Herr Heidingsfelder, Sie sind von Berufs wegen Plagiatsgutachter. Was tun Sie eigentlich?

Meine Aufgabe liegt darin, dass ich mögliche Unregelmäßigkeiten in einer Doktorarbeit finde. Mein Spezialgebiet ist es, diese Plagiate – also das nicht erlaubte Abschreiben aus anderen Schriften – zu entlarven. Es gibt auch Zufallsfunde. Sobald ich auf ein Plagiat aufmerksam werde, schicke ich der Universität, an der dieser Titel unter Vorspiegelung von nicht vorhandenem Wissen erworben wurde, eine Anzeige.

Sie waren einer der ersten, der sich kritisch mit den Doktorarbeiten von Prominenten befassten und deren dünnen geistigen Gehalt auffliegen ließ. Das war damals eine regelrechte Welle. Wie kam es dazu?

Früher war es eine Angelegenheit der Universitäten. Sie soll eigentlich die Qualität der Promotionen prüfen, die innerhalb ihrer Mauern entstehen. Mit dem Fall Karl Theodor zu Guttenberg – er hatte komplette Absätze kopiert – wurde schnell klar, dass manche Universitäten eine Überprüfung nicht leisten. Damals wurden wir aktiv.

Nach diesem und anderen prominenten Fällen überprüfte ich weitere Doktorarbeiten, diesmal erstmals gegen Honorar. Am Anfang war ich noch unbeholfen, da ich häufig an der falschen Stelle suchte. Inzwischen habe ich mein Hirn so weit trainiert, dass ich an der richtigen Stelle forsche und schnell fündig werde. Man benötigt also Spürsinn und natürlich die richtige Software.

Warum nur werden die beiden Buchstaben vor dem Namen in der Öffentlichkeit und in der Politik so hoch gehandelt?

Für die Parteien ist es wichtig, Kompetenz darzustellen. Dafür ist ein Doktortitel ideal, er kann Expertise vorgaukeln. Ich denke, dass man in der Politik mehr Leute benötigt, die aus innerer Überzeugung arbeiten und nicht aufgrund akademischer Dekoration. Für mich sind diese Titel im Bereich Politik überflüssig.

Aber die Frage bleibt doch: Woher der unerschütterliche Respekt vor dem Doktortitel?

Das ist historisch bedingt. Das Recht, einen Doktor zu verleihen, wurde den Universitäten bereits im Mittelalter übertragen. Damit wird ein Mensch in den akademischen Stand erhoben. Das ist eine enorm wichtige Aufwertung, die Krönung einer bürgerlichen Karriere sozusagen. Der Inhaber oder die Inhaberin dieses Titels werden befördert – das Gegenstück zum Adelstitel. Die Welt wird dadurch auch geordneter und leichter. Titel schaffen ein Oben und Unten. Das ist für den gesellschaftlichen Durchblick hilfreich.

Als der damalige Minister Guttenberg entthront wurde, arbeiteten Sie noch ehrenamtlich. Inzwischen machen Sie es für Geld.

Ja, damit bestreite ich meinen Lebensunterhalt. Das ist ein ordentliches Honorar, das ich nehme, im Moment sind es 300 Euro pro Stunde. Ich überlege aber, ob ich den Stundensatz erhöhe, um die Inflation aufzufangen. Für eine Vorprüfung stelle ich 600 bis 1000 Euro pauschal in Rechnung. Das ist etwas günstiger, weil der Kunde erst einmal wissen will, ob sich eine Prüfung lohnt.

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300 Euro sind ein stolzer Stundensatz.

Meine Kunden sind bereit, das auszugeben. Schließlich ist eine Promotionsurkunde ein wichtiges Dokument.

Sind Sie denn selbst promoviert?

Nein, ich habe es ein paarmal versucht, aber dann rannte mir immer die Zeit davon.

Eigentlich müsste Sie ein „Dr.“ vor dem Namen doch reizen. Als Feind aller Leichtbau-Doktorate können Sie selbst eine Muster-Promotion vorlegen?

Für mich wäre eine Promotion mittlerer Qualität kein Problem. Allerdings würde ich eine exzellente Arbeit anstreben wollen, und genau dafür habe ich keine Zeit. Ich bin im Schreiben auch gar nicht so gut. Meine Aufgabe ist es, die Fehler anderer bloßzulegen.

Es gibt Analysen von Promotionen, da lagen Sie schon einmal falsch.

Stimmt. Man muss immer darauf achten, dass man nicht Plagiate sieht, wo gar keine vorliegen. Das ist eine gewisse Schwäche, wenn man sich regelmäßig mit dem Thema beschäftigt.

Nochmals zum Technischen: Arbeiten Sie mit Computerprogrammen?

Die erste Suche läuft standardmäßig über eine Software, die ich einsetze. Sie durchforstet in einem ersten Arbeitsschritt den gesamten Text. Davor muss der Text erst einmal digitalisiert werden, sofern er nur in Buchform vorliegt, wie das fast immer bei älteren Promotionen der Fall ist. Die Software lasse ich über den Text laufen. Sie schlägt bestimmte Stichworte vor.

Ein Beispiel: Jemand verwendet in einer Arbeit 40-mal den Namen „Heidingsfelder“. In der Suchfunktion gebe ich dann „Heidi“ ein und schaue mir die aufgefundenen Stellen an und prüfe: Stimmen die Seitenangaben zu den Zitaten und wird fehlerfrei zitiert? Nach diesem ersten Durchlauf kann ich dann schon eine erste Entscheidung treffen: Lohnt es sich, diesen Fall weiter zu verfolgen? Oder nicht? Diese Voruntersuchung ist für den Auftraggeber wichtig, um über eine weitere Untersuchung zu entscheiden.

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Die Hochschulen sind über Ihre Nachforschungen eher befremdet. Sie sehen in Ihnen einen unliebsamen Konkurrenten.

Was ich mache, ist harte Arbeit. Es gibt genügend Kunden, die nicht das Geld haben, mehr als die Voruntersuchung zu bezahlen. Ob die Universität das dann weiter verfolgt, liegt nicht in meiner Hand.

Es gibt Hochschulen in Bayern, die kein Interesse daran haben, einen Verdacht auf Plagiate weiter zu verfolgen. In Regensburg registriere ich einen spürbaren Unwillen, den von mir angezeigten Verdachtsfällen auf den Grund zu gehen.

Wer sind Ihre Auftraggeber?

Das ist ganz verschieden. Es kommt im Prinzip jeder infrage, der einen Herrn oder eine Frau Doktor zum Freund hat. Bei mir rufen inzwischen Professoren an und bitten mich um die Kontrolle einer akademischen Arbeit. Sie sagen, dass ich das besser könne.

Häufig wird vermutet, dass es politische Auftraggeber seien, um den Vertreter einer anderen Partei in ein schlechtes Licht zu rücken. So einfach ist es aber nicht. Meist erteilen mir Unternehmer einen Prüfauftrag oder Privatleute. Auch Studenten kommen zu mir, dann prüfe ich die Arbeiten, die sie selbst verfasst haben. Dazu gebe ich eine Stellungnahme ab.