An Silvester jährt sich der Tod von Benedikt XVI. zum ersten Mal. Seine Anhänger und Verehrer haben sich schon vorbereitet. Viele von ihnen werden am Sonntag um 8 Uhr im Petersdom in Rom zusammenkommen, wo ein Gedenkgottesdienst für den Papst aus Bayern abgehalten wird. Leiten wird die Messe Georg Gänswein, der frühere Privatsekretär des Papstes und heutiger Erzbischof ohne Amt und Aufgabe.

In die Heimatdiözese zurückgeschickt

Papst Franziskus entließ den umstrittenen Kleriker Ende Februar offiziell als Präfekt des päpstlichen Hauses, eine Aufgabe, von der der heute 67-Jährige schon zwei Jahre zuvor entbunden worden war. Seither hat Gänswein, der vom Papst im Juli in seine Heimatdiözese Freiburg zurückgeschickt wurde, nichts mehr zu tun.

Das Verhältnis zu Benedikts Nachfolger Papst Franziskus war von Beginn an schwierig. Das lag am Stil, unterschiedlichen Verständnissen von Kirche und gegenseitigem Misstrauen. „Demütigungen können sehr gut sein“, mit diesen Worten soll Franziskus laut Gänswein seinen respektlosen Umgang mit ihm gerechtfertigt haben.

Weil er seinen Unmut nicht im Zaum hielt, wurde Gänswein für Franziskus-Kritiker ein wichtiger Bezugspunkt, weshalb auch am ersten Todestag des früheren Papstes die Theorie aufkam, hier versammelte sich die Anti-Franziskus-Fraktion in Rom.

Gänswein tritt Behauptungen entgegen

Gänswein versuchte dieser Interpretation nun in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem italienischen „Corriere della Sera“ entgegen zu treten: „Ich hoffe, dass dieser Anlass nicht anders interpretiert oder manipuliert wird“, sagte der Kurienerzbischof. Er werde der Messe zum Gedenken an Papst Benedikt vorstehen. „Ich war sein Sekretär, ich habe 25 Jahre mit ihm gelebt, ich bin sehr dankbar und leide immer noch.“

Gänswein hat zu den angeblichen Missverständnissen allerdings seinen Teil beigetragen, zuletzt mit der Veröffentlichung seiner Memoiren mit dem Titel „Nichts als die Wahrheit. Mein Leben mit Benedikt XVI.“ kurz nach dem Tod Benedikt XVI. vor einem Jahr. Darin schilderte er seine eigenen Konflikte mit Franziskus sowie die Verstimmung Benedikts angesichts verschiedener Entscheidungen seines Nachfolgers. Benedikt soll diese laut Gänswein wahlweise als „Fehler“, mit „Sorge“, „Verwunderung“ oder „Verblüffung“ aufgenommen haben.

Aufsatz zur Verteidigung des Pflichtzölibats

2020 bereits hatte Franziskus Gänswein de facto als Protokollchef geschasst. Grund war die Veröffentlichung eines Aufsatzes von Benedikt XVI. zur Verteidigung des Pflichtzölibats, eines damals heißen Themas in der Weltkirche. Franziskus machte Gänswein für den Fauxpas verantwortlich.

Bis heute ist der Breisgauer arbeitslos. Die Leitung einer Diözese in Deutschland könne er aus Altersgründen nicht mehr übernehmen. „Ich habe keine Aufgabe und keine Arbeit, das ist schlimm“, zitiert ihn der „Corriere della Sera“. Gänswein wurde zuletzt auf Konferenzen etwa in Würzburg oder bei Predigten gesehen. Im August hatte er bei einer Buchvorstellung in Baden-Württemberg über seinen neuen Aufenthaltsort Freiburg gesagt: „Ich bin jetzt hier, bin auf der Arbeitssuche sozusagen.“ Im September feierte der Erzbischof mit dem Ratzinger-Schülerkreis eine Messe am Grab Benedikts in den Katakomben des Petersdoms in Rom. Dort sollte auch der Gedenkgottesdienst am Sonntag stattfinden.

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Kommt auch der Papst zum Gedenken?

Wegen des mutmaßlich großen Andrangs habe der Erzpriester der Petersbasilika, Kardinal Mauro Gambetti, vorgeschlagen, die Messe in den Dom zu verlegen. Bereits am Samstag soll im Campo Santo Teutonico am Vatikan eine zweitägige Konferenz über Benedikt XVI. beginnen, an der auch der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, teilnehmen will. Müller wurde 2017 von Franziskus aus dem Amt entlassen.

Franziskus hat immer in höchsten Tönen von Benedikt XVI. gesprochen, deshalb ist es eigentlich nicht ausgeschlossen, dass der Papst höchstpersönlich zum Gedenken erscheint. Da der 87-Jährige aber körperlich angeschlagen ist, am Sonntagnachmittag dem Vespergottesdienst und dem Te Deum zum Ende des Kalenderjahres vorsteht sowie am Neujahrstag eine Festmesse zu Ehren Marias leiten wird, wird nicht mit seiner Teilnahme gerechnet.