Mäusekot, verschimmelte Lebensmittel und Schaben im Verkaufsraum: In Frankfurt am Main mussten jüngst zehn Gastronomietriebe ihren Betrieb einstellen, nachdem Lebensmittelkontrolleure dort gravierende Mängel festgestellt hatten. Vergangenen Sommer mussten vier Restaurants in Lindau am Bodensee vorübergehend schließen. Der Grund: verdorbene Lebensmittel und mangelnde Hygiene. In der Folge musste das Landratsamt rund eine Tonne Lebensmittel vernichten.
Diese Fälle zeigen exemplarisch, was in der Gastronomiebranche vorkommen kann. Mit der Hygiene nehmen es – neben vielen sauber arbeitenden Restaurants – einzelne Betriebe wohl nicht so genau. Aber woran liegt das?
Wer ein Restaurant oder eine Kneipe eröffnen will, dem wird es in Deutschland leicht gemacht. In den meisten Fällen brauche es dazu keine besondere fachliche Qualifikation, sagt ein Sprecher des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags. Dazu käme, dass die Voraussetzungen sich je nach Bundesland unterschieden.
Experte: „Das finde ich sehr bedenklich.“
Auch unabhängige Experten halten es für problematisch, dass in Deutschland Restaurants fast ohne Vorkenntnisse eröffnet werden können. Nachweise über eine fachliche Qualifizierung müssten kaum erbracht werden, sagt beispielsweise Michael Ottenbacher, Professor für Hotel- und Restaurantmanagement an der Hochschule Heilbronn.
Angehende Gastronomen müssten lediglich einige Standarddokumente wie eine Betriebsbeschreibung oder ein amtliches Führungszeugnis vorlegen und ein Seminar bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer (IHK) besuchen. Dieses schließe aber ohne Prüfung ab. „Das finde ich sehr bedenklich“, sagt Gastronomie-Experte. „Ein Frisör braucht ja auch einen Meisterbrief. Aber jeder kann einfach so ein Restaurant eröffnen.“

Die bestehenden Regeln seien so unzureichend, dass selbst die meisten Gastronomen, die er kenne, eine Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen zu dem Job befürworteten, sagt Ottenbacher. Und er fügt an: „Dem Image der Branche würde es guttun.“
Schweizer Gastronomen müssen Prüfung ablegen
In unserem Nachbarland läuft es anders. „In der Schweiz wird in einigen Kantonen das Wirtepatent, also ein Fähigkeitsausweis für die Gastronomie benötigt“, sagt Thorsten Merkle, Professor für Hotel- und Restaurantmanagement an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. In 18 der 26 Schweizer Kantone ist das Patent obligatorisch – zumindest ab einer bestimmten Größe und Gästekapazität.

Um das Patent zu erhalten, müssen Schweizer – im Gegensatz zu Deutschen – zu die sogenannte Wirteprüfung ablegen. Darin geht es unter anderem um Hygiene, Arbeits- und Lebensmittelrecht sowie Mitarbeiterführung. Zusätzlich müssen betriebswirtschaftliche Fragestellungen beantwortet werden.
Wie können sich Kunden bei einem Restaurantbesuch also von der Hygiene und der Qualität der Lebensmittel überzeugen? „Gar nicht“, sagte ein Sprecher von Foodwatch – einem Verein, der sich mit Verbraucherrechten und der Qualität von Lebensmitteln beschäftigt. „Genau das ist ja das Problem.“ Seit Langem fordere Foodwatch deshalb mehr Transparenz über die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen in deutschen Betrieben.
Dänemark als Vorbild?
Dänemark mache es vor, so der Sprecher. „Dort müssen Gastronomen die Ergebnisse der letzten vier Lebensmittelkontrollen aushängen.“ Abgebildet würden diese in einem sogenannten Smiley-System mit lachenden Gesichtern für positive Kontrollergebnisse bis zu weinenden für negative. Das habe laut dem Foodwatch-Sprecher nur Vorteile: „Zum einen können sich Kunden so über die Hygiene in den Restaurants informieren.“
Zum anderen habe es eine große Anreizwirkung für die Betriebe, sich an Hygienevorschriften zu halten. „Die Zahl der Beanstandungen haben in Dänemark seit der Einführung massiv abgenommen“, sagt er. Trotz der offensichtlichen Vorteile gebe es bisher in keinem deutschen Bundesland ein vergleichbares System. Beratungen dazu habe es zwar gegeben, seien aber immer gescheitert, sagt der Sprecher. Die Hauptargumente: Überbordende Bürokratie oder ein Einschnitt in die Berufsfreiheit der Gastronomen.
Fehlende betriebswirtschaftliche Kenntnisse
Doch die spärliche Ausbildung vieler Gastronomen scheint, neben fehlender Hygiene, noch andere Nebenwirkungen zu haben. Was Gastronomie-Professor Ottenbacher Sorgen bereitet, sind die oft fehlenden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse angehender Restaurantbetreiber. „Die Gewinnmargen in der Branche sind sehr niedrig“, erklärt er. „Einnahmen sind nicht gleich Profit.“ Um langfristig als Betrieb zu überleben, brauche es daher ökonomisches Grundwissen.
Michael Ottenbacher: „Manche schätzen die betriebswirtschaftliche Seite einfach falsch ein.“ Nicht zuletzt deshalb müssten so viele Betriebe kurze Zeit nach der Eröffnung wieder schließen. Ein weiteres Indiz dafür sind Daten des Lobbyverbands Dehoga, der jüngst das Ende von 12 000 Betrieben vorhersagte, sollte die Mehrwertsteuer auf Speisen Anfang 2024 wieder voll erhoben werden.