„Schornsteinfegerin?“, fragt Antje Hauck am Telefon mit dem SÜDKURIER und lacht, „nee ich bin Kaminkehrer. Das ‚in‘ am Ende lasse ich lieber weg, das ist mir zu lang.“ Es sind Worte, die manch Feminist gar nicht gern hört. Doch was sind schon Worte gegen Taten? Und bei Antje Hauck, selbstständige Schornsteinfegermeisterin aus Radolfzell, haben wir es mit einer Frau zu tun, die eine klassische Männerdomäne nicht nur betreten, sondern gebrochen hat.

So zumindest verkündete es 2007 ein Wochenblatt in einem winzigen Artikel. Darin hieß es weiter: „Wie die Schornsteinfegerinnung mitteilt, gibt es nun seit April die erste Bezirksschornsteinfegerin im Bezirk Südbaden. Antje Hauck ist die erste Kollegin in diesem Beruf, der bisher eine Männerdomäne zu sein schien.“

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15 Jahre später zählt die Innung in Freiburg 197 Mitgliedsbetriebe. Neben Antje Haucks gibt es nur eine weitere Firma, die von einer Frau geführt wird. Auch deutschlandweit sind Schornsteinfegerinnen die Ausnahme: Laut Daten der Agentur für Arbeit sind von den etwa 9000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Schornsteinfegern nicht einmal 1000 Frauen. Grund genug, Antje Hauck einen Besuch in Radolfzell abzustatten. Was macht sie anders als andere und wie fühlt sich das an, eine Männerdomäne zu „brechen“?

Papierkram, das gehört einfach dazu, wenn man eine Firma führt: „Es ist mehr geworden über die Jahre – durch neue Gesetze ...
Papierkram, das gehört einfach dazu, wenn man eine Firma führt: „Es ist mehr geworden über die Jahre – durch neue Gesetze und Vorschriften“, sagt sie. | Bild: Eva Marie Stegmann

Die 53-Jährige lebt mit Mann und Sohn Leon nur ein paar Hundert Meter vom Böhringer See entfernt. Außen am Haus hangelt sich eine Wendeltreppe ins Obergeschoss, wo Antje und ihr Mann Jörg Hauck ihr Büro haben. Am Eingang grüßt eine kleine Schornsteinfegertonfigur. Drinnen sitzt Antje Hauck am Schreibtisch. „Hier bin ich eigentlich nicht so gern“, sagt sie zur Begrüßung und grinst, „lieber klettere ich aufs Dach und werde kohlrabenschwarz.“

Warum ihr Berufswunsch fast nicht geklappt hätte

Für den Termin hat sie trotz Bürotag ihren Kehranzug mit Zylinder angezogen, die goldenen Knöpfe am Revers der dunklen Jacke reflektieren in der Sonne. Das Gold anzufassen, soll Glück bringen.

Bild 2: Sie war Südbadens erste selbstständige Schornsteinfegerin: Wie Antje Hauck eine Männerdomäne brach
Bild: Eva Marie Stegmann

Glück – damit begann ihr Vorstoß in die Männerdomäne 1986. Sie lebte damals mit ihrer Mutter bei Köln in Troisdorf. Fast wäre ihr Berufswunsch daran gescheitert, überhaupt einen Meister zu finden, der Frauen ausbildet, erzählt sie. Doch es klappte, obwohl sich Antje Haucks Eltern und ihre Lehrer und eigentlich jeder andere insgeheim etwas anderes gewünscht hätte – ist sie sicher.

Zwischen Überraschung und Entsetzen

Die Reaktionen ihres Umfelds auf den Traumberuf changierten zwischen Überraschung und – vor allem bei ihrer Mutter – Entsetzen. „Doch ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, seitdem ich davon in der Berufsorientierung gehört hatte. ‚Boah‘, dachte ich, ‚das wär cool. Man kommt raus, hat mit Menschen zu tun und klettert.‘ Ich ließ mich davon nicht abbringen.“ Sie startete als einzige weibliche Auszubildende der Innung Köln, sagt sie. „Die männlichen Azubis haben alle überrascht geschaut, aber nur am Anfang, dann habe ich bewiesen, dass ich es genauso gut kann.“

Antje Hauck und ihr Mann sammeln Schornsteinfeger in allen Variationen: Als Teddys, aus Ton, als Schlümpfe, als Clowns. Der Schrank im ...
Antje Hauck und ihr Mann sammeln Schornsteinfeger in allen Variationen: Als Teddys, aus Ton, als Schlümpfe, als Clowns. Der Schrank im Büro ist voll davon. Und er ist nur ein Teil der Sammlung, wie Antje Hauck verrät. | Bild: Eva Marie Stegmann

