Morgens im Video-Meeting mit den Kollegen vom Bodensee, nach Feierabend eine Wanderung in der sattgrünen Weite des Ötztals: So sah im Juli zeitweise der Alltag von Michaela Ehrt-Küver aus. Für sechs Tage hat die Online Marketing Managerin ihr Homeoffice in eine Ferienwohnung im österreichischen Längenfeld verlegt – und machte eine Workation.

Der Begriff verbindet zwei Dinge, die eigentlich grundverschieden sind: Arbeit (englisch: work) und Urlaub (englisch: vacation). Noch vor einigen Jahren war das vor allem Freiberuflern möglich. Doch durch die Verbreitung von Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten ermöglichen immer mehr Unternehmen ihren Beschäftigten, dort zu arbeiten, wo andere nur urlauben. So wie der Arbeitgeber von Michaela Ehrt Küver: der Friedrichshafener IT-Dienstleister Doubleslash.

Michaela Ehrt-Küver ist bei Doubleslash in Friedrichshafen angestellt. Im Juli hat sie ihren Arbeitsplatz ins österreichische Längenfeld ...
Michaela Ehrt-Küver ist bei Doubleslash in Friedrichshafen angestellt. Im Juli hat sie ihren Arbeitsplatz ins österreichische Längenfeld verlegt. | Bild: Doubleslash

Im Mai dieses Jahres startete dort das Pilotprojekt zum Thema Workation. Dabei können die rund 260 Mitarbeiter, die in Friedrichshafen, München und Stuttgart tätig sind, zwischen drei Zielen wählen: Längenfeld in Österreich, London und der italienischen Riviera. Dort stehen festgelegte Ferienunterkünfte zur Auswahl, bei denen die Personalabteilung vorher die geprüft hat, ob die Internetverbindung stabil und Tisch und Stühle arbeitstauglich sind.

Gebucht wird über ein firmeninternes System – Urlaub muss man dafür nicht einreichen. Rückt die Reise näher, gibt die IT den Fernarbeitern Laptop, klappbaren Zweitmonitor, Maus und weitere Geräte mit auf den Weg.

Die Arbeit ruft, der Berg auch: Das Ferienhaus in Längenfeld hat Doubleslash für die Workation ausgesucht.
Die Arbeit ruft, der Berg auch: Das Ferienhaus in Längenfeld hat Doubleslash für die Workation ausgesucht. | Bild: Doubleslash

Doubleslash zahlt die Unterkunft

„Ich konnte haargenau so arbeiten, wie ich es in der Firma oder im Homeoffice gewohnt bin“, erzählt Michaela Ehrt-Küver. Die 43-Jährige bezeichnet die Unterstützung durch den Arbeitgeber als „Rundum-Sorglos-Paket“. Zusätzlich übernimmt Doubleslash bei der Workation die Kosten für die Unterkunft – auch für Familie oder Freunde.

„Im Prinzip habe ich nur die Anreise privat organisiert und den Lebensunterhalt vor Ort, wie im normalen Urlaub auch“, sagt Michaela Ehrt-Küver, die ihren Mann und die sechsjährige Tochter zur Workation mitgenommen hatte.

Damit geht das Friedrichshafener Unternehmen weiter als andere, die zwar auch Workation ermöglichen, Planung und Kosten aber den Mitarbeitern überlassen – und damit das Risiko eingehen, dass der gewählte Urlaubsort zum Arbeiten nicht taugt. Zusätzlich können auch Themen wie Datenschutz und Datensicherheit, Aufenthalts- und Arbeitsrechte sowie Sozialversicherung eine Rolle bei der Planung spielen.

„Wir sind Dienstleister. Für uns gibt es nichts Wertvolleres als unsere Mitarbeiter“, sagt Leonie Hlawatsch, ...
„Wir sind Dienstleister. Für uns gibt es nichts Wertvolleres als unsere Mitarbeiter“, sagt Leonie Hlawatsch, Personalleiterin bei Doubleslash. | Bild: Doubleslash

„Wir sind Dienstleister. Für uns gibt es nichts Wertvolleres als unsere Mitarbeiter“, sagt Doubleslash-Personalleiterin Leonie Hlawatsch. Gerade in der IT-Branche, sei es eine Herausforderung, die Festanstellung attraktiv zu halten. „Wir schauen deshalb immer wieder, wie wir Wertschätzung ausdrücken können.“ Gerade nach den vielen Lockdowns habe es sich angeboten, Workation auszuprobieren: eine Abwechslung zum Arbeiten vor der immergleichen Wohnzimmerwand, als Zusatz zum jährlichen Erholungsurlaub.

Tourismustrend Workation

Auch die Tourismusbranche ist auf den Workation-Trend aufgesprungen. Der weltgrößte Touristikkonzern Tui hat in seinen Hotels dafür eigene Zimmerkategorie eingeführt: Schreibtisch, Tastatur, Maus und Kaffeemaschine sind inklusive, den 27-Zoll-Monitor oder das Headset gibt es gegen Aufpreis. Sehnsuchtsorte wie Madeira oder Mauritius locken mit speziellen Programmen und versprechen ideale Arbeitsbedingungen zwischen Palmen und Sandstrand.

Im Schwarzwald bringen immer mehr Gäste Arbeit und Urlaub unter einen Hut, wie Jutta Ulrich von der Schwarzwald Tourismus berichtet: „Einzelne Hotels werben aktiv um diese Zielgruppe und Ferienwohnungsanbieter rüsten ihre Ausstattung mit Remote-Plätzen und schnellen Internetverbindungen aus, um der Nachfrage gerecht werden zu können.“

Doubleslash aus Friedrichshafen, der Technologiekonzern Bosch, Software-Hersteller SAP, Automobilzulieferer Continental oder der Telekommunikationskonzern Vodafone: Die Liste der Unternehmen, die Workation ermöglichen, ist lang. Gleichzeitig eint sie oftmals, dass die Beschäftigten überwiegend im Büro oder Homeoffice arbeiten.

Workation an der Rettungswache

Seit diesem Sommer bietet aber auch das DRK Bodensee-Oberschwaben Workation an: Notfall- und Rettungssanitäter aus ganz Deutschland erhalten dabei an den Wachen in Isny, Leutkirch oder Bad Waldsee für mehrere Wochen einen Einblick in die Arbeit der Kollegen. Eine Unterkunft stellt das DRK.

Da in der Notfallrettung oder beim Krankentransport oft nur vier Tage in der Woche gearbeitet werde, bleibe genug Zeit, die Landschaft rund um den Bodensee und die Alpen zu genießen, sagt die DRK-Sprecherin Felicitas Madlener. „Bisher sind unsere ersten Erfahrungen mit diesem Pilotprojekt auf beiden Seiten positiv.“

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Bei Doubleslash läuft der Workation-Test noch bis März 2023. Danach will das Friedrichshafener Unternehmen auswerten, ob die Arbeit an Urlaubsorten auch in Zukunft angeboten werden soll.

Marketing-Managerin Michaela Ehrt-Küver erzählt, sie denke noch heute gerne an die Feierabende in Längenfeld zurück, an denen sie auf dem Balkon saß und den Blick über die Berge schweifen ließ. Sie schätzt sich glücklich, einen Arbeitgeber zu haben, der ihr ermöglicht, die normale Arbeit an einem besonderen Ort zu erledigen. „Jederzeit wieder“, lautet deshalb ihr Fazit. Doch zuerst sind noch all die anderen Kollegen an der Reihe, die auch eine Workation geplant haben.