Friedrichshafen Das Publikum hat Eintrittskarten für den Kiesel, aber die Tür ist verschlossen. Stattdessen kommt Annette von Droste-Hülshoff aus dem Aufzug des Medienhauses. „Potzblitz, wo bin ich hier?“, fragt sie. „In Friedrichshafen“, antwortet jemand. „Und welches Jahr haben wir?“ Antwort: „2025.“ „Dann bin ich seit 177 Jahren tot?“ Die Schriftstellerin und Komponistin erinnert sich an glückliche Jahre am Bodensee und stellt erfreut fest, dass in der Auslage Bücher von ihr und über sie stehen. Als sie eine Biografie aufschlägt, ist sie weniger amüsiert: „Möchte man so etwas über sich lesen? Wegen Übergewicht und Atemnot soll die Droste sich mehr an der frischen Luft aufhalten?“ Freundlich plaudernd stellt Ute Geuder die Dichterin dar, lächelt den Besuchern zu, wandelt im Foyer auf und ab und öffnet schließlich die Tür zum Kiesel.

Ute Geuder ist die erste Protagonistin von „Frauen. Biografien auf der Bühne“. Der Abend ist das Ergebnis des Spielclubs des Kulturbüros. Seit Oktober haben die Teilnehmenden unter Anleitung von Theaterpädagogin Angelika Wagner recherchiert, experimentiert und geprobt. „Wir haben anfangs viel Körperarbeit und Körperkontaktarbeit gemacht. Was ist Wut, was ist Trauer, wo findet das statt“, erzählt Wagner. Die Bodenseebibliothek stellte Frauenbiografien zur Verfügung. „Es war uns ganz wichtig, dass man sich eine Frau aussuchen konnte, die sie wirklich bewegt.“ Sechs Frauen und acht Männer hatten sich angemeldet, sie haben gemeinsam Ideen entwickelt, Texte geschrieben und die Inszenierung ausgearbeitet.

Herausgekommen sind hierbei acht höchst unterschiedliche Porträts. Antje Prospero robbt für die Darstellung der Gorilla-Forscherin Dian Fossey über den Boden, ahmt die „sanften Rülpslaute“ der Menschenaffen nach und schreit unvermittelt das Publikum an: „Ihr habt in Kauf genommen, dass sich auch Gorillas in euren Fallen verfangen! Ihr tötet sie, vor allem die Silberrücken, wegen ihres Fells und weil ihr die Schädel und Hände verkaufen könnt!“ Szenenwechsel: Die junge Königin Olga mimend, beklagt Daniela Gubalke die Kinderlosigkeit der Monarchin mit brechender Stimme, als alte Landesmutter dagegen blickt sie mit ruhigem Stolz auf ihre Leistungen und die Fürsorge für die Nichte Wera.

Mit einer Mischung aus Leichtigkeit, Entschlossenheit und Wärme verkörpert Selma Öngel-Chryssowergis die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren. Zu getanzten Schattenbildern erzählt Klaus Tigges von Frida Kahlo. Sergeii Kolomiichuk macht aus dem Liebesleben von Liz Taylor eine Fernsehshow, Sabine Riedle zeigt als Hildegard von Bingen tiefe Überzeugung und Strahlkraft. Elegant, arrogant und ein bisschen melancholisch gibt zum Abschluss Hanna Michalsky die Zarah Leander: „Ich war nie bei der NSDAP angestellt, ich war bei der Ufa angestellt“, schnarrt sie. Nach Amerika auszuwandern und dort die zweite Dietrich oder die dritte Garbo zu sein, sei für sie nicht infrage gekommen. „Ich bin die Leander, das muss reichen!“ Mit einem Fingerschnipsen lässt sie sich den Pelzmantel bringen, schlingt das Designertuch um die Haare, setzt die Sonnenbrille auf und geht.