Colin ist aufgeregt. Der sechsjährige Fußballspieler trägt das ungarische Trikot und ist mit seiner Schwester Alessia, seinem Opa Günter Stehle und seinen Eltern Sandro und Kinga Stehle zum Flughafen gekommen. Aufs Rollfeld dürfen sie nicht. Die Familie hofft, wenigstens durchs Fenster des Flughafengebäudes einen Blick auf ihre Stars werfen zu können. Colins Mutter ist vor zwölf Jahren aus Ungarn nach Friedrichshafen gezogen. Auf das EM-Spiel am 19. Juni freut sie sich ganz besonders. Dann spielt Ungarn gegen Deutschland und dann, sagt Günter Stehle, dürfte es unruhig werden in der Familie, schließlich schlagen zwei Herzen in deren Brust. Aber jetzt ist erst einmal viel Geduld angesagt.
Der Sonderflug der Wizz Air aus Budapest, ein Airbus A321, kommt mit einer Stunde Verspätung am Bodensee-Airport an. Die Maschine war bereits in Budapest verspätet gelandet und konnte dort nicht sofort wieder starten. An Bord sind neben dem 60-köpfigen Team der ungarischen Fußballnationalmannschaft auch 2000 Kilogramm Gepäck.
Am Rollfeld haben sich inzwischen etwa 60 junge Fußballspieler aus Friedrichshafen, Lindau und Kehlen versammelt. Mit ihren ungarischen Fähnchen und den Farben Rot, Weiß und Grün der Nationalflagge im Gesicht sind sie kaum zu bändigen. Der zwölfjährige Mateo Frieling kickt für die Union Meckenbeuren-Brochenzell-Kehlen und hat seinen Fußballschuh mitgebracht. Ob die Spieler darauf unterschreiben?
Um 18.30 Uhr ist es endlich soweit. Nicht nur die Kinder, auch Landrat Luca Prayon, der Häfler Bürgermeister Andreas Hein, András Izsák vom ungarischen Generalkonsulat, Vertreter der Polizei und der UEFA, sowie Aufsichtsräte des Flughafens schauen nach Osten an den Himmel, wo, angestrahlt von der Sonne, die Maschine zu sehen ist.

Auch Tobias Painter, Bürgermeister von Weiler-Simmerberg, ist zur Begrüßung angereist. In seiner Gemeinde steht das Hotel „Tannenhof“, in dem die Ungarn während der Europameisterschaft wohnen und trainieren werden. „Wir haben alles gegeben, um die Standards der UEFA einzuhalten“, sagt er, zünftig mit Lederhose bekleidet. Neben der Ausstattung des Hotels musste auch der Rasen des Fußballplatzes stimmen. Da die Normen der UEFA bestimmte Grassorten verbieten, mussten Ehrenamtliche den Fußballplatz auf Vordermann bringen. Im schlimmsten Fall wäre Rollrasen darüber ausgelegt worden. Auch die eigenen Tore passten nicht. Ihren Platz haben jetzt die UEFA-genormten eingenommen. Aber nach all den Anstrengungen der vielen Vereinsmitglieder und Ehrenamtlichen, den Ort schön zu machen, freut sich der Bürgermeister „auf das, was da kommt“.

Um 18.35 Uhr landet die Maschine. Mit vollem Strahl duscht die Feuerwehr sie zur Begrüßung von zwei Seiten ab. „Wo ist der Teppich?“, ruft ein Mitarbeiter aufgeregt in die Runde. Als die Maschine an ihrem Platz vor dem Flughafengebäude steht, rollen zwei Mitarbeiter den blauen UEFA-Läufer vor der Gangway aus. Und dann gibt es für die Fernsehteams, die Fotografen und die Kinder kein Halten mehr. Die einen hoffen auf O-Töne und Bilder, die anderen auf ihr Autogramm, die Bodensee-Apfelprinzessin verteilt Äpfel als Willkommensgeschenk. Und keiner wird enttäuscht.

Fröhlich, freundlich und gut gelaunt unterschreiben die Stürmer Martin Ádám und Kevin Csoboth auf Flaggen und T-Shirts, posieren für Selfies mit den Kindern. Torwart Péter Gulásci gibt bereitwillig Interviews für Radio- und Fernsehsender. Als Spieler für RB Leipzig spricht er auch Deutsch. Der 34-Jährige freut sich aufs Allgäu und lobt die tolle Organisation. Tatsächlich hat sich das Flughafen-Team seit Dezember auf diesen Tag vorbereitet. Mit ihrem Konzept mussten sie sich bei der UEFA vorstellen, sagt der Sprecher Bernd Behrend. Schließlich musste die Sicherheit der Spieler gewährleistet sein.
Dann geht es plötzlich ganz schnell. Die Spieler verschwinden in ihrem buntbemalten Reisebus, der mit Polizeischutz in Richtung Weiler-Simmerberg losfährt. Freudestrahlend hält Mateo Frieling seinen Fußballschuh in der Hand. Er ist übersäht mit den Autogrammen der Spieler.