Mächtig thront der Flugzeugrumpf der „Landshut“ auf einer stählernen Tragekonstruktion in der umgebauten Halle Q am Flughafen. Das Wrack der geschichtsträchtigen ehemaligen Lufthansa-Maschine steht noch dort, wo es seit dem Einzug Ende Oktober 2024 zur Ruhe kam. Inzwischen hat sich in der künftigen Ausstellungshalle aber etwas getan. Denn mit dem 14,5 Tonnen schweren und über 30 Meter langen Rumpf sind einst auch drei große Frachtcontainer mit Einzelteilen in Friedrichshafen angekommen.

Was gehört wohin? Mit einem Puzzle im XXL-Format haben es die Experten beim „Landshut“-Projekt zu tun.
Was gehört wohin? Mit einem Puzzle im XXL-Format haben es die Experten beim „Landshut“-Projekt zu tun. | Bild: Ambrosius, Andreas

„Es sind 230 Teile unterschiedlicher Größen“, sagt Steffen Krautzig von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). „Nicht mitgezählt sind da tausende Nieten und Schrauben, die diese Teile zusammengehalten haben.“ Steffen Krautzig ist als Referent wie seine Kollegin Dominique Hipp damit betraut, aus der umgebauten ehemaligen Flugzeugwerft einen Ausstellungsort zu machen. Die bpb hat dafür die Projektgruppe Interdisziplinäre Bildung und Vermittlung Landshut geschaffen.

Alle Teile sind heil geblieben

Beim ersten Öffnen der Frachtcontainer im März 2024 machte sich Erleichterung breit: Alle Teile hatten die jahrelange Lagerung und den Transport heil überstanden. „Nichts war zerbrochen oder weiter in Mitleidenschaft gezogen worden“, berichtet Dominique Hipp. Sie bescheinigt der Demontage-Truppe von Lufthansa-Technik Sorgfalt beim Zerlegen des Fliegers 2017 im brasilianischen Fortaleza. „Da wurde nichts einfach abgeflext, sondern alles fein säuberlich und fachgerecht demontiert“, Niete für Niete, Schraube für Schraube.

50 Matratzen zur Polsterung

Kreativ waren die Flugzeugmonteure auch: Um große Teile wie Tragflächen, Ruder oder Verkleidungen beim Transport zu schützen, wurden in Brasilien einfach 50 Matratzen gekauft und als Füllmaterial verwendet. Genauso verpackt und gesichert liegen die Teile nun auch in der Ausstellungshalle – jedes registriert, katalogisiert und mit einem Datenaufkleber versehen.

Jedes Teil ist registriert und nummeriert vom Demontage-Trupp der Lufthansa-Technik.
Jedes Teil ist registriert und nummeriert vom Demontage-Trupp der Lufthansa-Technik. | Bild: Ambrosius, Andreas

Als nächster Schritt steht nun in Kürze die Reinigung aller Teile inklusive des Rumpfs bevor. Dazu rückt eine Spezialfirma aus Hessen an. Das Säubern soll sanft und ohne Lösungsmittel direkt in der Halle erfolgen. „Der Schmutz muss weg, aber die weiße Farbschicht auf dem Rumpf soll drauf bleiben“, erklärt Krautzig. Und das gilt auch für alle anderen Teile. Denn es steht keine Restaurierung der Maschine an, sondern eine Konservierung im Zustand von 2017.

