Sehmus Aksoy hat einen Traum: Eine eigene Kfz-Werkstatt. Seine Leidenschaft für Autos hat der 19-jährige von seinem Vater und Onkel quasi in die Wiege gelegt bekommen. Eine Ausbildung zu machen ist für ihn aber nicht so einfach. Denn Sehmus Aksoy ist aus der Türkei nach Deutschland geflüchtet und von der Abschiebung bedroht. Er will unbedingt bleiben und hat sich deswegen an Baris Abak gewandt.
Baris Abak ist ein sogenannter Kümmerer. Seit fast fünf Jahren Teil ist er Teil des gleichnamigen Programms, welches das Landes-Wirtschaftsministerium als Reaktion auf die Flüchtlingswelle 2015 ins Leben gerufen hat. Im Prinzip ist Abak ein einfach zu erreichender Ansprechpartner für Menschen, die ins Arbeitsleben integriert werden wollen. Seine Telefonnummer findet man im Internet, jeder kann ihn anrufen.
Abak stammt selbst aus einer Einwandererfamilie, seine Eltern kommen aus der Türkei. Sein Weg zum Kümmerer beginnt bei den eigenen Eltern. “Meine Mutter ist sehr intelligent. Sie hatte aber nie einen Ansprechpartner für eine mögliche Karriere. Und so hat sie 30 Jahre im einfachen Schichtbetrieb gearbeitet. Sie hatte mehr Potenzial“.
Genau dieses sieht Abak auch in Sehmus Aksoy. Er ist einer von ungefähr 30 Klienten, die Abak aktuell gleichzeitig betreut. Allen möchte er den Zugang in die Arbeitswelt ermöglichen. “Die Menschen sollen sich hier sozialisieren und durch die Arbeit integrieren“, so Abak.
Manchmal kann sich Baris Abak kaum vor Anfragen retten. Aber nicht jeder bekommt die Chance auf einen Termin. “Die Personen sollten eine Bleibeperspektive haben und schon über gewisse Deutschkenntnisse verfügen“, sagt Armin Schulz vom Wirtschaftsministerium. Dieses fördert das Programm mit Zuschüssen. 4600 Zugewanderte konnten durch das Programm schon in Ausbildungen vermittelt werden.
Deutsch lernen mit YouTube
Sehmus Aksoy ist mittlerweile auf einem guten Weg dahin. Abak glaubt an ihn, denn der 19-Jährige zeigt großen Einsatz. Nach 18 Monaten in Deutschland spricht er fließend Deutsch, inklusive Hauptschulabschluss und B1-Zertifikat. “Ich habe alles über YouTube gelernt“, sagt er verschmitzt.
Der so fröhliche junge Mann kann aber auch ernst: “Ich habe immer noch Angst, wenn ein Brief kommt. Die Sprache zu sprechen, ist mir sehr wichtig für meine Zukunft.“ Denn trotz seiner guten Voraussetzungen ist er nicht sicher, ob er in Deutschland bleiben kann. Sein Asylverfahren läuft – aber jedes Schreiben kann eine Ausreiseaufforderung sein. Aksoy ist Kurde und hat damit statistisch gesehen eine geringe Chance auf Asyl.
Über seine Unterkunft, in der er wohnt, hat er ein Praktikum bei der Neuwerk-Garage in Konstanz bekommen. Für Sehmus Aksoy eine große Chance, aus dem Alltag in der Flüchtlingsunterkunft herauszukommen. Dort konnte er überzeugen, die Werkstatt will ihn nun unbedingt als Auszubildenden.
Hier kommt Baris Abak ins Spiel. In Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer, dem Betrieb und der Berufsschule arbeiten sie ein Konzept aus, wie der 19-jährige in die Arbeitswelt integriert werden kann.
Abak schlägt folgenden Plan vor: Bis September arbeitet Aksoy als Aushilfe. Er bekommt so ein kleines Taschengeld und ist bis dahin außerdem vor Abschiebung geschützt. Ab September wird er für ein Jahr eine Berufsfachschule besuchen. Sie besteht aus vier Tagen Schule und einem praktischen Tag pro Woche. Im Anschluss kann er dann eine normale Ausbildung als Kfz-Mechaniker beginnen.
Plötzlich verschwunden
Ein komplexer Plan wie dieser erfordert ein großes Fachwissen aller Beteiligten. Das kann er nicht für jeden machen. Baris Abak war ein pädagogischer Mitarbeiter bei einem Bildungsträger. Dadurch erkennt Abak schnell, ob es die Menschen ernst meinen. “Ich weiß direkt, ob jemand wirklich will, je nachdem, wie die Termine wahrgenommen werden. Wenn man mal einen Termin absagen muss, kein Problem. Aber manche melden sich einfach nicht mehr und verschwinden.“
Oft sind es aber ganz praktische Hilfen, die Abak gibt. “Ich sage ihnen, dass sie sich zum Beispiel mal ordentlich rasieren vor dem Vorstellungsgespräch. Oder die Bewerbungsmappe nicht im Raum aufzubewahren, wo geraucht wird.“
Ein Händchen für die Arbeit mit Menschen ist eine der Grundvoraussetzungen für den Job des Kümmerers. Sie sind örtlich gut vernetzt und haben davor oft im sozialen Umfeld gearbeitet. “Eine pädagogische Qualifikation oder Erfahrung in der Arbeitsvermittlung müssen die Kümmerer mitbringen“, sagt Armin Schulz.
Grenzen der Zusammenarbeit
Abak pflegt mit vielen seiner Schützlinge ein vertrautes Verhältnis. Natürlich kommt da auch mal das ein oder andere persönliche Thema auf. Für Abak ist das nicht immer einfach. “Ich habe zum Beispiel aufgehört, nach der Fluchtursache zu fragen. Da erfährt man Sachen, die ich dann mit nach Hause nehme und das würde ich auf Dauer nicht schaffen.“
Abgesehen von den grausamen Geschichten der Flucht muss Abak auch im beruflichen Sinne eine Distanz wahren. Denn im Endeffekt entscheidet der Kümmerer auch über den weiteren Karriereweg der Geflüchteten. Sein Arbeitgeber, die Handwerkskammer Konstanz, möchte schließlich, dass Auszubildende für ihre Aufgaben geeignet sind. “Ich muss aber auch gegenüber den Betrieben ehrlich sein und entscheiden, ob sie reif für eine Ausbildung sind“, sagt Abak.
Sehmus Aksoy scheint so weit zu sein. Wenn alles klappt, kommt er seinem Traum einer eigenen Werkstatt schon bald näher. Für Baris Abak ein Erfolgserlebnis – der Anruf des nächsten Interessenten wird aber nicht lange auf sich warten lassen.