Vor wenigen Jahrhunderten war das Schreiben den Gelehrten vorbehalten, heute diskutieren Gelehrte darüber, die Handschrift abzuschaffen. Gleichzeitig wird die individuelle Schrift populär in Zeiten des institutionalisierten Tastaturtippens – Handlettering ist in. Mit diesem Spannungsfeld befasst sich das Schulmuseum Friedrichshafen in seiner Ausstellung „#Schreiben – Tinte oder Tablet“.

Bild 1: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Schulmuseum/Anja Köhler

Die Ausstellung lässt die Mittel und Werkstoffe des Schreibens und seine Geschichte Revue passieren. Herzstück des ersten Ausstellungsraums ist eine Schreibmaschine – nur das Tablet fehlt.

Bild 2: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Schriftzeichen vor mehr als 5000 Jahren

Vor über 5000 Jahren begannen Menschen in Mesopotamien, mit Keilen Schriftzeichen in Tontafel zu ritzen, wenig später notierten die Ägypter Hieroglyphen auf Papyrus oder in Stein. Das erste Alphabet erfanden Kanaanäer, einen spitzen Stift nutzten Chinesen im 14. Jahrhundert vor Christus.

Bild 3: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Die Schreibwerkzeuge wandelten sich. Aus Keilen und Meißeln wurden Pinsel oder Federkiele, bis Stahlfedern, Bleistifte und schließlich Kugelschreiber die Bewegungen zunehmend erleichterten.

Bild 4: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Wer schrieb, wer nicht und warum?

Die Tafeln fragen weiter: Wer schrieb, wer nicht und warum? Im Mittelalter war Lesen und Schreiben weitgehend Klöstern vorbehalten. Sie tradierten Glauben und Wissen durch die Jahrhunderte und sicherten sich gleichzeitig die Deutungshoheit darüber. Renaissance und Reformation wehrten sich dagegen und fanden im bildungstechnisch aufstrebenden Handwerker- und Bürgertum sowie im frisch erfundenen Buchdruck wichtige Bundesgenossen. Schon Luther forderte allgemeine Schulen für Jungen und Mädchen, doch erst der preußische König Friedrich Wilhelm I. führte die allgemeine Schulpflicht ein.

Das könnte Sie auch interessieren
Bild 5: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Er wollte damit den allgemeinen Fortschritt und keineswegs das eigenständige Denken oder gar die Demokratie fördern. Doch die Schrift und ihre Beherrschung entwickelte sich schnell zum Schlüssel zu Entwicklung und Wissen. Gemütlich war Schule selten – hier lädt die Bank ein zum Briefeschreiben.

Bild 6: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Eine schöne Schrift galt lange nicht nur als notwendig und praktisch, sondern auch als Ausweis eines guten Charakters – und wurde entsprechend fleißig geübt. Das hier ist ein Schönschreibbogen für die Kurrent-Schrift.

Bild 7: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Die Zeugnisnote „Handschrift“ oder auch „Schönschrift“ war ebenso wichtig wie die in Deutsch oder Mathematik.

Bild 8: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Die Jahrhunderte des Briefeschreibens

18. und 19. Jahrhundert wurden entsprechend zu den Jahrhunderten des Briefeschreibens. Gelehrte, Freunde und Familienmitglieder tauschten sich über handgeschriebene Worte auf Papier aus. In der Brieflaube der Ausstellung laden alte Briefe ein, in vergangene Zeiten abzutauchen.

Bild 9: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

In vielen Fällen verwusch sich die erlernte Schönschrift im Lauf des Lebens wieder. Das zeigt etwa der Vergleich einer Schulkinderschrift aus einem Poesiealbum mit der Original-Niederschrift des „Stechlin“ von Theodor Fontane.

Bild 10: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Die ersten Schreibmaschinen ermöglichten einheitliche Schriftbilder auch für Grobmotoriker und die unkomplizierte Vervielfältigung von Schriftstücken. Auf die mechanischen Apparate folgen elektrische und schließlich die Computertastatur. Der Südtiroler Zimmermann Peter Mitterhofer entwickelte im Jahr 1866 eine Schreibmaschine aus Holz, das Polytechnische Institut Wien urteilte jedoch, „dass eine eigentliche Anwendung dieses Apparates wohl nicht zu erwarten stehe“.

Bild 11: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Ein unerwartetes Revival – Dank der NSA

Die Ausstellung berichtet auch von einem unerwarteten Revival: Nach dem NSA-Skandal 2014 stiegen die Verkaufszahlen für mechanische Schreibmaschinen an – sowohl Nachrichtendienste und Unternehmen schätzen sie wieder als abhörsicher und nicht zu hacken. Aber auch die Handschrift behielt ihre Nischen. Kriegstagebücher – hier das von Werner Kunze aus Friedrichshafen – etwa zeigen, dass viele Menschen auf Ausnahmesituationen schreibend reagieren.

Bild 12: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach
Das könnte Sie auch interessieren

Das Labortagebuch, in das Wissenschaftler ihre streng gehüteten Daten, Beobachtungen und Ergebnisse notieren, bleibt häufig handschriftlich. Das Labortagebuch der Physikerin Dr. Gillian Kiliani diente als Grundlage ihrer Diplomarbeit an der Universität Konstanz.

Bild 13: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Auch für Geheimschriften eignet sich die Handschrift – wie hier im Jugendtagebuch von Doris Schwer, die sich so Schutz vor ungewollten Lesern verschaffte.

Bild 14: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Kampf unter Pädagogen

Doch um das Schreiben tobt ein Kampf unter Pädagogen. Anne Trubeck, College-Professorin aus Ohio, hält diese Kulturtechnik für überholt. Ihrer Ansicht nach geht Tippen schneller, lässt mehr Raum zum Denken und hat durch die Vereinheitlichung des Erscheinungsbilds einen demokratisierenden Effekt. Der deutsche Verband für Bildung und Erziehung weist dagegen darauf hin, dass beim Handschreiben deutlich mehr Gehirnregionen aktiviert werden als beim Tippen. Handschriftliche Bewegungen aktivieren zwölf Hirnareale – das Denkorgan treibt Leistungssport. Studien zeigen auch, dass Probanden sich besser merken, was sie geschrieben als getippt haben.

Bild 15: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

In der Ausstellung dürfen die Besucher selbst aktiv werden, indem sie mit Kalligraphiefeder oder Schreibmaschine schreiben, sich an Handlettering oder Buddha-Board ausprobieren, Schriften wie Kurrent oder Sütterlin entziffern oder eine Postkarte mit Federkiel verfassen.

Bild 16: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Handlettering liegt im Trend. In der Werbung, auf Anzeigentafeln oder Speisekarten suggeriert es eine persönliche Ansprache. Aber auch für Einbände von Jugendbüchern oder die Gestaltung von Platzkarten ist es beliebt.

Bild 17: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Erraten Sie die Handschriften?

Prominente und weniger Prominente haben für die Ausstellung den gleichen Satz geschrieben – wer will, kann die Handschriften erraten. Wir haben sie hier bereits zugeordnet:

Bild 18: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Auch die ganz Kleinen dürfen ausprobieren, was es mit Buchstaben, Worten und Farben auf sich hat.

Bild 19: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach

Denn egal, ob in Quarantäne, Ausgangssperre oder in normalen Zeiten: Ein handgeschriebener Gruß freut nicht nur Großeltern.

Bild 20: Vom Schreiben als Privileg und als Zankapfel: Virtueller Rundgang durch die Wechselausstellung im Schulmuseum
Bild: Corinna Raupach