Zunächst war es nur ein Kredit. 35 Millionen Euro hatte die Familie Hastor Alno gewährt. Dann erwarb das Familienunternehmen im August über seine Beteiligungsfirma Tahoe vom Alno-Ankeraktionär Whirlpool den Zugriff auf ein 14-Prozent-schweres Aktienpaket. Mit mehreren Alno-Aktionären, darunter Alno-Chef Max Müller, wurde dann im Oktober eine Stimmrechtsvereinbarung geschlossen. Diese legt die Kontrolle über zusätzlich rund 16,5 Prozent der an die Alno-Aktien gekoppelten Stimmrechte in die Hand von Tahoe. Drei Alno-Aufsichtsräte legten daraufhin ihre Mandate nieder. In Summe hat der bosnische Familienclan damit schon heute Zugriff auf gut ein Drittel der Alno-Anteile oder auf deren Stimmrechte.
Nun treibt Tahoe die Machtübernahme bei Alno weiter voran und übt Druck auf das Management von Alno aus. Wie Tahoe mitteilt, will das Unternehmen weitere Alno-Anteile erwerben. "Die breite Produktpalette mit den etablierten Marken Alno, Wellmann und Pino bietet eine einmalige Ausgangsbasis für die erforderliche Neuausrichtung und Modernisierung des Unternehmens", heißt es in einer Mitteilung von Tahoe. Die Pointe der Mitteilung findet sich im letzten Satz. "Tahoe erwartet, dass das Management der Alno AG schnellstmöglich ein Konzept zur erfolgreichen Restrukturierung des Unternehmens erarbeitet", heißt es dort. Die Wettbewerbsfähigkeit im Inland solle gestärkt und das Wachstumspotenzial im Ausland besser genutzt werden.
Darüber, was unter dieser Forderung konkret zu verstehen ist, rätselt man noch bei Alno. „Es ist klar, dass sich bei uns etwas ändern wird. Aber wir müssen abwarten, bis wir die Details kennen. Alles andere wäre Spekulation“, sagt Alno-Betriebsratsvorsitzende Waltraud Klaiber. Auch in der Presseabteilung bei Alno hält man sich bedeckt. "Wir arbeiten an einer Stellungnahme und werden uns in den nächsten Tagen zu dem Übernahmeangebot äußern", heißt es aus der Konzernzentrale in Pfullendorf. Zum ersten Übernahmeangebot vom Oktober hatte sich das Management noch positiv geäußert. Das Übernahmeangebot sei ein "großer Vertrauensbeweis in die Leistungsfähigkeit unseres Unternehmens", schrieb Müller in einem offenen Brief an die Alno-Belegschaft.
Alno hat eine lange Geschichte von Restrukturierungen und Kostensparprogrammen hinter sich (siehe Chronologie rechts). Der Insolvenz entkam der Küchenhersteller nur knapp. Mit verschiedenen Strategien hat Alno zuletzt versucht, wieder schwarze Zahlen zu schreiben und sah sich – so die öffentliche Selbsteinschätzung – auf einem guten Weg zu diesem Ziel. Insofern stellt sich die Frage, in welche Richtung neue Restrukturierungen gehen können. Denn das Unternehmen befindet sich seit dem Börsengang 1995 in einer Dauerphase der Restrukturierung.
Sicher sind bisher nur die Rahmenbedingungen des Übernahmeangebots. Wie aus den von Tahoe vorgelegten Unterlagen hervorgeht, sollen die Alno-Aktionäre 50 Cent je Papier bekommen. Eine erste Annahmefrist läuft bis zum 14. Dezember, danach gibt es noch einen zweiten Zeitraum vom 22. Dezember bis zum 4. Januar 2017.
