Elf Tage nach dem Gasalarm in Singen, der ein Großaufgebot von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften erforderte, sind noch immer etliche Fragen offen. Bekannt ist, dass am Donnerstag vor Pfingsten zwei Maskierte um 10.40 Uhr in eine Anwaltskanzlei in der Hegaustraße/Alpenstraße eindrangen und einen Reizstoff versprühten.

Etws mehr als zwei Stunden später wurde in einer Tiefgarage in der Ekkehardstraße Gasgeruch gemeldet. Danach befand sich Singen im Ausnahmezustand; Spezialeinheiten von Feuerwehr und Polizei rückten an. Erst am Abend gab es Entwarnung. Zwei Verdächtige wurden festgenommen, aber später wieder freigelassen.

„Ähnliche Stoffgruppen“ festgestellt

Welches Motiv können die Maskierten gehabt haben, die in eine Anwaltskanzlei eindrangen und einen Reizstoff versprühten? Steht dieser Angriff in Zusammenhang mit dem Einsatz in der nahen Tiefgarage, bei der auch ein Reizstoff festgestellt wurde? All das wird noch ermittelt.

In der Kanzlei Zimmermann und Zwibel sowie in der Tiefgarage wurden laut Polizei „ähnliche Stoffgruppen nachgewiesen“. Es sei jedoch bis heute nicht bekannt, ob es sich um denselben verwendeten Stoff handelt.

Teile der Innenstadt wurden abgesperrt. Die Polizei sprach von einer unklaren Gefahrenlage.
Teile der Innenstadt wurden abgesperrt. Die Polizei sprach von einer unklaren Gefahrenlage. | Bild: Förster

Fest steht: In der Tiefgarage in der Ekkehardstraße wurde Butyldiglykol (C8H18O3), durch die Analytische Task Force (ATF) aus Mannheim, die per Hubschrauber eingeflogen wurde, nachgewiesen. Die Substanz wird häufig in der Farben- und Lackindustrie als Lösungsmittel eingesetzt, auch in Kühlmitteln kommt es zum Einsatz. 20 Personen galten am fraglichen Donnerstag als kontaminiert, sechs Personen klagten über „leichte Beeinträchtigungen“.

Darum ist Butyldiglykol in Pfeffersprays

Laut Polizei kommt die entdeckte Substanz aber auch in Pfeffer- und Abwehrsprays zum Einsatz. Des bestätigte auch ein Hersteller aus Niederbayern dem SÜDKURIER: Mit Butyldiglykol könne man den Wirkstoff – Capsaicin bzw. Chilischoten-Extrakt – in Pfeffersprays verdünnen, erklärt die Ballistol GmbH aus Aham.

Zwar nehme man dazu meist Alkohol, allerdings habe Butyldiglykol einige Vorteile. Zum Beispiel mache es das Spray weniger „leicht flüchtig“, das Spray weise dann eine dünne Gelstruktur auf. Außerdem sei es im Unterschied zu Alkohol nicht leicht entzündlich und gelte als relativ harmlos.

Vor Anschlag bis Übung

Unterdessen brodelt die Gerüchteküche weiter. Nachdem sich erst die wildesten Gerüchte über einen möglichen Terroranschlag verbreiteten, wird inzwischen der ganze Einsatz als unnötig und überzogen abgetan.

Da kein gefährlicher Stoff entdeckt wurde, wabert nun das Gerücht umher, es habe sich am Donnerstag um eine Übung gehandelt. Dem tritt das Polizeipräsidium aber entgegen: „Es war definitiv keine Übung“, schreibt die Pressestelle.