Wer Peter Lenk einlädt, der weiß, wen er sich ins Haus holt. Das gilt besonders für Überlingen, wo der berühmte und auch berüchtigte Bildhauer schon zwei Mal ausstellte und sein Stil wohlbekannt ist. Bei der aktuellen und dritten Werkschau mit Bilderhauereien des Bodmaners harzt es gewaltig. Peter Lenk ärgert sich über die fast nicht vorhandene Werbung der Stadt für seine Werke. Er spricht von Sabotage.

Wer durch die belebte Innenstadt zieht, wird kaum Hinweise auf die Ausstellung „Das trojanische Pferd“ finden. Der Grund lässt aufhorchen und ist ein erster Hinweis darauf, dass es zwischen dem Künstler und der Stadtspitze knarzt: Die fertigen Prospekte und Flyer waren bereits gedruckt – und wurden wieder eingestampft.

Das ergaben Recherchen der Lokalredaktion des SÜDKURIER in Überlingen. Was sagt die Stadt dazu? Sie spricht von einem „längeren Prozess, der innerhalb der Stadtverwaltung Überlingen abgestimmt wird“ – eine Auskunft, die nicht besonders aussagekräftig ist. Das sei im Übrigen „in Absprache mit dem Künstler“ geschehen, teilt die Sprecherin der Stadt weiter mit.

Peter Lenk sagt das Gegenteil. Nein, er sei entsetzt gewesen, dass man die markanten Werbematerialien habe verschwinden lassen. „Das ist ein dicker Hund“, sagt er am Telefon in gewohnter Deutlichkeit. Natürlich habe er mit einem deftigen Prospekt für die Schau werben wollen, was sonst.

Plötzlich war es der Stadt zu heikel

Was bisher wie ein Streit um Details aussieht, hat einen handfesten Grund: Der Überlinger Verwaltung war die ganze Sache politisch zu heikel. Peter Lenk wollte den Streit um den Stuttgarter Bahnhof S 21 in den Mittelpunkt stellen. Auf dem Prospekt war der Kopf von Winfried Kretschmann zu sehen, kombiniert mit der Aufschrift: „In einer Demokratie entscheidet nicht die Wahrheit, sondern die Mehrheit.“ Beides wurde von der Verwaltung kassiert – und zwar nicht im Einvernehmen mit dem Bildhauer.

Ohne Politik kein Lenk. Dieser Putto ist Teil des Trojanischen Pferdes, er stellt Erwin Teufel dar.
Ohne Politik kein Lenk. Dieser Putto ist Teil des Trojanischen Pferdes, er stellt Erwin Teufel dar. | Bild: Fricker, Ulrich

Auch ein Blick auf die städtische Homepage bestätigt, dass die Kommune das Trojanische Pferd des Peter Lenk fein einzäunen wollte – oder gleich auf Pony-Format reduzieren. Das Reizwort „Stuttgart 21“ fehlt völlig. Dabei ist der laufende Umbau des Hauptbahnhofs die Vorlage für die große Figurengruppe mit dem fast nackten Kretschmann in der Mitte.

Ohne „S21“ ergibt das Ensemble keinen Sinn, es hängt buchstäblich in der Luft. Fast peinlich kommt die Begründung der Stadt daher: „Es handelt sich um eine Kunstausstellung, nicht um eine politische Veranstaltung“, teilt sie dieser Zeitung mit. Dabei lässt sich die politische Provokation bei Lenk nicht von seiner Kunst trennen. Wer Lenk bestellt, erhält derbes und politisches Material zuhauf und keine gemalten Blümle.

Weniger Besucher als erwartet

Oberbürgermeister Jan Zeitler (SPD) hat sich dazu bisher nicht geäußert. Es spricht aber vieles dafür, dass er hinter der verunglückten Zähmungs-Kampagne steht. „Der OB will einen guten Eindruck bei der Landesregierung hinterlassen,“ vermutet Lenk. Der SPD-Politiker duckt sich bisher hinter seinen Mitarbeitern. Kulturamtschef Michael Brunner kann dazu nichts weiter sagen, dabei hat er die Ausstellung für Überlingen an Land gezogen. Es bleiben die Einlassungen der Pressesprecherin, sie wirken unbeholfen und durchsichtig.

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Bisher haben 8000 Besucher die Präsentation der Werke mit dem Schwerpunkt Stuttgart 21 gesehen. „Wir hoffen auf 15.000 Besucher“, schreibt die Stadt tapfer. Das klingt eher mager, von einem „kläglichen Besuch“ spricht Peter Lenk, der eigentlich mehr Zuseher wollte. Die Erwartungen lagen um ein Vielfaches höher. Der Künstler hoffte auf 45.000 Kunstfreunde. Zum Vergleich: 2017, als seine Büsten und Reliefs zuletzt im Faulen Pelz gezeigt wurden, kamen 26.000 Gäste, davon 22.000 zahlend. Doch selbst wenn die aktuelle Präsentation weit zurückbleiben sollte, spricht die Stadtverwaltung wörtlich von einem „Erfolgsprojekt“.

Will die Stadt nicht anecken?

Über derartige Kommentare kann Peter Lenk nur den Kopf schütteln. Er hatte viel Arbeit mit der Vorbereitung, stellte eigens einen Gehilfen ein, um adrette Abgüsse zu fertigen. Nun kommt er sich vor wie ein Haifisch, dem man die Zähne herausgenommen hat, damit er nur niemanden beißt. Dabei liegt gerade in der satirischen Bissigkeit die Qualität seiner Komödienspiele. Die Stadt wollte bei niemand anecken und schon gar nicht beider Landesregierung und reduzierte es auf ein nettes Figurenkabinett. Das Trojanische Pferd wurde vorsorglich kastriert, damit in Stuttgart niemand aus der Kutsche fällt.