Zwei von drei Triebwerken, die von Brasilien nach Deutschland transportiert worden sind.
Zwei von drei Triebwerken, die von Brasilien nach Deutschland transportiert worden sind. | Bild: Ambrosius, Andreas

Zig-mal weiterverkauft

Beharrlich leisten die Ausstellungsplaner weiter Überzeugungsarbeit. Denn von Anfang an war für sie klar, dass der ursprüngliche Zustand des Jahres 1977 gar nicht mehr herzustellen wäre, selbst wenn man wollte. Denn von der Original-Maschine sind gar nicht mehr alle Teile vorhanden. Der Flieger wurde auch munter überlackiert. Kurz nach der Entführung und Befreiung der Geiseln 1977 war die Boeing 737 wieder im Linienbetrieb unterwegs. Lufthansa verkaufte den Flieger 1985. Danach wurde die Maschine bis zur Ausmusterung 2008 noch achtmal weitergereicht, bevor sie als Wrack im feucht-tropischen Klima Brasiliens endete. All das hinterlässt Spuren, die erhalten bleiben sollen.

Eine kleine Stelle auf der rechten Vorderseite des Rumpfs sticht ins Auge. Konservatoren haben hier eine sogenannte Freilegungsprobe vorgenommen, um nach den verschiedenen Farbschichten zu forschen. Unter einer weißen Schicht ist die blau-rote Lackierung der brasilianischen Fluggesellschaft TAF und ein gelb-grüner Rostschutzgrund zu sehen. Lufthansa-Farben gibt es keine mehr. Weiter vorne am Bug ist eine Fläche bis aufs blanke Flugzeug-Aluminium freigelegt. Am Rumpf sind noch Spuren eines Klebebands zu sehen. Was darf bleiben, was soll weg? Diese Frage wird sich in den nächsten Monaten noch öfter stellen.

Auf der Außenhülle des Flugzeugrumpfs sind im Lauf der Zeit verschiedene Lackschichten aufgetragen worden.
Auf der Außenhülle des Flugzeugrumpfs sind im Lauf der Zeit verschiedene Lackschichten aufgetragen worden. | Bild: Ambrosius, Andreas

Konservieren statt restaurieren – das bleibt umstritten, auch unter Zeitzeugen und direkt Betroffenen. „Das ist völlig in Ordnung“, sagt Hipp, „die Kontroverse wird hier im Raum auch Platz finden.“ Das Projektteam fördert den Diskurs bei Treffen. Dem Austausch mit Überlebenden des Geiseldramas von 1977, Zeitzeugen und Zeitgenossen wird große Bedeutung zugemessen. „Das ist wichtige Vertrauensarbeit.“ Die Besucher der Ausstellung, der als „Demokratieraum“ tituliert ist, sollen „die Perspektiven, Erfahrungen und das Erleben der Überlebenden des Terrorismus aus deren (gegenwärtigen) Perspektive erfahren können“, heißt es dazu auf der bpb-Internetseite.

Huch, ein Triebwerk zu viel

Wie der Rumpf am Ende in der Halle steht, ob Tragfläche, Triebwerke oder Höhenruder wieder montiert werden und was mit all den vielen weiteren Einzelteilen geschieht – das ist noch zu klären. Apropos Triebwerke: Davon steckten drei in den Frachtcontainern, obwohl die Boeing 737 nur zwei besitzt. „Der Lufthansa-Service hat in Brasilien einfach alles eingepackt, was da war“, freut sich Steffen Krautzig. All das Material müsse noch eingehend gesichtet werden.

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Kurioser Fund in einer „Landshut“-Frachtkiste: Neben Flugzeug-Einzelteilen kam beim Auspacken in Friedrichshafen eine Flasche „Eisenbahn Pilsen“ einer brasilianischen Brauerei zum Vorschein. | Bild: Ambrosius, Andreas

Flasche Eisenbahn-Bier dabei

Kuriosität am Rande: Beim Auspacken der Container fand sich auch eine Bierflasche der Marke ‚Eisenbahn‘. Das Bier wird in der brasilianischen Stadt Blumenau gebraut – nach dem Deutschen Reinheitsgebot von 1516, wie auf dem Etikett zu lesen ist. „Vielleicht haben sich die Monteure zum Feierabend eine Erfrischung gegönnt und die Flasche einfach vergessen“, kann sich Krautzig vorstellen. Ob die Pulle auch Teil der Ausstellung wird – man wird sehen.