Darüber haben die Rottweiler wohl nur geschmunzelt: Plötzlich machte ihr Testturm Schlagzeilen – und zwar in den Vereinigten Staaten und Großbritannien.

Über den „Wolkenkratzer, in dem niemand wohnt“ schrieb der amerikanische Nachrichtensender CNN und das britische Boulevard-Magazin The Sun. Der Turm erregt somit rund sieben Jahre nach seiner Eröffnung für Besucher neues Aufsehen im Ausland. Ein österreichisches Magazin setze hier noch einen drauf und nannte das Rottweiler Bauwerk einen Turm „mitten in der Einöde“.

Besonders wunderte man sich in der Berichterstattung über den Standort des 246 Meter hohen Wolkenkratzers: Warum steht ein so hohes und modernes Gebäude bei der mittelalterlichen Stadt Rottweil, inmitten von malerischen Landschaften, Wäldern und Wiesen?

Was die internationalen Medien nicht wissen: Bis zur Eröffnung des Turms war es ein langer Weg. Und ein Mann hat bei der Wahl des Standorts eine besondere Rolle gespielt.

Der Turmvater nennt den Testturm „sein Baby“

Denn so ist der Testturm in Rottweil „sein Baby“, wie Alexander Keller den Wolkenkratzer liebevoll bezeichnet. Er war der ehemalige Europachef bei Thyssenkrupp – und ist selbst gebürtiger Rottweiler.

1968 wurde er in der ältesten Stadt Baden-Württembergs geboren, in Schömberg wuchs er auf, jetzt wohnt er in Epfendorf bei Rottweil. Keller gilt als Turmvater: „Ohne mich würde es den Turm in Rottweil nicht geben“, sagt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

2016 berichtete er auf der Südwest-Messe in Villingen-Schwenningen über seine Bestrebungen, einen Standort für den Testturm zu finden. Und auch im Gespräch mit dem SÜDKURIER erklärt er, wie er unter anderem in Essen, Köln und sogar Spanien nach einem geeigneten Platz für den Turm gesucht habe. „Irgendwann schaut man dann halt dort, wo man sich auskennt“, sagt Keller.

Und in Rottweil seien die Bedingungen einfach günstig gewesen, so habe er starken politischen Willen und Freude über den Turm in Rottweil vernommen, er habe auf „Augenhöhe“ agieren können und habe nichts „hinter dem Berg halten müssen“, wie er sagt. Er zeigt sich stolz: „Ja, der Turm in Rottweil ist mein geistiges Eigentum.“

Höher als der Stuttgarter Fernsehturm

So kam es, dass am 26. April 2013 der SÜDKURIER vermeldete: „Aufzugbauer plant Riesenturm“ Die Pläne waren ambitioniert: Der Turm sollte höher werden als der Stuttgarter Fernsehturm. Ein roter Luftballon, der von Thyssenkrupp in die Luft geschickt wurde, sollte den Bürgern die Größe von 235 Metern deutlich machen.

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Hoffnung auf den Bau machte im Sommer 2013 ein erstes grünes Licht vom Rottweiler Gemeinderat. Die Stadt durfte in eine detaillierte Planung für das Projekt gehen, die Stadträte stimmten dafür.

Dann ein erster Rückschlag im September 2013. Der ursprüngliche Plan, den Rottweiler Testturm im unter der Stadt gelegenen Neckartal zu errichten, schlägt fehl – die Geologie dort machte nicht mit, das Gestein sei für das Turmfundament ungeeignet gewesen. Ein neuer Standort wurde aber auf dem Berner Feld, dem Industriegebiet Rottweils, gefunden.

Es folgte das große Aufatmen für den Bauträger. Im Oktober 2014 setzte die Stadt Rottweil durch einen Gemeinderatsbeschluss ein Signal und sagte „Ja“ zum Testturm. Allerdings musste der Bebauungsplan für das Berner Feld angepasst werden – im Gewerbegebiet waren nämlich nur Gebäude mit einer maximalen Höhe von 15 Metern erlaubt.

Rottweiler wollten den Turm gar nicht

Doch immer wieder brodelte es in Rottweil aufgrund der Pläne. Der Turm drohte die Stadt zu spalten – in den Sozialen Medien war laut SÜDKURIER-Berichten die Rede von einem „Giganten, der Rottweil keinerlei Steuereinnahmen bringe“.

Rottweil würde nicht genug profitieren, dafür werde die mittelalterliche Stadtsilhouette und das Landschaftsbild beschädigt. Fotomontagen kursierten, die sollten beweisen, wie der riesige und blinkende Turm das Stadtbild prägen würde – zum Negativen.

Der Rest ist Geschichte: Am 7. Oktober eröffnete der Rottweiler Testturm seine Besucherplattform auf 232 Metern, wohl die höchste Aussichtsplattform in Deutschland.

In der Stellungnahme von TK Elevator, warum der Testturm in Rottweil steht, wird Alexander Keller übrigens mit keiner Silbe erwähnt. Man sagt aber auch hier, dass der Standort strategisch günstig zwischen Stuttgart und Zürich liege und deshalb gewählt wurde – und das klingt ja mal so gar nicht nach Einöde.