jährigen zum runden Geburtstag mit einer fabulösen Ausstellung, in der über 60 Arbeiten präsentiert werden. Neben vielen Nachgüssen von Einzelskulpturen seiner meist sehr großen Skulpturenensembles sind auch Fotos zu sehen, welche das jeweilige Gesamtwerk in seiner ganzen Größe darstellen. So sieht man also nicht nur Modelle der beiden Begleiter der Imperia in Konstanz, Papst und Kaiser, sondern auch ein Foto der Skulptur, die heute eines der Wahrzeichen der Stadt ist.

Beim Radolfzeller „Kampf um Europa“ liegt Wolfgang Schäuble an der Spitze.
Beim Radolfzeller „Kampf um Europa“ liegt Wolfgang Schäuble an der Spitze.

Peter Lenks ausdrucksstarke und übertrieben dargestellte Skulpturen legen immer die Finger in die Wunde. Sie zeigen uns die Welt, wie sie leider oft ist, eine Welt voller Lügen, voll unerfüllter Versprechen, voll Korruption und persönlicher Bereicherung. Sie demaskieren das, was uns die Politiker vorgaukeln, sie machen uns nachdenklich, holen uns aus unserer heilen Welt und zwingen uns, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Sie sind absurd und komisch. Wir sehen Dagobert-Duck-Verschnitte, die in Geld baden und immer höhere Managergehälter kassieren, Polit-Promis, die andere kritisieren, selber jedoch keinen Deut besser sind oder Kredithaie, die wie Blutsauger das letzte bisschen Erspartes aus uns herausschinden. Historische und zeitgenössische Figuren, Mythologisches und Religiöses – vor nichts wird in Peter Lenks Werkstatt in Bodman-Ludwigshafen halt gemacht, denn das, was er in seiner Kunst zum Ausdruck bringt, hat es immer gegeben.

So wird zum Beispiel der Mythos historischer Gestalten entlarvt, und die Schweriner lernen ihren Stadtgründer, Heinrich den Löwen, in Lenks Darstellung nicht nur als erfolgreichen Staatslenker und Heilbringer kennen, sondern auch als einen, der über Leichen geht. Auf dem Biberacher Marktplatz holt Peter Lenk mit dem Wielandschen Esel die historische Geschichte eines absurden Rechtsstreits wildgewordener Kleinbürger um den Schatten eines Esels in die heutige Zeit und zeigt eine Tierfigur zusammengesetzt aus lauter einzelnen Menschen, in denen auch Helmut Kohl seinen Platz hat.

Bildunterschrift
Bildunterschrift

Auf dem Schelmenbaum in Emmingen-Liptingen sieht man in Anlehnung an den Naturforscher Charles Darwin eine Zwittergestalt aus Mensch und Gorilla mit einem Doktorhut, denn angeblich würden sich nur die Stärksten und Intelligentesten auf Dauer durchsetzen.

Jedoch auch die heutige Zeit kommt nicht zu kurz. So begegnet dem Betrachter auf einem langen Messingleiter ganz oben eine männliche Gestalt, die wie ein Akrobat über dem Ende der Stange turnt und mit einer Taschenlampe den Verfolger blendet, der wiederum mit einer Aktentasche in der Hand den nächsten Verfolger einen Fußtritt gibt. „Karriereleiter“ nennt Peter Lenk diese in Konstanz vor dem Gebäude der Computerfirma CGK aufgestellte Skulptur, denn sie entblößt das menschliche Geltungsbedürfnis und das gnadenlose Konkurrenzdenken unserer Zeit.

Eine Figur der wandfüllenden Skulptur „Friede sei mit dir“ an der Wand der taz Berlin
Eine Figur der wandfüllenden Skulptur „Friede sei mit dir“ an der Wand der taz Berlin

Die Ausstellung ist sehr umfassend und zeigt das Werk von Peter Lenk in all seinen unterschiedlichen Aspekten und versteckten Details, die man so nicht erleben würde, es sei denn, man macht sich auf einen Peter-Lenk-Rundgang und klappert nacheinander seine großen öffentlichen Figurenensembles ab. Schade ist nur, dass es wenig zu lesen gibt und dass dadurch manche Skulptur vielleicht von einem nicht übermäßig politisch und historisch informierten Besucher in seiner Aussage nicht immer ganz verstanden werden kann. Aber dann kann man sich immer noch an den grimassierten Gesichtern, den deformierten Körpern und der Ausdrucksfähigkeit der Skulpturen ergötzen und dabei laut herauslachen. Das Lachen hat eben immer auch eine anarchische Komponente, so Peter Lenk.

Peter Lenk, 40 Jahre Zoff und Zwinkern, Städtische Galerie Überlingen, bis 15. Oktober, Di – Fr 14 – 17 Uhr, Sa + So 11-17 Uhr. Infos:www.staedtischegalerie.de
Papst Martin V ist Teil der Imperia, die zum Wahrzeichen von Konstanz geworden ist.
Papst Martin V ist Teil der Imperia, die zum Wahrzeichen von Konstanz geworden ist.

Zur Person

Peter Lenk wurde am 6. Juni 1947 in Nürnberg geboren. Er studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und arbeitet zunächst als Kunstlehrer und Töpfer. Da er sich weigerte Noten zu geben, konnte er den Beruf nicht weiter ausüben. Er zog an den Bodensee, wo er seit Jahrzehnten in Bodman-Ludwigshafen lebt. Seine satirischen Plastiken, die häufig bekannte Politiker, aber auch historische Figuren oder lokale Größen zeigen, erregen überall in Deutschland Aufsehen. Die Ausstellung in Überlingen entstand zum 70. Geburtstag von Lenk. Wegen des Andrangs wird ein Besuch an denruhigeren Tagen Dienstag und Freitag empfohlen. (esd)