Ein interessantes Detail des Übernahmeangebots ist, dass neben Tahoe mit der Brillant 1953 AG noch ein zweiter Bieter auftritt. Dadurch will Tahoe vermeiden, mehr als 50 Prozent der Alno-Aktie zu übernehmen. Denn bei einem Kontrollwechsel hätten Kapitalgeber das Recht, von Alno die sofortige Rückzahlung von Anleihen zu verlangen. Am wahrscheinlichsten ist also die Konstellation, dass Tahoe 49,5 Prozent der Anteile übernimmt und Brillant weitere Alno-Aktien, um so die Kontrollwechsel-Klausel zu umgehen.
Die Firma Brillant 1953 ist in der Branche ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Laut Handelsregister hat die Firma ihren Sitz in Eschwege (Hessen) und wurde – anders als es der Firmenname vermuten lässt – erst vor zwei Jahren gegründet. Brillant verfüge über eigenes Vermögen und hänge nicht finanziell mit Tahoe zusammen, heißt es aus dem Umfeld von Tahoe. Man habe bereits mehrfach erfolgreich mit Brillant zusammengearbeitet und sich deshalb entschieden, zusammen eine Bietergemeinschaft für Alno zu bilden.
Auch wenn Tahoe durch neue Strukturen, das Potenzial von Alno besser ausnutzen wolle, plane der Finanzinvestor keinen Stellenabbau, heißt es aus dem Umfeld von Tahoe. Auch am Unternehmenssitz in Pfullendorf solle nicht gerüttelt werden.
Wer steckt hinter Tahoe?
Die Tahoe Investors GmbH gehört zur Prevent-Gruppe, die wiederum der bosnischen Familie Hastor gehört. Mittlerweile hat der 1951 geborere Firmengründer Nijaz Hastor die Leitung an die beiden Söhne Kenan Hastor und Damir Hastor übertragen. Das Hastor-Firmenimperium, das mit rund 12 000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro erwirtschaftet, ist in Dutzenden Unterfirmen organsisiert. Die Gruppe macht ihre Geschäfte unter anderem im Automobilbereich, mit Arbeitsbekleidung, im Designbereich und mit Holzbearbeitung. Im Sommer wurde die Prevent-Gruppe durch einen Lieferstreit mit Volkswagen bekannt. (td)
Seit dem Börsengang ging es bergab
Alno kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. In den letzten Jahren ging es vor allem in eine Richtung: abwärts.
- Der Börsengang: 1995 ging Alno an die Börse. Die Aktie wurde für 59 Deutsche Mark ausgegeben. Heute steht die Aktie bei etwa 48 Cent.
- Arbeitsplatzabbau: Ende der 90er-Jahre arbeiteten noch 2450 Menschen in Pfullendorf. In einer ersten Entlassungswelle wurden 1998 über 350 Arbeitsplätze abgebaut. Heute arbeiten noch 750 Menschen am Unternehmenssitz.
- Drohende Insolvenz: 2002 stand Alno kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Im Restrukturierungs-Programm „Futura“ wurden weitere 180 Arbeitsplätze gestrichen.
- Zarte Hoffnung: Nach sieben Jahren Verlust erwirtschaftete Alno 2004 wieder Gewinne (3,7 Millionen Euro).
- Neue Konzernzentrale: Der neue Chef Jörg Deisel kündigte 2009 an, die Konzernzentrale nach Düsseldorf zu verlegen. Hunderte Arbeitsplätze sollten in Pfullendorf wegfallen. Alno-Mitarbeiter und die Stadt protestierten.
- Rückkehr nach Pfullendorf: Nach internen Differenzen über den Kurs des Unternehmens wurde Max Müller zum Vorstandsvorsitzenden gewählt. Dieser verlegte den Sitz 2011 wieder zurück nach Pfullendorf.
- Zukauf: Durch den Erwerb des Schweizer Küchenherstellers AFP Küchen im Jahr 2014 erhofft sich Alno eine Steigerung von Marktanteilen und Umsatz. Doch Alno schreibt weiter rote Zahlen. Die Aktie sinkt.
- Aktuelle Entwicklung: Aktuell beschäftigt Alno weltweit 2100 Mitarbeiter. Der Umsatz betrug 2015 gut 520 Millionen Euro.