Bienenweide, Hummelmagnet oder Insektenoase heißen die bunten Samentütchen, die es reihenweise in Bau- und Gartenmärkten gibt. Sie alle suggerieren den Kunden: Wer zugreift und im Garten oder im Balkonkasten eine kleine Blumenwiese wachsen lässt, der hilft den Insekten.

Denn deren Zustand ist dramatisch: Verschiedene Studien zeigen, dass es in Deutschland 75 Prozent weniger Insekten gibt als noch vor 30 Jahren. Weil ihre Lebensräume zerstört und in der Landwirtschaft zu viele Pestizide eingesetzt wurden.

Eine Hummel sitzt in einem Garten auf einer Bartnelke.
Eine Hummel sitzt in einem Garten auf einer Bartnelke. | Bild: Oliver Berg/dpa

Mit dem Blumenangebot aus vielen Samentütchen allerdings rettet man die Insekten nicht. „Diese Produkte sind oft ungeeignet und haben kaum einen ökologischen Nutzen“, sagt Aniela Arnold, Projektleiterin „Blühende Gärten“ beim Naturschutzbund Nabu Baden-Württemberg. Aber warum ist das so?

Was ist so schlecht an den Blumenwiesen aus der Samentüte?

Der Bochumer Botanische Verein hat sich eine ganze Reihe solcher Samentütchen aus Baumärkten und Gartencentern angeschaut. Das Ergebnis: Sehr viele der Produkte enthalten nicht einheimische, einjährige Arten aus dem Mittelmeergebiet, aus Südosteuropa oder auch Nord- oder Mittelamerika.

„Solche Produkte werden meist ohne Sachverstand zusammengestellt, und unsere heimischen Insekten können damit nichts anfangen“, sagt Armin Jagel vom Bochumer Botanischen Verein. Heimische Arten dagegen kamen gar nicht oder kaum in den vom Verein untersuchten Produkten vor. Auf diese Arten aber sind die heimischen Insekten spezialisiert, oft passt ihr Rüssel nur zu einer bestimmten Pflanze.

Verbreiten sich die Blumen aus solchen Samenmischungen nun im Garten und in der Natur weiter aus, können sie den Insekten sogar schaden – dann nämlich, wenn sie heimische Arten verdrängen.

Warum werden solche Produkte überhaupt verkauft?

„Vermutlich werden vor allem Arten ausgewählt, die sich effektiv vermehren und deren Samen sich entsprechend kostengünstig herstellen lassen. Möglicherweise stammt ein nicht unerheblicher Teil in den Samenmischungen sogar aus Überschüssen sonstiger Produktionen, die sich in den undefinierten Mischungen noch gut vermarkten lassen“, sagt Jagel. Es stehen häufig also ökonomische Interessen im Vordergrund.

Bei strahlendem Sonnenschein fliegt eine Honigbiene die Blüte eines Klatschmohns an.
Bei strahlendem Sonnenschein fliegt eine Honigbiene die Blüte eines Klatschmohns an. | Bild: Wolfgang Kumm/dpa

Die Hersteller wissen: Wenn sie ein „insektenfreundlich“ auf die Verpackung drucken, dann greifen die Kunden lieber zu, weil sie den Tieren gern etwas Gutes tun möchten. „Die Menschen wollen dabei oft den Honigbienen helfen. Im Naturschutz geht es aber vor allem um die vielen verschiedenen Wildbienenarten sowie um die Insektenarten, die mit Zierpflanzen eben nicht klarkommen“, so Jagel.

Man kann sich also nicht auf Aufdrucke wie „insektenfreundlich“ verlassen?

„Viele auf den Packungen aufgedruckte Gütesiegel sind vom Anbieter frei erfunden“, sagt Jagel. Auch die Fotos der Blumenwiesen auf den Tütchen sind mit Vorsicht zu genießen: „Sie zeigen häufig Blumen, die in den Mischungen gar nicht oder nur zu einem sehr kleinen Teil enthalten sind.“ Da es sich nicht um ein Lebensmittel handelt, muss der Inhalt und die genaue Zusammensetzung auch nicht auf den Produkten angegeben werden.

Der Bochumer Botanische Verein hat Aussaatversuche gemacht, um herauszufinden, was diese Tütchen wirklich enthalten. Das Ergebnis: Heimische Wildblumen, die gern auf den Packungen abgedruckt werden, wuchsen dabei kaum heran.

Das Warten lohnt sich: Eine Blumenwiese ist für das menschliche Auge ein Blickfang.
Das Warten lohnt sich: Eine Blumenwiese ist für das menschliche Auge ein Blickfang. | Bild: S.H.exclusiv - stock.adobe.com

Gibt es auch Produkte, die empfehlenswert sind?

„Grundsätzlich sollten die Mischungen heimische und überwiegend mehrjährige Arten enthalten“, sagt Nabu-Expertin Arnold. Es gibt Hersteller, die ihre Inhalte genau auflisten. „Orientieren kann man sich auch an Siegeln wie RegioZert oder dem Siegel vom Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten VWW.“ Kaufen kann man diese Produkte, die sich an regionalen Standortansprüchen orientieren, eher nicht im Baumarkt, sondern bei den Produzenten direkt. Der Nabu führt eine Liste mit Anbietern.

Macht eine Blumenwiese im Garten überhaupt Sinn?

„Wenn man seinen Rasen weiter nutzen will und eine schnelle Lösung sucht, ist man mit insektenfreundlichen Stauden sicher besser dran“, sagt Jagel. Wildblumenwiesen ziehen allerdings noch einmal ganz andere Insekten an und liefern ein sehr breites Nahrungsangebot. „ 75 Prozent aller Wildbienen nisten im Boden und nicht in Bienenhotels. Deshalb ist es schon zu empfehlen, echte Wiesen anzulegen, wo immer das möglich ist.“

Wie legt man eine Wildblumenwiese richtig an?

„Oft glaubt der Kunde, dass man die Samen in den Zierrasen streuen kann und dann wird das schon. Aber das klappt natürlich nicht“, sagt Jagel. Zunächst einmal muss man an einem sonnigen Standort eine offene Fläche schaffen, also den Zierrasen beseitigen. Hierzu kann man an einer oder mehreren Stellen die Grasnarbe abgraben. Oder nach dem zeitigen Vertikutieren im Frühjahr auf die lichten Stellen säen.

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„Da der Boden häufig zu nährstoffreich ist für eine Blumenwiese, magert man ihn dann zunächst mit Sand ab“, empfiehlt Arnold. Das ausgestreute Saatgut wird dann nicht mit Erde bedeckt, sondern nur angewalzt und während der ersten vier bis sechs Wochen feucht gehalten. Im Frühjahr eignen sich zum Aussäen die Monate März bis Mai, in Herbst die Monate August bis Oktober.

Gemäht wird eine Wildblumenwiese nur ein- bis zweimal im Jahr (im Juni oder Juli und im Oktober) – am besten mit der Sense. Damit Bewohner genügend Zeit für den Umzug haben, mäht man am besten in Etappen mit einwöchigen Pausen dazwischen. Echte Wiesen bestehen aus mehrjährigen Pflanzen. „Das ist dann nicht die schnelle Lösung mit spektakulären Blüten wie aus den nicht regionalen, einjährigen Samentütchen. Es dauert ein, zwei Jahre, bis es bunt wird, dafür ist das Ergebnis umso nachhaltiger“, sagt Jagel.