Im Nachhinein betrachtet, war das Schwierigste für Hauck nicht die Ausbildung oder die Meisterschule oder 2008 die Selbstständigkeit. Sondern die anfänglichen Reaktionen des Umfelds darauf auszuhalten. Für sie hat es sich gelohnt:

„Ich liebe meinen Beruf, ich wusste immer, dass es das richtige für mich ist. Dann staunen die anderen eben, na und? Sie müssen den Beruf ja nicht machen. Sondern ich. Und das würde ich auch jedem raten: Wenn ihr wisst, was ihr wollt, lasst euch nicht von anderen beeinflussen.“
Antje Hauck, Schornsteinfegerin

Die 17 Jahre in Ausbildung und Anstellung hat Hauck als von interessanten Aufgaben und Begegnungen geprägte Zeit in Erinnerung. Ihren Mann Jörg, der gebürtig aus der Ravensburger Ecke kommt, lernte sie während der Meisterschule kennen. 2007 zog sie mit ihm an den Bodensee, 2008 machte sie sich selbstständig. Ihr Mann war zunächst bei ihr angestellt, bis er ebenfalls in die Selbstständigkeit ging.

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Mit zwei Mitarbeitern kehrt sie nun in Böhringen, Radolfzell-Nordstadt und auf der Mettnau Kamine, besichtigt als zuständige Bezirksmeisterin Feuerstellen oder berät, wie die Kunden Energie sparen können. Ihr Ehemann hat einen Mitarbeiter und einen eigenen Kehrbezirk in unter anderem Steißlingen, doch die beiden führen den Betrieb als Team. Und wo ist er?

„Es gibt keine klaren Rollen“

„Der baut gerade mit dem Junior Flieger zusammen“, sagt sie. Wo wir gerade dabei sind: Wie machen es eigentlich zwei Selbstständige mit Hausarbeit, Unternehmen und Kind? „Wir ergänzen uns, es gibt keine klaren Rollen. Mein Mann kocht zum Beispiel gern und ist oft mit dem Jungen unterwegs, weil er halt ein Bub ist. Ich bin dann in anderen Sachen wieder gefragt.“ Das Sagen in dem Sinne habe keiner. „Das finde ich auch wichtig, dass man Dinge gemeinsam entscheidet und macht. So soll es doch sein, oder nicht?“ Damit beide Zeit für ihren 12-Jährigen haben, stehen sie früh auf – und hängen am Abend Bürozeit an.

Antje Hauck.
Antje Hauck. | Bild: Eva Marie Stegmann

„Ich sag mal, bis er in den Kindergarten kam, war es nicht leicht“, gibt Hauck zu. Die Großeltern waren nicht in der Nähe. „Da mein Mann noch bei mir angestellt war, nahm er die Elternzeit. Und wenn es Termine gab, die ich selber machen musste, dann habe ich den Kleinen eingepackt.“ Die Kunden habe das nicht gestört, im Gegenteil. „Manche erzählen heute noch wie süß das war, damals, als der Junior im Maxicosi geschlafen hat.“

Sie wünscht sich ein Umdenken in Bezug auf Mutterschaft

Insgesamt wünscht sich Antje Hauck in den Betrieben ein Umdenken in Punkto Mutterschaft. „Wir hatten als Selbstständige die Flexibilität. In vielen Betrieben wird es noch immer als Risiko gesehen, eine Frau einzustellen, die schwanger werden könnte. Ich finde, das ist ein gesellschaftliches Problem, das angegangen werden muss, auch politisch.“

Bild 5: Sie war Südbadens erste selbstständige Schornsteinfegerin: Wie Antje Hauck eine Männerdomäne brach
Bild: Eva Marie Stegmann

Bis zur Änderung des Schornsteinfeger-Handwerksgesetz 2013 war es sogar so: Kaminkehrerinnen, die Kind und Karriere wollten, warteten mit der Schwangerschaft häufig, bis sie einen eigenen Kehrbezirk ergattert hatten. Denn: Um diesen Bezirk – und damit die Selbstständigkeit – zu kriegen, musste man sich bewerben und landete auf einer Warteliste. Um den Platz nicht zu verlieren, musste man jährlich nachweisen, dass man in dem Job auch wirklich gearbeitet hatte. „Eine Schwangerschaft warf einen in der Warteliste zurück. Das wurde 2013 abgeschafft, zum Glück. Der Job war eben nicht auf Frauen ausgerichtet.“

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