Die Bodenseehalbinsel Höri, das Gasthaus „Hirschen“ und als zentrale Figur eine Frau, die den Laden alleine schmeißt: Im zweiten Teil ihrer Jahrhunderttrilogie „Die Frauen vom See“ wiederholt Gaby Hauptmann zwar nicht die gleiche Geschichte, aber Parallelen sind offenkundig. Selbst der Widersacher, der zuvor schon Anna das Leben schwer gemacht hat, treibt erneut sein Unwesen. Hauptfigur ist nun Maria, Annas älteste Tochter.

Die Handlung beginnt 1950. Maria ist Kriegswitwe und soll nach Ansicht ihres Vaters die Verantwortung für den „Hirschen“ übernehmen, selbstverständlich mit passendem Gatten an ihrer Seite. Er hat schon einen ausgesucht: Karl ein hochanständiger Kerl und zudem ein stattliches Mannsbild. Maria fühlt sich zwar viel stärker zu dem künstlerischen Freigeist Horst hingezogen, doch ein Kant-Zitierer ist ziemlich das Letzte, was der „Hirschen“ braucht, also fügt sie sich – Karl, der sie aufrichtig liebt, kann sein Glück kaum fassen.

„Traum vom besseren Leben“ hat die Allensbacher Autorin das Buch genannt, und damit ist der Tonfall gesetzt: Schon Anna hatte eine andere Seite, die sie in zaghaften Ansätzen ausleben konnte. Ihrer Tochter ergeht es angesichts eines Arbeitsalltags rund um die Uhr kaum besser; Glück ist in ihrem Lebensentwurf anscheinend nicht vorgesehen. Immerhin erwidert Maria im Verlauf der Ehe Karls Gefühle, und alsbald tummelt sich wieder eine Kinderschar rund ums Lokal.

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Den großen Unterschied zwischen den beiden Romanen bildet die ausgesparte Zwischenzeit: Das Kapitel „Zweiter Weltkrieg“ hätte im Rahmen der auf authentischen Ereignissen basierenden Familiensaga vermutlich für ein eigenes Buch gereicht. Zunächst erweckt die Handlung den Eindruck, als habe sich Hauptmann, deren Erzählungen doch stets ein positives Lebensgefühl vermitteln wollen, vor diesem düsteren Kapitel der „Hirschen“-Historie gedrückt.

Mit zunehmender Lektüre erweist sich die Leerstelle jedoch als geschickter dramaturgischer Einfall, denn nun kann Hauptmann nach und nach einstreuen, was sich in jenen Jahren auf der Höri zugetragen hat und weshalb Marias viel zu früh verstorbene Mutter letztlich ein weiteres Kriegsopfer war. Und nicht nur das: Die braunen Seilschaften funktionieren immer noch. Als die Familie mit den französischen Besatzern eine neue Klientel fürs Lokal entdeckt, gelten sie im Dorf prompt als Verräter.

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Das Buch ist wie stets bei Hauptmann mit kleinen Erotika gewürzt, und gegen Ende wandelt es sich sogar kurz zum Krimi. Leider bleibt sie auch ihrem Steckenpferd der abgenutzten Sprachbilder treu. Wäre das Buch ein Schulaufsatz, gäbe es auf jeder zweiten Seite einen roten Anstrich mit dem Vermerk „Ausdruck“. Das ist schade, zumal die Trilogie offenkundig mehr sein will als bloß eine Strandlektüre. Band drei soll im Herbst 2025 erscheinen.

Gaby Hauptmann: „Die Frauen vom See: Traum vom besseren Leben“. Piper-Verlag, München. 384 Seiten, 17 Euro.