Großer Bahnhof am Stuttgarter Bahnhof: Hier ist am Montag ein Intercity auf seinen neuen Namen getauft worden. „Naturpark Schönbuch“ heißt einer 200 Stundenkilometer schnellen Züge der Schweizer Firma Stadler Rail, die künftig immer häufiger die Gäubahn-Strecke ohne Umstieg nach Zürich befahren werden.

Für die Fahrgäste aussagekräftiger ist aber der Name, den Stadler seinem Zug gegeben hat. „Komfortabler innovativer spurtstarker S-Bahn-Zug“, kurz „Kiss“, heißt der Intercity im Firmenportfolio. Und tatsächlich soll er den Fahrgästen mehr Komfort bieten.
Zum einen soll es im Zug stabiles WLAN geben. Was auf der Premierenfahrt am Montag allerdings nicht immer gelingt. Auch das mobile Telefonieren soll im Zug besser möglich sein. Die Deutsche Bahn hat hier mobilfunkdurchlässige Fenster eingebaut – die ersten deutschlandweit. Der Fahrgast hat also gute Chancen, störungsfrei zu telefonieren und zu surfen.
Auf eine Steigerung beim Komfort hofft Anja Schöllmann, Vorständin Produktion DB Fernverkehr, auch wegen einer Sache, die eigentlich selbstverständlich sein sollte: Die Züge von Stadler gelten als sehr zuverlässig.
Verspätungen rächen sich auf der Strecke
Das war und ist bei den Vorgängerzügen von Bombardier, die der „Kiss“ nun nach und nach ersetzen soll, häufig nicht der Fall. Auf einer weitgehend eingleisigen Strecke aber rächen sich selbst kleine Verspätungen, weil dann der Gegenverkehr erstmal vorbei gelassen werden muss. „Hier braucht man einen ganz pünktlichen Zugverkehr“, weiß Frank Petzold, Gruppenleiter Bordservice, der auf der Gäubahn-Strecke schon seit 20 Jahren unterwegs ist und auch die Premierenfahrt aufmerksam begleitet.
Heiko Schick sitzt als Lokführer am Steuer. „Das ist etwas Besonderes“, sagt er vor der Fahrt. Herausstechendes Merkmal des neuen Intercity soll sein: Zuverlässigkeit. „Das Fahrzeug ist durchdacht konstruiert.“
Aus Österreich importierte, junge Gebrauchte
480 Sitzplätze auf zwei Ebenen bieten die neuen Doppelstockzüge. Wobei, ganz neu sind sie nicht, vielmehr gebraucht: Die Deutsche Bahn hat 17 „Kiss“ von der österreichischen Westbahn abgekauft, wo sie sehr zuverlässig gefahren sein sollen.
Die meisten der zehn Jahre alten Züge werden gerade noch aufgehübscht, mit neuen Fenstern ausgestattet und vor allem auf weiß-rot umlackiert. Ab Dezember sollen vier der Stadler-Züge im Einsatz auf der Gäubahn-Strecke sein. Erst ab Oktober 2023 sollen acht „Kiss“ die bisherigen Bombardier-Züge vollständig ersetzen. Dann will die Bahn einen stündlichen Takt nach Zürich anbieten.
Wie geht es weiter mit der Gäubahn?
Die Optik des Intercity „Naturpark Schönbuch“ ist ansprechend. Alle Sitze sind mit dunkelblauem Lederbezug ausgestattet. Hier ein Blick in eines der Großraumabteile:
Während es seit Corona auf der Gäubahn-Strecke überhaupt keine Verpflegung mehr gegeben hatte, wartet der „Kiss“ mit vier Café-Zonen auf, in denen man sich selbst mit Heißgetränken und mit Snacks aus dem Automaten versorgen kann.

Mit Bargeld kommt man hier aber nicht weit. Die Bezahlung erfolgt per Handy oder per EC-Karte. Aber der Kaffee schmeckt.
Wer zur Café-Ecke will, muss im Doppelstöcker Treppen steigen. Wenn man oben sitzt, wird man dafür mit Ausblicken in die reizvolle Landschaft von Neckartal, Schwarzwald und Hegau belohnt.
Mehr Platz für Rollstuhlfahrer bieten die neuen Züge. Im Kinderabteil sind nicht nur die Tische mit Spielen bemalt, hier gibt es auch ausreichend Stauraum für geparkte Kinderwagen. Nicht viel Raum besteht hingegen für mitreisende Radfahrer – beziehungsweise deren Räder. Lediglich für acht Räder ist im ganzen Zug regulär Platz – bei den alten Zügen sind es neun.
Rad-Touristen aufgepasst!
Recht wenig, wenn man bedenkt, dass die Gäubahn auch regelmäßig Ausflügler und Touristen an den Bodensee, ins Neckartal oder in den Schwarzwald bringt. Damit die Zweiräder sich nicht stapeln, benötigt der Fahrgast auf dieser Strecke eine Reservierung fürs Rad. Diese gibt es bislang nur am Bahnhofsschalter.

Nicht alles läuft glatt auf der Probefahrt im Anschluss an die Zugtaufe. Das Reservierungssystem funktioniert noch nicht. Und der „Kiss“ sammelt fünf Minuten Verspätung an, trotz Beschleunigung auf rund 140 Stundenkilometer zwischen Herrenberg und Horb.

Auch in Singen steht der Zug länger als geplant, obwohl dort keine Lok mehr umgekoppelt, keine Bremsen mehr kontrolliert werden müssen, so wie bislang. Denn der Intercity von Stadler verfügt zum einen schon über die ETCS-Technik, ein europäisches Zugsicherungssystem. Zum anderen ist die Schweiz für die Stadler-Rail-Züge technisch ohnehin ein Heimspiel.

Und sonst so? Wer regelmäßig Zug fährt, dem ist eine übliche Schwachstelle wohlbekannt: nicht funktionierende oder schmutzige Toiletten. Auf der Premierenfahrt des Intercity „Naturpark Schönbuch“ kann man da nicht meckern.